Bewertung: 5 / 5
Gleich vorweg eine Warnung, wer nicht schon große Teile des ersten Filmdrittels erfahren möchte, sollte die ersten fünf Absätze überspringen und unter dem Trennstrich fortfahren. Wladyslaw (Wladek) Szpilman (Adrien Brody - Der schmale Grat 1998, Splice - Das Genexperiment 2009), ein junger stattlicher Mann aus vornehmem Haus, ist ein nicht nur in Polen sehr berühmter Pianist und verdient sein Geld mit Live-Übertragungen beim polnischen Rundfunk, seine Freizeit verbringt er zu großen Teilen bei seinen Eltern und Geschwistern, mit denen zusammen er auch in einer großen Wohnung lebt. Während einer seiner Live-Übertragungen marschieren die Deutschen im September 1939 in Warschau ein und das Gebäude des Warschauer Rundfunks gerät unter Beschuss. Trotzdem versucht Szpilman, sein Nocturnes von Frédéric Chopin am Flügel fertig zu spielen, muss das Vorhaben jedoch aufgeben und die Flucht aus dem Gebäude antreten, weil die Mauern durch den Kanonenbeschuss einstürzen. Auf dem Fluchtweg aus dem Gebäude lernt er zufälligerweise die hübsche Cellistin Dorota (Emilia Fox - Stolz und Vorurteil 1995, Das Bildnis des Dorian Gray 2009) kennen, die sich – so unpassend der Augenblick auch ist – sofort als große Bewunderin Szpilman‘s outet. Aus diesem flüchtigen Kennenlernen entwickelt sich eine Art Romanze und tiefe Freundschaft, was sich wenige Jahre später als sehr hilfreich für Szpilman herausstellt. Schon kurze Zeit nach dem Einmarsch der Deutschen beginnen die Schikanen der Juden, was auch Szpilman und seine Familie trifft, da sie ebenfalls jüdischen Glaubens sind. Anfangs wird nur der Zutritt zu polnischen Kaffeehäusern, Parkanlagen und anderen Freizeitanlagen verwehrt, anschließend wird für Juden die ständige Ausweisung durch Tragen eines Davidsternes am Ärmel verordnet und schließlich kommt es zur Zwangsenteignung und Deportation in das Warschauer Juden-Ghetto, welches schließlich abgemauert wird, sodass sämtliche Juden quasi wie im Gefängnis leben müssen. Szpilman versucht weiterhin seine Familie finanziell durch schlecht bezahlte Nebenjobs zu unterstützen und zu versorgen, bis schließlich der schlimmste Fall eintritt – die Deutschen beginnen mit der Räumung des Ghettos und Umverlegung der Juden in Vernichtungslager. Auf der Flucht vor den Deutschen beginnt nun für Szpilman ein gnadenloser Kampf ums Überleben. Doch auch unter ständiger Todesangst, Beobachtung von grauenvollen, sadistischen Taten deutscher Soldaten, Krankheit und fortwährendem Hunger muss er feststellen, dass es selbst unter solchen Umständen auch unter den Deutschen gute Menschen gibt… -- -- -- -- -- -- -- -- Roman Polansky (Chinatown 1974, Die neun Pforten 1999) inszeniert mit Der Pianist eine unfassbare und packende Geschichte. Unfassbar ist die Grauenhaftigkeit der deutschen Massenmörder, unfassbar ist der Leidensweg des Wladyslaw Szpilman und noch unfassbarer ist, dass es sich um eine reale Geschichte – um die Biographie des Wladyslaw Szpilman (*1911 - +2000) – handelt. Man merkt Polansky eindeutig seine Verbundenheit mit dem Stoff des Holocausts an, so musste er als Sohn eines jüdischen Ehepaares doch selbst in Krakau die Gräueltaten der Wehrmacht miterleben und verlor hier auch seine Mutter, welche nach Auschwitz deportiert wurde und dort umkam. Polansky nimmt sich sprichwörtlich kein Blatt vor den Mund und es kommt einem als Zuseher beinahe so vor, als würde er seine eigenen Erlebnisse schildern. In schockierenden Bildern wird gezeigt, wie Kinder erschossen oder alte – der SS-Auffassung nach unbrauchbare – Menschen kurzum einfach aus Fenstern in den Tod geworfen werden. Abgesehen vom Hauptdarsteller gibt es im Hinblick auf die Schauspielriege nicht viel zu sagen – jeder leistet gute authentische Arbeit, wirklich auffällig ist jedoch fast keiner. Sicherlich könnte man über Emilia Fox als Dorota oder über Thomas Kretschmann (Stalingrad 1993, Operation Walküre - Das Stauffenberg Attentat 2008) als Wilm Hosenfeld das eine oder andere gute Wort schreiben, jedoch reicht es auch völlig aus, sie namentlich zu erwähnen und zu schreiben, dass sie eine gute Arbeit geleistet haben. Nun aber zum Hauptdarsteller… Adrien Brody spielt nicht nur Wladyslaw Szpilman, sondern er wird im Film zu Szpilman. Trotz seines jungen Alters von 29 Jahren entpuppt er sich als absolute Idealbesetzung und entfaltet sein gesamtes schauspielerisches Können in diesem Stück. Mit wenigen Worten, dafür aber mit perfekter Mimik und Gestik, vermag er hier Gefühle wie Wut, Verzweiflung, Angst und Liebe glaubhaft wie selten ein anderer Schauspieler an das Publikum zu vermitteln. Selbst der Verfall vom anfangs beinahe arroganten und vornehmen Star bis zum physisch und psychisch stark in Mitleidenschaft gezogenen Wrack wirkt erschreckend authentisch. Adrien Brody wurde nach diesem Film der Oscar für den besten Hauptdarsteller verliehen und man muss zugeben, dass diese Auszeichnung wirklich gerechtfertigt ist. Darüber hinaus gab es auch für Polansky einen Oscar für dessen Regie, ebenfalls einen Oscar erhielt auch Ronald Harwood für das Drehbuch, große Schreibarbeit nahm ihm aber der wahre Held der Geschichte ab, schließlich lag Harwood’s Drehbuch schon die mehrfach ausgezeichnete Biografie von Szpilman zugrunde. Da der gleiche Geschichtsstoff behandelt wird, kommt man nicht darum herum Der Pianist mit Schindlers Liste zu vergleichen. Doch sieht man genauer hin, so merkt man, dass sich trotz der Ähnlichkeit die Filme nicht mit einander vergleichen lassen, werden sie doch aus gänzlich anderen Perspektiven gezeigt. Beide Filme vermögen aber dem Zuschauer das Grauen dieser schrecklichen Epoche näher zu bringen und ihn zum Nachdenken anzuregen. Darüber hinaus wird in beiden Filmen auf völlig andere Stilmittel gesetzt. Kurz gesagt, bei Filmsammlern sollten beide Filme nebeneinander Ehrenplätze im Regal einnehmen. Von mir würde Der Pianist als Film an und für sich acht Punkte bekommen, aber die Spitzenleistung von Brody wertet den Film eindeutig um mindestens zwei Punkte auf. Als Gesamtwerk gesehen bekommt der Film von mir daher saftige 10 Punkte.
Der Pianist Bewertung