Bewertung: 4 / 5
Ob PISA-Studie, Hochbegabtenförderung oder Mathematik-Olympiaden: Zu einem hohen Bildungsgrad gehört ein hohes Maß an Leistung und Begabung. Immer früher werden Kinder zu Wettbewerbsteilnehmern erzogen, müssen sich in Konkurrenz beweisen. Und das ihr Leben lang, bis hin zu Assessment-Centern für Jung-Manager oder Auszubildende. Viele Pädagogen kritisieren mittlerweile dieses System und prangern die Leistungsgesellschaft an für das, was sie den Kindern bzw. dem Kindsein antut. Denn die Schule bestimmt schon früh ihr Leben.
Der österreichische Dokumentarfilmer Erwin Wagenhofer macht sich in Alphabet auf zu einer Reise in die Welt der Bildung. Und das quer über den Globus. Stolz präsentiert beispielsweise die Mutter eines chinesischen Schülers all die Auszeichnungen, die er in zahlreichen Lernwettbewerben gewonnen hat. Sie hängt ihm eine Goldmedaille um den Hals und so dekoriert blickt der schlaksig linkische Junge mit müden, traurigen Augen in die Kamera. Mehr als mit den Worten all der Pädagogen und Wissenschaftler, die in seinem Film zu Wort kommen, bringt Erwin Wagenhofer mit dieser Sequenz die Botschaft auf den Punkt. Wagenhofer beweist hier eine weitreichende Recherche und fügt die verschiedenen Aspekte zu einem überzeugenden Plädoyer dafür zusammen, dass ein radikaler Richtungswechsel für das derzeitige Bildungssystem dringend nötig ist: Erziehung sollte nicht auf der Angst, sondern auf der Liebe basieren.
Als Experten dienen ihm unter anderem der Erziehungswissenschaftler Ken Robinson, der Hirnforscher Prof. Dr. Gerald Hüther und der berühmte Pädagoge Arno Stern, der in Frankreich mit seinem "Malort" neue Maßstäbe für die kindgerechte Lernerziehung gesetzt hat und sich früh dafür entschied, seinen eigenen Sohn André, der ebenfalls zu Wort kommt, nicht zur Schule zu schicken. Sie alle propagieren eine neue Marschrichtung für den Umgang mit Kindern, Wagenhofer folgt ihren Gedanken konsequent und setzt diese in eine schlüssige Argumentationskette. Weg soll es gehen von einer Kultur der Angst, hin zu einer Kultur der Liebe. Denn im Grunde ist jedes Kind hochbegabt. Nur wird es nicht immer gesehen. Ein Film über Probleme der Gegenwart. Und Chancen für die Zukunft.
Prädikat: besonders wertvoll
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung