Bewertung: 3 / 5
Für lange Zeit sah es so aus, als ob die Bourne Reihe offiziell mit dem dritten Teil [i]Das Bourne Ultimatum[/i] abgeschlossen ist. Bis Universal Pictures 2008 mit der Ankündigung eines viertens Teils aufwartete, allerdings ohne Regisseur Paul Greengrass und ohne Hauptdarsteller Matt Damon als Jason Bourne. Stattdessen wird ein neuer Charakter eingeführt: Aaron Cross, gespielt von Jeremy Renner, der das Ergebnis eines anderen Programmes ist. Denn wie schon in der [i]Bourne Verschwörung[/i] und im [i]Ultimatum[/i] angedeutet, waren Treadstone und Blackbriar nur die Spitze des Eisbergs. Aaron Cross, ein voll ausgebildeter Agent, weiß jedoch nichts über die anderen Programme, noch über die anderen Agenten. Tatsächlich spielt sich ein wesentlicher Teil der Handlung zu Beginn des Films außerhalb von Cross‘ Wahrnehmung ab. Matt Damon als Jason Bourne spielt zwar nicht mit, doch seine Handlungen und die daraus folgenden Konsequenzen bestimmen die Ausgangslage für [i]Das Bourne Vermächtnis[/i]. So müssen die Regierungsmitglieder damit kämpfen, dass die anderen Programme geheim gehalten werden und der öffentliche Prozess nichts aufdeckt, was nie an die Öffentlichkeit gelangen sollte. Für die unendliche Menge an Arbeit, die dutzend weiteren Programme, geheim zu halten, schalten die Verantwortlichen Eric Byer (Edward Norton) ein. Es wird sehr schnell deutlich, dass Norton keinerlei moralische Skrupel hat und den Schutz der Programme mit allen Mitteln gewährleisten möchte. Während Byer versucht herauszufinden, wie hoch die Wellen durch Bournes Aktionen schlagen werden, kümmert sich ein hochgeheimes Labor um den Gesundheitszustand der Agenten: Dr. Marta Shearing (Rachel Weisz) und ihre Kollegen entnehmen Proben und verabreichen Spritzen, um anschließend Untersuchungen durchzuführen. Welchem Zweck das Labor dient, wissen die Zuschauer und die Agenten, wie auch Cross, nicht. Erst später wird Schritt für Schritt aufgedeckt, was der Kern der Programme ist. Damit ergibt sich eine ähnliche Herangehensweise wie in den Bourne-Filmen, wo sich die Informationen auch Stückchen für Stückchen zusammensetzen. Doch anders als die vorherigen Filme ist gerade der Anfang nicht so spannend aufgebaut und plätschert etwas dahin. Zwar sind die Anspielungen und der Verwicklungen im Hintergrund auf der höheren Befehlsebene für Fans der Reihe sehr interessant, aber Spannung kommt nur wenig auf. Erst als Byer zu drastischen Mitteln greift, um eine Offenlegung aller Programme und ihr Scheitern zu verhindern, nimmt der Film an Fahrt auf. Wenn Cross schließlich auf Dr. Marta Shearing trifft, gibt es eindeutige Parallelen zu den Vorgängern. Dabei wurde diese Begegnung auch durch Rückblenden antizipiert. Tony Gilroy, vorher an allen Drehbüchern der vorherigen Filme beteiligt und nun Drehbuchautor (zusammen mit seinem Bruder Dan Gilroy) Regisseur, greift oft auf dieses Mittel zurück, um zum Beispiel den Zuschauern Verbindungen und Treffen zwischen den Hauptpersonen aufzuzeigen. Eine dieser Rückblenden macht auch deutlich, dass Aaron Cross nicht doch nicht vollkommen den typischen Agenten des Programmes entspricht. Auch er zweifelte an der Richtigkeit seiner Aufträge. Zudem scheint er neugieriger und offener zu sein als seine Kollegen. Trotzdem ist sein Kopf kein offenes Buch und man erkennt nicht immer alle Beweggründe dieses Charakters. Dieser Eindruck entsteht nicht zuletzt durch die solide Leistung von Jeremy