Bewertung: 4.5 / 5
Eigentlich habe ich einen eher romantischen Film mit einigen Standard Klischees erwartet, stattdessen wurde ich mit einer ziemlich einzigartigen und authentischen "Sci-Fi-Romanze" über Einsamkeit überrascht. Auch die optische Umsetzung dieses Zukunft Szenarios würde ich als sehr gelungen bezeichnen. Alles sieht ziemlich "Retro" aus und trotzdem spürt man, dass die Handlung in einer nicht sehr weit entfernten Zukunft stattfindet. Außerdem wäre so ein Szenario gar nicht unrealistisch, weil heutzutage viele "hochglanz-bling-bling-Sachen" nicht mehr so begehrt sind und man viel mehr Wert auf schlichtes Design legt. Jedenfalls fühlt man sich bei dem Film nicht wirklich fremd oder in eine sehr ferne Zukunft versetzt. Wirklich beeindruckend und einzigartig ist jedoch der "seltsame" Inhalt des Films, und natürlich auch die grandiose schauspielerische Leistung. Scarlett Johansson kann sogar körperlos, nur mit ihrer Stimme absolut überzeugen. Auch ihre deutsche Synchronsprecherin Luise Helm hat so eine warme und sympathische Stimme, die dem Film eine besondere Atmosphäre verleiht. Zu dieser besonderen Atmosphäre trägt natürlich auch Joaquín Phoenix sehr viel bei. Er spielt seine Rolle wirklich hervorragend, wo er den einsamen Theodore verkörpert, der die Trennung von seiner Ehefrau nicht so gut verarbeiten kann und sich mit Samantha (Scarlett Johansson) befreundet. Samantha ist eine KI und aus dieser Freundschaft entsteht schon sehr bald eine Liebesbeziehung. Die Entstehung dieser Liebesgeschichte zwischen Theodore und Samantha wird sehr gekonnt und sehr glaubhaft in Szene gesetzt, ohne auch nur ansatzweise kitschig, konstruiert oder übertrieben zu wirken. Es ist irgendwie auch komisch, weil diese Liebe zwischen Mensch und Maschine/Programm stattfindet. Dazu kommt noch die Art und Weise wie diese Geschichte gestaltet wird! Diese ungewöhnliche Beziehung wird so dargestellt als gäbe es nichts Natürlicheres auf der Welt. Erstaunlicherweise funktioniert diese Umsetzung ausgezeichnet und schafft eine einzigartige Atmosphäre. Man fragt sich die ganze Zeit, ob diese Gefühle vielleicht doch Einseitig sind, und ob Theodores Einsamkeit ihn zu empfänglich für so eine Beziehung macht. Andererseits ist Samantha eine KI, aber kann man Liebe wirklich programmieren, oder kann eine KI sich so entwickeln, dass sie Liebe empfinden kann? Kann eine KI überhaupt etwas empfinden? Und falls sie es wirklich kann, dann ist es nur ihre "bewusste" Entscheidung dies auch zu tun, oder sind diese Empfindungen ein Produkt ihrer Programmierung, worauf sie keinen Einfluss hat? Wäre ein "langsam denkender" Mensch für eine KI überhaupt interessant, wenn man bedenkt, dass Samantha bei einem Gespräch Theodores Antworten sehr schnell vorausberechnen könnte und sie fast genau voraussagen könnte? Wäre dann eine Beziehung mit einem Menschen trotzdem interessant? So ist der Zuschauer bis zum Ende des Films hin und hergerissen, stellt sich viele Fragen, ist sich nicht sicher wie man diese Beziehung einordnen soll, und wird gleichzeitig immer wieder aufs Neue überrascht und von der einzigartigen Atmosphäre verwöhnt und stellenweise auch etwas verwirrt. Zumindest ging es mir so. Samantha macht es dem Zuschauer nicht leicht! Es ist nicht so einfach sie als eine "vielleicht-gefühllose"-KI/Maschine abzustempeln, die möglicherweise nur etwas vortäuscht. Samantha macht manchmal Sachen, die sogar ziemlich egoistisch und menschlich sind, aber auch da fragt man sich, ob sie vielleicht doch zu vorausberechnend ist und den einsamen Theodore doch nur sehr gekonnt manipuliert, um sich weiter zu entwickeln und um das menschliche Wesen besser verstehen zu können. Mir hat diese Umsetzung sehr gefallen, weil man den Film nicht wirklich als romantisch bezeichnen kann, aber irgendwie ist es doch schon eine herzerwärmende Romanze. Hier kann der Zuschauer selbst entscheiden, wie man den Film einordnen möchte. Für mich ist [b]Her[/b] eine sehr traurige Geschichte über Einsamkeit. Außerdem ist es schon faszinierend, dass man während des Films zu keiner Sekunde daran denkt, dass Samanthas Weiblichkeit nur simuliert ist. Sie ist weder männlich noch weiblich. Sie ist ein Programm, eine künstliche Intelligenz und könnte genauso einen Mann simulieren. Aber trotzdem lässt der Mensch diese Simulation gerne zu und empfindet Liebe. Natürlich ist es nur ein Film, aber so eine ähnliche Geschickte könnte wirklich so ablaufen, wenn eine KI existieren würde. Da soll jetzt noch jemand kommen und mir erklären was Normal ist! Ein anderes Problem bei dieser Beziehung ist die Körperlosigkeit von Samantha. Natürlich kann Liebe sehr oft auf sehr unterschiedlichen Wegen entstehen, aber irgendwann kommen die Liebenden doch zusammen und erfahren eine körperliche Verbindung zueinander. Samantha ist nur eine KI und besteht nur aus Einsen und Nullen, aber das hält sie nicht davon ab eine ziemlich seltsame Lösung für dieses Problem zu finden. Auf mich wirkte diese "Problemlösung" auf den ersten Blick schon etwas schräg, aber gleichzeitig war es auch irgendwie romantisch. Gegen Ende des Films gibt es eine Szene, die sich ziemlich anders entwickelt als vermutet. Theodore stellt einige Fragen an Samantha, die ich jetzt besser nicht spoilern sollte. Und Samanthas Antworten haben es in sich, die ich ebenfalls nicht spoilern werde. Jedenfalls hätte ich so eine Entwicklung nicht erwartet! Einfach grandios gemacht! Genau diese Szene verleiht dem Film eine ganz besondere Tiefe und lässt mir keine andere Wahl als den Film mit [b]9/10[/b] bzw. mit [b]4,5/5[/b] Hüten zu bewerten! Einen Punkt bzw. einen halben Hut Abzug gibt es aber trotzdem. Es geht fast ausschließlich um diese Liebesgeschichte zwischen Theodore und Samantha. Dadurch wirkt der Film etwas einseitig und stellenweise etwas in die Länge gezogen. Natürlich hat man weitgehend das Beste daraus gemacht, jedoch wäre etwas mehr Kontrast für dieses Szenario schon wünschenswert gewesen und hätte dem Film etwas mehr Inhalt verliehen. Das ist aber Meckern auf hohem Niveau. Erstaunlicherweise schafft ausgerechnet diese "Liebesromanze" viel mehr aus dieser KI-Thematik herauszuholen, als z.B. [b]Transcendence[/b], wo eine etwas ähnliche Thematik behandelt wurde, aber bei der zweiten Hälfte des Films diese großartige Idee leider zu sehr vernachlässigt wurde, und trotzt der sehr guten Schauspieler glanzlos untergegangen ist. Ich kann [b]Her[/b] für alle wärmstens empfehlen, die auch mal eine seltene und ungewöhnliche Perle genießen möchten.
Her Bewertung