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Anonymus

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Nur eine Fußnote

Anonymus Kritik

Anonymus Kritik
1 Kommentar - 03.11.2011 von FBW
Hierbei handelt es sich um eine Kritik der Deutschen Film- und Medienbewertung (FBW).

Bewertung: 4 / 5

Bemerkenswert an Anonymus ist nicht, dass Roland Emmerich einen Historienfilm in die Kinos bringt. Ein gewisses geschichtliches Interesse ließ der Stuttgarter immerhin bereits in Der Patriot (2000) und 10.000 B.C. (2008) durchblicken. Auch die Anonymus zugrunde liegende These, Shakespeare habe seine Werke nicht selbst geschrieben, ist nicht neu - darüber streiten sich Laien und Gelehrte seit Jahrhunderten. Die Tatsache hingegen, dass in einem Film des Independence Day-Machers die Worte den Effekten überwiegen, dass intrigiert statt invadiert wird - das ist wirklich eine Überraschung. Und dass der Thriller - Emmerichs erster - auch noch erstaunlich gut funktioniert, das ist schon fast eine kleine Sensation.

Roland Emmerich macht keine halben Sachen: Wenn er die Welt untergehen lässt, dann muss alles dabei sein, von Flutwellen über Erdbeben bis zu Vulkanausbrüchen. Und wenn er Shakespeares Schaffen hinterfragt, dann selbstverständlich auch mit Prolog und Epilog. So beginnt die Geschichte nicht sofort im elizabethanischen London, sondern auf einer Bühne in New York, auf der Sir Derek Jacobi das Publikum mit der Theorie vertraut macht. Mit jener, die besagt, dass der, den die Welt als den bedeutendsten Dramatiker aller Zeiten kennt, womöglich nur ein Strohmann war.

Trailer zu Anonymus

Aus der illustren Runde Herren, denen die sogenannten Antistratfordianer abwechselnd die Urheberschaft an Werken wie "Romeo und Julia", "Hamlet" oder "Richard III." zurechnen, pickten sich Roland Emmerich und sein Drehbuchautor John Orloff (Ein Mutiger Weg) Edward de Vere, den 17. Earl of Oxford heraus. Den spielt in jungen Jahren Jamie Campbell Bower mit viel Feuer, in alten Tagen Rhys Ifans mit viel Würde. Orloff und Emmerich erzählen Oxfords bewegte Lebensgeschichte in angenehmem Tempo, wenn auch alles andere als geradlinig: Mehrfach wechselt er die Zeitebene, was in Anbetracht der Tatsache, dass nicht nur die Hauptfigur von zwei Darstellern gespielt wird, anfangs etwas herausfordernd ist.

Die Handlung springt von den Tagen, in denen der alte Adelige einen Würdigen sucht, unter dessen Namen er seine Stücke veröffentlichen kann, zurück in die Zeit, in der der junge Earl im Hause von Sir William Cecil (David Thewlis) aufwuchs. In Person seines Ziehvaters findet Edward schon früh seinen Gegenspieler - und der ist immerhin der wichtigste Berater von Königin Elizabeth (Joely Richardson, später Vanessa Redgrave). Zu den Intrigen William Cecils, die in späteren Jahren von seinem Sohn Robert Cecil (Edward Hogg) fortgesponnen werden, gesellt sich für den Herren von Oxford noch ein weiteres Problem: Nach der grandiosen Erstaufführung eines Stückes, das der Aristokrat anonym veröffentlichte, muss er miterleben, wie sich ausgerechnet der tumbe Schauspieler William Shakespeare (Rafe Spall) vom Publikum als Autor feiern lässt.

Fortan lässt Emmerich kein gutes Haar an Shakespeare: Er erklärt ihn zum einfältigen Analphabeten, zum geltungssüchtigen Lügner, zum gierigen Erpresser, zum kaltblütigen Mörder. Vor allem aber degradiert er den großen Dramatiker zur Randfigur, zu einer Fußnote in der Biografie des unglücklichen Earl of Oxford. Und die erscheint, so wie Emmerich sie inszeniert, in puncto Intrigen- und Wendungsreichtum nicht weniger ergiebig als die Dramen, deren Urheberschaft zur Diskussion steht.

Natürlich achtete Emmerich darauf, der deutsch-britischen Koproduktion eine standesgemäße Optik zu verpassen: Die Kostüme von Lisy Christl (John Rabe) sitzen so perfekt wie der sanfte, goldene Lichtschein bei den Innenaufnahmen. Auch wenn sich der Regisseur manchmal dazu hinreißen ließ, es mit dem Prunk etwas zu übertreiben, ändert das nichts an dem seltenen Eindruck, dass die Geschichte, die Emmerich erzählen will, ihm mehr am Herzen liegt als die Bilder, die er dafür komponiert. Und so viel Abscheu Emmerich seinem Shakespeare auch entgegenbringt, so groß scheint sein Respekt vor den Worten, die Shakespeare zugerechnet werden - wer auch immer sie nun verfasste.

Anonymus bekommt 4 von 5 Hüten.


(Quelle: teleschau - der mediendienst | Annekatrin Liebisch)

Anonymus Bewertung
Bewertung des Films
810

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1 Kommentar
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cayman2300 : : Rocker
05.11.2011 13:03 Uhr
0
Dabei seit: 20.05.11 | Posts: 1.480 | Reviews: 49 | Hüte: 10
Der Film weckt richtige Interesse bei mir. Wir hatten ja langen keinen richtig guten Historyen Film und da kann man Anonymus schon als ein Kunststück feiern. Die Geschichte macht mich auf jeden Fall an.
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