Bewertung: 5 / 5
[b]127 HOURS[/b] - ein spannendes Docu-Unfall-Drama von Danny Boyle (auch beteiligt am Drehbuch und Produzent), beruhend auf einer wahren Begebenheit des US-Amerikaners Aron Ralston, adaptiert von der autobiografischen Vorlage [i]Between a Rock and a Hard Place[/i] von Ralston - mit einem beeinduckenden James Franco, verdient oscar-nominiert. Ich habe etwas gezögert, mir den Film anzuschauen, da sich Gespräche dazu scheinbar nur - [b]wohl längst kein SPOILER mehr, für wen doch, überspringen!! [/b] - um die [i]Arm dran oder ab-Szene[/i] zu drehen schienen - ein Film mit Unfall-Voyeurismus als Diskussionsaufhänger reizte mich erst einmal nicht. [b][möglicher SPOILER OFF] [/b]Doch dann hörte ich auch noch anderes darüber von denen, die ihn bereits gesehen hatten - das war dann der Auslöser, mir selbst eine Meinung bilden zu wollen - und ich finde ihn wirklich gut gemacht - und es geht zwar auch, aber nicht nur um die besagte Armszene. [b]Geschichte:[/b] Der junge Abenteurer und routinierte Bergsteiger Aron Ralston (James Franco) düst allein mit seinem Mountainbike bei wundervoll sonnigem Wetter zum [i]Robbers Roost-Canyon[/i], um dort den Tag mit einer (nicht seiner ersten dort) Kletterpartie zu verbringen. Bester Laune kommt er dort an und trifft auf seinem Wege zwei junge Touristinnen, für die er kurzerhand den Führer und coolen Animateur spielt und ihnen die Geheimwege des Canyons zeigt, die er bei früheren Ausflügen dort schon entdeckt hat. Zum Dank gibts eine Partyeinladung der Mädels dafür, bevor er sich wieder allein in den Canyon begibt. Aron zieht los und klettert wohlgemut herum, als sich plötzlich ein Brennball großer Felsbrocken löst, auf den er gerade noch sicher getreten war und an dem er sich noch festhalten wollte, als er unter diesem tiefer kletternd abrutscht - er stürzt samt Stein in einen tiefen Spalt - alledings nicht einmal so besonders tief - jedoch klemmt der Brocken seine rechte Hand - diese dabei zerschmetternd - zwischen sich und der Felswand ein. Alle Versuche, diesen zu lösen, scheinen zu scheitern - und natürlich hat der einsame Wolf kein Handy dabei und niemandem Bescheid gesagt, wo er hin will... [u][b]Kritik:[/b][/u] [b]Darstellung, Inszenierung, Story[/b] [b]James Franco[/b] sieht dem echten Aron Ralston nicht nur tatsächlich sehr ähnlich - er spielt auch sehr überzeugend den erst coolen [i]lonely Rider[/i], für den es plötzlich im wahrsten Sinne des Wortes beklemmender Ernst wird. Da sich lokal für ganze 5 Tage erzählte Zeit erst einmal nichts ändert, hängt es stärker als bei anderen Storys von der Darstellung ab, ob das Ganze eindringlich und spannend rüber kommt - dementsprechend viele Close-Ups gibt es von seinem Gesicht bzw. seinem mimischen Spiel. Ich will gar nicht wissen, wie oft Boyle am Set "nah ran, nah ran" zu den Kameraleuten (Anthony Dod Mantle, Enrique Chediak) gebrüllt haben mag! Den Wechsel der Gefühle zwischen Schock, wütendem bis verzweifeltem Aktionismus, Besonnenheit, Erschöpfung, Delirium, Resignation usw. nimmt man ihm fraglos und mitleidend ab. Da gibts nichts zu meckern. [b]Auch die Kameraeinstellungen sind grandios und kreativ, unglaublich toll sind die Canyon-Panorama-Bilder.[/b] Ein paar auffallend schöne Beispiele neben den eh allgemein wunderschönen Panoramabildern, die genial den winzig kleinen Menschen Aron in dieser riesigen Gesteinsnaturschönheit - aber auch imposant-stillen Gefahr - einzufangen wissen, ist zum Beispiel die Szene, in der Aron auf einem Canyon-Plateau steht, während ca. 20 Meter tiefer ihm die zwei Touristinnen entlang laufen - der Einstellungswechsel von denen zu ihm rauf und von ihm auf diese runter - vor allem dieses winzige Schattenbild Arons, das neben den beiden Mädels auf dem Boden von oben zu sehen ist, sind einfach mal genial mit der Kamera eingefangene Bilder (wie lang haben die wohl gewartet, bis die Sonne genau so stand, dass der Schattenwurf möglich war?? Oder haben sie nachgeholfen?). Genial auch der Mega-Aufzieher vom eingeklemmten