Renner. Er gibt dem Charakter Ecken und Kanten. Außerdem vermittelt er die Vorstellung, dass er im Gegensatz zu Bourne viel mehr kämpfen musste, um ein perfekter Agent des Programmes zu werden. Auch die anderen Darsteller liefern eine gute Leistung ab, insbesondere Edward Norton als Eric Byer. Es sind nicht nur seine schockierende Kompromisslosigkeit und sein kühler Pragmatismus, die ihn zu einem gefährlichen Gegner machen, sondern auch seine Beziehungen und seine geheimen Projekte. Er wirkt wie die große Spinne im Netz, die sich lange genug im Hintergrund hält, um ihre Beute zu vervielfachen. Rachel Weisz ist mit ihrer Emotionalität dagegen das komplette Gegenteil. Sie weint, sie lacht und sie verteidigt sich und es kommt überzeugend herüber. In Bezug auf ihren Charakter ist gerade positiv anzumerken, dass sie nicht nur eine Frauenquote erfüllen oder als Love-Interest dienen soll. Sie bringt die Handlung voran und ist auch der Schlüssel für die Lösung einer wesentlichen Frage, nämlich den Grund für die Existenz der verschiedenen Programme. Stilistisch ähnelt die Musik, eine Mischung aus elektronischen Elementen und klassischem Orchester, stark dem Score von John Powell und James Newton Howard setzt gerade an den Stellen mit Verbindungen zu den vorherigen Filmen Themen aus Powells Soundtrack ein. Aber Cross bekommt auch sein eigenes markantes Thema und die ruhigen Szenen sind musikalisch passend untermalt. Neben der Filmmusik ähneln auch der Schnitt (John Gilroy) und die Kameraführung (Robert Elswit)den vorherigen Teilen, besonders in den Actionszenen. Damit bildet der Film eine Einheit mit den anderen Filmen und lässt sich ohne Frage in die Reihe der Bourne-Filme einordnen. Allerdings sind in den Actionszenen nicht nur bei der technischen Herangehensweise Parallelen zu finden, sondern auch im Ablauf. Erinnert eine Verfolgungsjagd über die Dächer nicht an irgendetwas? Vielleicht an [i]Das Bourne Ultimatum[/i]? Da stellt sich doch unweigerlich die Frage, ob es an Einfallsvermögen fehlte, um sich eine etwas abwechslungsreichere Verfolgungsjagd auszudenken oder wenigstens anders zu gestalten. Ab einem bestimmten Punkt sollte ein Spin-off oder eine Fortsetzung der Reihe nicht nur ein einfacher Abklatsch sein, sondern auch für sich selbst bestehen können. Daraus ergibt sich letztendlich auch ein zwiespältiges Gefühl am Ende des Films und auch bei der Bewertung. Die neuen Elemente und Schauspieler passen sehr gut und bilden ein kohärentes Ganzes mit den anderen Filmen. Eine Fortsetzung mit Aaron Cross wäre bestimmt interessant und insbesondere ein Cross-Over mit den beiden Hauptcharakteren dieser Reihe, Bourne und Cross, wäre besonders reizvoll. Doch andererseits erweckt der Film den Eindruck, sich nicht von den Vorgängern lösen zu wollen oder zu können. Es ist kein Bourne mit Bourne, aber es wird auch zu wenig getan, um das zu unterstreichen. Der Einstieg sollte Nichtkennern der Reihe nicht allzu schwer fallen, da nur am Anfang Bezug zu den Vorgängern genommen und damit nur in die Rahmenhandlung eingeführt wird. Für Fans dieser Reihe bietet diese Fortsetzung einen neuen, sicherlich auch diskussionswürdigen Ansatz und viele zum Teil versteckte, aber auch sehr viele offensichtlich Parallelen. Von daher gibt es von mir für den grundsätzlich guten Ansatz und die überraschend kohärente und sinnvolle Fortsetzung, trotz der kleinen Ärgernisse, 6 von 10 Punkten.
Das Bourne Vermächtnis Bewertung