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Attack on Titan

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Manga vs. Anime vs. Live-Action: Kampf der Titanen

Attack on Titan Kritik

Attack on Titan Kritik
13 Kommentare - 07.05.2017 von MD02GEIST
In dieser Userkritik verrät euch MD02GEIST, wie gut "Attack on Titan" ist.
Attack on Titan

Bewertung: 4.5 / 5

Einleitung
ATTACK ON TITAN. Seit 2009 sorgt das Epos geschaffen von Mangaka Hajime Isayama für Furore. Nicht nur in Japan, sondern auch im Westen. Der Manga ist ein wirtschaftlicher Erfolg und er wurde auch mit einer Anime-Serie adaptiert.

Der Anime, zum Stand dieser Kritik, hat mit der Ausstrahlung seiner zweiten Staffel frisch begonnen. Ein seltener Fall, denn viele gegenwärtige Anime beschränken sich auf höchstens 26 Episoden pro Serie, weil die Manga-Vorlage meist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist und heutzutage durch die japanische Sendeplatzpolitik selten eine Serie wiederholen beziehungsweise die Möglichkeit für eine Fortsetzung eliminieren. Sprich wird eine Serie zu Ende ausgestrahlt, ist der Platz bereits für die nächste bereits reserviert. Ja, der Konkurrenzkampf ist sehr groß.

Trailer zu Attack on Titan

Nun aber ist ATTACK ON TITAN sehr erfolgreich und durch dessen Erfolg, der sich nicht in zahlreichen Merchandise-Produkten äußert. Es gibt alternative Erzählungen und Ergänzungsgeschichten jeder Art; sogar eine US-amerikanische Comic-Anthologie; sowie ein Comic-Crossover mit dem Marvel-Team der Avengers existieren.

ATTACK ON TITAN bietet eine klassische Geschichte in einem klassischem Gewand und sie reflektiert sehr viel von unserer gegenwärtigen Mentalität. Sprich wirtschaftlicher und ideologischer-bedingter Protektionismus.

Entstehung und Hintergrund
Ende 2011 erwarb das Filmstudio Toho die Rechte für eine Live-Action-Adaptation von ATTACK ON TITAN vom Verlag Kodansha. Kodansha verlegt den Manga von Isayama. Die erste Wahl Tohos für einen Regisseur für dieses Projekt war Tetsuya Nakashima. Der Film sollte 2013 dann in die Kinos kommen. Doch Nakashima verließ dieses aber frühzeitig aufgrund künstlerischer Differenzen. Das war ein sehr guter Schritt, denn hätte Nakashima dieses Projekt übernommen würde die Welt heute anders aussehen und das nicht gerade zum Besseren. Der Film wäre bestimmt nicht das geworden, was schlussendlich geschah.

Nun wurde das Projekt Shinji Higuchi angeboten, der schon für Toho einige sehr erfolgreiche Filme machte. Higuchi sagte sofort zu, denn er ist selber von ATTACK ON TITAN begeistert.

Es wurden schlussendlich unter Higuchi ein zweiteiliger Live-Action-Film gedreht. Diese Filme als sie Premiere feierten erlebten etwas für Higuchi und Toho sehr sehr seltenes. Einen internationalen Sturm der Entrüstung von Fans.

Doch jetzt gehe ich nochmal weiter zurück. In die Vergangenheit.

1966 drehte Ishiro Honda FRANKENSTEINS MONSTER - SANDA VS. GAIRA (dt. Titel: Frankenstein - Zweikampf der Giganten); einer losen Fortsetzung von FRANKENSTEIN GEGEN DAS UNTERIRDISCHE MONSTER BARAGON (1965) (dt. Titel: Frankenstein - Der Schrecken mit dem Affengesicht). Der Film von 1965 kombinierte zum ersten Mal die Frankenstein-Geschichte; ebenfalls in loser Form; und die des Genre der Kaiju.

Der Film von 1966 stellt einen weiteren Film innerhalb des Godzilla-Kosmos da, ohne das der König der Kaiju selber darin auftaucht. Insbesondere wurde dieser Film international sehr beliebt unter den Fans des Kaiju Eiga.

Haruo Nakajima, der von 1954 bis 1972 Godzilla schauspielerte, war hier in der Rolle des bösen Klons Gaira zu sehen, während Yu Sekida seinen Gegenpart den gutmütigen Sanda mimte. Neben Godzilla, war dies nach Nakajimas persönlicher Aussage seine liebste Rolle neben Godzilla.