Aron raus nicht nur aus der Spalte sondern bis hoch über dem Canyon schwebend mit Blick auf diesen, so dass man den Spalt als ganz dünnen, aber sehr lang gezogenen Riss in diesem sonst fest erscheinenden, gigantischen Canyon-Plateau wahrnimmt. Das verdeutlicht eindringlich diese gigantische Gesteinsmasse, in der irgendwo in diesem schmalen Riss tief unten Aron feststeckt und die Einsamkeit und Weite, die ihn außer dem Gestein dabei umgibt. Toll auch zu sehen, wie gut mit interessanten Einstellungen solch eigentlich in Worten unspannend klingende Szenen wie "Aron trinkt Wasser aus seiner Wasserflasche" umgesetzt werden können. Ich hatte mich schon gefragt, wie das wohl in Szene gesetzt wird, wenn jemand ewig - bzw. 127 Stunden - in einer Spalte festhängt und da also auch eigentlich nichts äußerlich groß passiert - bis auf die dramatische Armszene - außer eben emotional innerlich, der körperlich-psychische Abbau - und dachte mir - hm, ob das streckenweise öde werden könnte?? Aber nein, kreative Einstellungen und gute Darstellung eben genau des langsamen Abbaus von Aron machen das Ganze erstaunlich spannend und eindringlich. [b]Dazu der Docu-Touch durch die Camcorder-Szenen[/b], die zudem keine Regie-Idee sind, sondern real auch gemacht wurden. Boyle und andere Mitarbeiter erhielten Einsicht in das Material, das ansonsten Ralston nur der Familie und Freunden gezeigt hat. Wie nah diese an der Realität sind, ist natürlich unmöglich zu beurteilen, wenn man die Bilder nicht kennt, im Film sind sie sehr wirkungsvoll und fügen dieser Situation Arons eine interessante weitere Ebene hinzu, die Boyle gut einzusetzen weiß - nicht nur, aber auch, als Tränendrüsen-Puscher, wenn sich Aron von Familie und Freunden - einen möglichen Tod vor Augen - per Camcorder verabschiedet, sondern auch, um sein langsam aber sicher beginnendes Delirium - wegen Wasser-, Nahrungs- und Schlafmangel - inklusive entsprechendem Halluzinieren - darzustellen. Grandios eben als Beispiel auch die Szene, in der Ralston/Franco so tut, als säße er einem Moderator in einer Talkshow gegenüber, dem er erklären muss, wie es zu dem Unfall kommen konnte - und zwar auf lustige Galgenhumor-Art vom Talkmaster kritisch hinterfragt - Franco bzw. Aron spielt sich als verzweifelt-ernsten, als Loser ergebenen daher kommenden Talkgast und den Moderator mit überdreht lachendem Zynismus, denn die tiefsinnig-ernsten, Aron niedermachenden Aussagen als Ralston widersprechen seinem humoristischen Tonfall - der Talkmaster-Aron zerfetzt das Egomanenverhalten des lonely "ich kann alles alleine" Rider-Aron mit diabolischer Freude in der Luft. Der echte Aron Ralston saß tatsächlich später in der "David Letterman-Show" - ein guter Schachzug von Boyle und des weiteren Drehbuchautors Simon Beaufoy, diese Begebenheit auf diese Weise einzubringen - sollte sie nicht tatsächlich auf Camcorder-Wahrheit des echten Ralston basieren. Eigentlich müsste man die Autobiografie vor einer Storykritik lesen - vielleicht wird das mal ergänzend nachgeholt - vergleichen kann ich hier also nicht, wie gut die Adaption im Bezug auf Originaltreue zur Autobiografie gelungen ist. Gab es zum Beispiel auch real den Raben, der jeden Morgen über der Spalte und Aron hinwegflog - Arons einzige, sehr kurze Gesellschaft (neben ein paar Ameisen und einem Gecko) sowie ein Hohn ob der Freiheit des Vogels, die sich Aron wohl selbst gerade sehnlichst gewünscht hätte... und wer etwas von der Symbolik des Raben versteht - wird dieses Detail mögen. Sollte es real auch so gewesen sein - wie passend dann doch das Leben so spielt! [b]Die 127 Stunden[/b] sind in diesen ca. 90 Minuten Spielfilmlänge gut komprimiert in Szene gesetzt worden - [b]nach ca. 15 Min. [/b]wird Aron eingeklemmt, [b]nach ca. 30 Minuten[/b] dreht er das erste Mal durch - was er sich selbst ab dann aber verbietet - die sich wiederholenden Selbstermahnungen finde ich in einer solchen Situation absolut passend - schließlich ist dort niemand sonst, der ihm gut zureden könnte - und [b][SPOILER!] [/b]er