Bewertung: 3.5 / 5
In Eastwoods Version von American Sniper bleibt der gegnerische Sniper menschlich blass, wir lernen sein Können kennen und wie Chris auf ihn reagiert, viel mehr aber auch nicht. Doch finden wir das passend, denn auch der reale Chris Kyle wusste nicht, was für ein Mensch genau hinter dem feindlichen Zielrohr hockt. Er hat nur miterlebt, wie dieser seinen direkt neben ihm stehenden Kameraden abschießt. Ebenso passend ist, dass der gegnerische Sniper nicht zum teuflischen Antagonisten oder gegnerisches Monster hochstilisiert wird, sondern im Grunde auch nur jemand ist, der seinen Job sehr gut macht. Und zumindest in American Sniper sogar noch recht attraktiv aussieht.
Was der Dramatik zuliebe in American Sniper hinzugedichtet wurde, weiß man natürlich nicht, doch das betrifft auch schon Kyles Memoiren selbst, auf denen der Film beruht. Vorwürfe gibt es reichlich, was das Hinzudichten schon in den Memoiren angeht, die den militärischen Killer Kyle heldenhafter dastehen lassen. Hatten die US-Panzer wirklich einen The Punisher-Totenkopf als Deko? So wenig man versucht, schwarz-weiß zu malen, wird an solchen Dingen deutlich, dass Krieg ohne Schwarz-Weiß-Malerei ein Ding der Unmöglichkeit ist. Natürlich muss sich die US-Seite als die gute empfinden, die die Bösen bestraft. Und die US-Seite besteht hier aus Menschen, die das auch glauben können müssen, wenn sie ihr Leben dafür riskieren. An Bruder Jeff und manch anderem Soldaten wird in American Sniper jedoch auch ausreichend deutlich, wie rasch das heldenhafte Beschützergefühl verfliegen kann. Und auch Chris selbst verändert sich nach und nach, er selbst merkt es kaum, seine Frau Taya (Sienna Millers, Foxcatcher) jedoch umso mehr. Mit kleinen, aber wirkungsvollen Szenen daheim und anhand von Therapiesitzungen gelingt es, diese Seite des Krieges ebenfalls zu zeigen. Musikalisch hat Eastwood Tayas Theme übrigens selbst kreiert. American Sniper wurde auch für den Besten Ton und Tonschnitt Oscar-nominiert.
Trailer zu American Sniper
Wir können uns dem Vorwurf einiger Kritiker nicht anschließen, dass hier ein Killer zum Helden stilisiert oder das Blutvergießen heroisch zelebriert werde - zumindest wirkt der Film auf uns nicht so. Über Hinzudichtungen können wir uns kein Urteil erlauben, Eastwood scheint sich das in Bezug auf das Drehbuch ebenso zu denken und überlässt das Urteil darüber dem Zuschauer. Die moralische Entscheidung liegt daher eher darin, ob man Memoiren eines Berufskillers, der sich nach und nach tatsächlich für einen heldenhaften Beschützer hält, überhaupt auf die Leinwand bringt. Doch Eastwood gelingt es aufzuzeigen, wie diese Form von Heldentum sich aus der Entwicklung Kyles heraus ergibt, mit all seiner Fragwürdigkeit daran. Eine Form angeblichen Heldentums, die selbst eben nicht fiktiv ist, sondern im Meinungsbild vieler Amerikaner mit der Muttermilch aufgesogen wird. Man kann den porträtierten Menschen und dessen Memoiren vielleicht verurteilen, aber Eastwoods Darstellung an sich nicht, denn sie spiegelt die Einstellung wieder, die viele Amerikaner nun einmal tatsächlich auch haben. Sowohl in Bezug auf militärischen Heroismus wie auch auf die Eigenwahrnehmung als globale Polizei, als globaler Hütehund. Entsprechend wird der Film von den Konservativen gefeiert, von der Linken verurteilt. Kann man Eastwood wirklich vorwerfen, dass er keine Metaebene einnimmt, nicht selbst deutlich urteilt?
Zusammengefasst können wir daher sagen, dass Clint Eastwoods American Sniper ein gelungenes und trotz der Länge fesselndes Porträt eines realen Menschen mit einem moralisch fragwürdigen, aber nun einmal real existenten Militärjob ist. Der Score ist dezent, so wie jegliches übertriebenes Pathos fehlt, wird auch in der Musik nicht mit Bombast oder übertriebener Thrillspannung gespielt. Man merkt, dass Eastwood den Film so authentisch und menschlich nachfühlbar wie nur möglich gestalten wollte, und das gelingt ihm so ganz ohne Wackelkamera, ohne übertriebene Rührseligkeiten und ohne überdeutlichen moralischen Zeigefinger. Der kritische Blick eröffnet sich aus der von Chris Kyle selbst ausgeschmückten Lebensgeschichte selbst, dem Leben des tödlichsten Scharfschützen des US-Militärs. So, wie es sich aus einer Verfilmung eines historischen Serienkillers ebenfalls von selbst ergeben würde.
Das muss man in American Sniper nur auch erkennen können. Nicht zu vergessen, dass ein solcher Film genau die Diskussionen erneut auslöst und aktuell hält, die real auch bitter notwendig sind. Eine schlechte Wertung aufgrund des Inhalts des Films sehen wir hier daher an dieser Stelle nicht gerechtfertigt. Große Filmkunst ist es nicht, aber ein sehr gut gemachter Militärfilm und eine gut gemachte Charakterstudie, auch wenn sie aufgrund fiktiver Elemente derselben einen bitteren Beigeschmack hinterlässt.