Bewertung: 4.5 / 5
2013 wollte ich Prisoners und 2015 wollte ich Sicario im Kino sehen. In beiden Fällen habe ich es aus unterschiedlichen Gründen leider nicht geschafft bzw. es versäumt. Dieses Jahr lief Arrival Gefahr, das gleiche Schicksal zu teilen, ein drittes Mal wollte ich einen Villeneuve-Film allerdings nicht im Kino verpassen. Vor den Weihnachtsferien konnte ich ihn jetzt zum Glück doch noch unterbringen.
Arrival ist ein Science Fiction Film mit Köpfchen, der sich irgendwo zwischen 2001, Interstellar und Contact einordnen lässt. In der zweiten Hälfte stellt Villeneuve die Handlung auf den Kopf und sprengt somit sämtliche Erwartungen, die man als Zuschauer z.B. nach den Trailern eventuell haben könnte. Des Weiteren hat sich Villeneuve glücklicherweise dazu entschlossen, nicht jeden Gedanken auszuformulieren und nicht jede Frage zu beantworten. Dies kann zunächst vielleicht zu einigen Verwirrungen führen, sorgt insgesamt aber für das zufriedenstellende Gefühl, endlich mal wieder von einem Film gefordert zu werden. Während des Abspanns und während der Fahrt zurück nach Hause wird man Arrival definitiv mehrmals gedanklich Revue passieren lassen, in meinem Fall zu den schönen Klängen von Public Service Broadcasting.
Trailer zu Arrival
Auch wenn Arrival erzähltechnisch sehr ruhig und langsam ausfällt, kommen zu keiner Zeit Längen auf. Anstatt hier jetzt aber näher auf Villeneuve oder Amy Adams einzugehen, möchte ich der Filmcrew in der zweiten Reihe mein Lob aussprechen: dem Kameramann Bradford Young, dem Komponisten Jóhann Jóhannsson, der Sound- und der Effektabteilung. Ihnen gelingt es meisterhaft, der Faszination und der Angst im Angesicht des Fremden (der englische Begriff "alien" in seiner reinsten Bedeutung) sowie der schieren Größe der Raumschiffe Ausdruck zu verleihen. Der ruhige Erzählstil bringt den Vorteil mit sich, den Fokus auf kleine, im allgemeinen Filmverständnis banal erscheinende Dinge zu richten und diese Dinge der Realität entsprechend darzustellen. Wenn Amy Adams im Film in einen Militärhubschrauber steigt, dann werde ich als Zuschauer von gleißendem Scheinwerferlicht geblendet und der Rotorenlärm wummert laut durch den Kinosaal, so wie auch in der Realität der Fall sein würde. Dementsprechend weiß ich als Zuschauer, dass es sich hier um einen einschneidenden Moment handelt und gerade etwas sehr Wichtiges geschieht. Gleiches gilt für Szenen, in denen Panzer und Kriegsschiffe aufgefahren werden oder sich die Raumschiffe bewegen. In lauten Actionfilmen wie Independence Day wird man die Krisensituation nicht so bewusst wahrnehmen wie hier.
Inhaltlich betritt Arrival einen bisher wenig ausgebauten Pfad, indem die Darstellung der Aliens aus dem üblichen Gut-Böse-Schema ausbricht, primär treten die Menschen selbst in Aktion. Im Vordergrund stehen die Kommunikationsprobleme, Villeneuve und Heisserer philosophieren über die Wichtigkeit der Sprache in der Evolution und zeichnen ein realistisches Bild der menschlichen Reaktion auf die andersartigen Fremden. Aufgrunddessen lassen sich aus dem Film auch Kommentare zur aktuellen politischen Lage ziehen. Des Weiteren kann Arrival als Film über das Kino selbst betrachtet werden, wie es schon in 2001 mit dem schwarzen Monolithen der Fall war. Das Innere des Raumschiffs erinnert nicht umsonst an einen Kinosaal mit großer Leinwand. Wer Interesse hat, kann sich gerne das Video von Wolfgang M. Schmitt jun. ("Filmanalyse") ansehen, der das ebenso empfunden hat und den Film sehr schön analysiert. Um Spoiler zu vermeiden, sollte man dies jedoch erst nach der eigenen Sichtung tun.
Mit Arrival ist Denis Villeneuve der nächste tolle Film gelungen und wenn er nicht schon nach Enemy und Sicario zu meinen Regiefavoriten zählte, dann spätestens jetzt. Die Generalprobe für Blade Runner 2049 hat er meiner Meinung nach mit Bravour gemeistert! Im Allgemeinen kann ich Arrival jedem empfehlen, der inhaltlich gerne gefordert werden möchte, insbesondere werden (Hard) Science Fiction Fans hier auf ihre Kosten kommen. Filme solcher Art finden sich in Hollywood heutzutage leider viel zu selten.