hätte es wohl nicht geschafft, wenn er sich nicht immer wieder u.a. auch durch solche Selbstermahnungen zusammengerissen hätte. [b][Spoiler OFF] [/b]Dazu die Camcorder-Szenen, die verdeutlichen, was für ein Typ er ist - verbunden mit den Halluzinationen und Erinnerungen auch an seine gescheiterte Beziehung sehr gelungen rübergebracht. [b] [/b] [b]Nach ca. einer Stunde[/b] ist auch das Wasser alle und die Halluzinationen vermischt mit Zukunftsträumen von einem Sohn und Erinnerungen an seine Ex sowie der Vorstellung, jetzt auf der Party mit x tollen Getränken (grandiose Bilder, da kriegt jeder Zuschauer Durst!!) der zwei Touri-Mädels zu sein, statt durstig fest zu sitzen, kommen voll zum Zuge - wie auch die scheußliche Pippi-Szene *schüttel*. Und [b]nach ca. 75 Min.[/b], kommt die [b]ACHTUNG Spoiler-Szene![/b], Arm ab oder nicht... diese Szene ist wirklich genial gemacht - auch hartgesottene Zuschauer dürfte das beeindruckt haben, ich selbst konnte kaum hinsehen - und das habe ich eigentlich nur, wenn es sehr real dargestellt wird und daher besonders schockiert - genial das fiese Sirren als Geräusch für das Treffen der Nerven - da erinnert sich mancher an den ein oder anderen Zahnarzt-Besuch. Irreal, aber gut gelöst sind die Arm-Innenansichten beim Bruch und beim Schneiden. Dazu super dargestellt von Franco, und super geschnitten (John Harris).[b][SPOILER OFF] [/b]- der Rest ist das hier nicht zu verratende Ende. [b]Musikalisch genial[/b] - die Musik (A. R. Rahman) kommt nur als Walkman-Radio von Aron, die Liedauswahl dabei ist wirklich super passend und zum Teil auch den armen Aron verhöhnend - ein gelungenes weiteres Stilmittel, auch, um die außer diesem herrschende einsame, gigantische Stille gigantischer Felsmassen zu betonen. Wie immer gäbe es noch einige wirklich geniale Szenen zu beschreiben, entdeckt sie selbst! [b]Ein winziger Kritik-Punkt:[/b] es erscheint mir doch etwas unglaubwürdig, dass jemand, dessen Hand gerade zerschmettert wurde, nicht in Ohnmacht fällt. Dass er im Schock erst einmal irgendwie agiert, okay - aber dann sollte auch mal die Realisierung und damit auch der unglaubliche Schmerz und zumindest eine Fast-Ohnmacht kommen. Das fehlte mir irgendwie. Sollte er auch real nicht in Ohnmacht gefallen sein - okay... leider lässt sich das ja nicht nachprüfen, denn auch eine Autobiografie vermag Lücken zu haben - gerade wenn der Autor sich ungern schwach darstellt - wie auch im Film u.a. bei der Durchdreh-Szene gut verdeutlicht wird. Auch die anderen DarstellerInnen haben ihre Rolle gut gespielt - sollte man wohl erwähnen - doch die kurze Szenenzeit derselben lässt mich hier auf Details verzichten. [b]Fazit:[/b] Die 5 schrecklichen Tage bzw. 127 schauderhaften Stunden des Aron Ralston sind fesselnd, emotional wie auch sonst packend dargestellt und in Szene gesetzt, nicht eine Minute Langeweile, unglaublich tolle Panoramabilder, super Storyline, sehr gelungene Kamera auch in den closen Szenen von Arons langsamem Abbau, dazu gelungene Docu-Camcorderszenen - spannender und dabei real wirkend hätte man das nicht inszenieren und darstellen können. Großer Hut ab! Den Mini-Makel verkrafte ich da locker. Ein Highlight auch die "ich hasse diesen Felsen"-Szenen inklusive genialem Filmzitat: [b]Aron: "Ich hasse diesen Felsen, seit er ein Meteoritensplitter im All war!"[/b] Man sieht den Felsen übrigens im Intro des Films als Meteoriten durchs All fliegen, wieder ein schönes Detail. [b][Spoiler] [/b]Krass, dass der Typ auch real danach noch weiterhin Bock hatte, im Gebirge rum zu kraxeln - mir wär die Lust vergangen...! [b][Spoiler OFF][/b] Die sechsfache Oscar-Nominierung war verdient [i](Bester Hauptdarsteller, Bester Film, Bestes adaptiertes Drehbuch, Beste Fillmmusik, Bester Song, Bester Schnitt)[/i] - schade, dass es nicht einen einzigen für dieses packende Machwerk gab. Also geb ich ihm wenigstens eine ordentliche und absolut gerechtfertigte [b]10/10 Punkten[/b]-Wertung bzw. [b]5 von 5 Hut ab! Hütchen.[/b]
127 Hours Bewertung