Im Vergleich zu früheren Kaiju Filmen konnte sich Nakajima hier freier und schneller bewegen, denn Sanda wie Gaira waren die ersten Kaiju, die modernen Menschen am ähnlichsten waren. Nein, es sind keine Gorillas, auch wenn das in der mexikanischen Fassung auf dem Poster so angepriesen wird.

Nun denn der Film wurde von Ishiro Honda nicht so hoch gelobt wie GODZILLA (1954), für den er ja auch die Regie machte, doch er war froh zu hören, dass der Film populär ist. Neben den „normalen“ Fans gibt es auch professionelle Filmemachter, die diesem Film viel abgewinnen konnten und können:

Guillermo del Toro wird von Mal Vincent zitiert, dass er als 8jähriger Junge den Bus nach Hause nahm um diesen Film zu sehen. Einfach toll!

Brad Pitt. Auch wenn Pitt nicht zu den Schauspielern zählt, dessen Werke ich mir ansehe, so finde ich doch folgendes klasse: dieser Film motivierte ihn Schauspieler zu werden.

Quentin Tarantino. Für das Raufen zwischen der Braut Beatrix Kiddo und Elle Driver in KILL BILL sagte Tarantino, dass das Duell zwischen Sanda und Gaira dafür Pate stand. Das ist auch exzellent.

Tim Burton. Laut eigener Aussage im Jahre 2011 ist er von diesem Film besessen. Auch nicht schlecht. Der Rest seiner Aussage lasse ich aus, denn dies würde im Moment in andere Gefilde führen, die nur wenig bis gar nicht mit ATTACK ON TITAN zu haben.

So und was hat das mit ATTACK ON TITAN zu tun?

Erstens. In Tohos Film von 1966 werden zum allerersten Mal in einem japanischen Film Menschen von einem Kaiju gefressen. In diesem Fall von Gaira.

1967 drehte Tohos Konkurrenzstudio Daiei seinen 3. Film mit Gamera. Gameras Gegner in diesem Film ist Gyaos, eine Form von vampirischer Fledermaus und Pterodactylus. Gyaos fraß auch hier Menschen. Ferner war dieser Film bis 1995 der letzte ernste Film mit Gamera aus der Showa-Film-Serie. Ja, Gaira wie Gyaos waren und sind die einzigen Kaiju deren Opfer wahrlich von denen verschlungen werden. Ferner Gyaos sollte Gameras Nemesis werden, so wie King Ghidorah für Godzilla.

1995 nach einigen Jahren der Planung und Entscheidung, entschied sich Daiei Gamera nach dessen letztem Auftritt 1980 wieder zurück ins Kino zu bringen.

Für die Regie der Spezialeffekte wurde ein 30jähriger Mann ausgewählt, der 1984 am Film GODZILLA (1984) unter Regie von Koji Hashimoto entstand. Sein Name: Shinji Higuchi!

Higuchi arbeitete als direkter Assistent für Teruyoshi Nakano und Kenpachiro Satsuma. Satsuma spielte Godzilla von 1984 bis 1995. Zwar erhielt er keine offizielle Namenserwähnung, doch Nakano und Satsuma waren von ihm und seinem Talent überzeugt.

1985 sorgte Higuchi mit seinem Fan-Film YAMATA-NO-OROCHIS GEGENANGRIFF für Aufsehen innerhalb der Otaku-Gemeinde. Nun jedoch zurück zu Gamera. Als der Film Mitte 1995 GAMERA - RIESENMONSTER LUFTENTSCHEIDUNGSSCHLACHT (dt. Titel: Gamera - Guardian of the Universe) in die japanischen Kinos kam, waren die Otaku wie Kritiker begeistert. Gamera hatte den Sprung zurückgeschafft. Doch nicht nur das. Gamera im Vergleich zu Godzilla war was Kaiju-Kämpfe anging immer schon ein wenig härter dargestellt, doch die Geschichten um die Riesenschildkröte und die Involvierung von vielen Kinder-Schauspielern sorgte dafür, dass außerhalb Japans das Genre des Kaiju Eiga schnell und vollkommen unvernünftig als reiner Kleinkinderspaß deklariert wurde.

Selbst die US-amerikanische Kritiker-Legende Roger Ebert bewertete diesen Film positiv. Und so kam es, dass auch in Japan, ein Mann namens Hajime Isayama diesen Film ebenfalls sah und als er sein Epos ATTACK ON TITAN entwarf, besann er sich zurück auf das was er einst sah; nämlich GAMERA - RIESENMONSTER LUFTENTSCHEIDUNGSSCHLACHT von 1995. Ja, denn auch Film von 1995 fraß Gyaos nun Menschen. Ferner Gameras Film von 1967 trägt denselben Titel wie 1995.

Nun aber zurück zu den entrüsteten Fans.

Meine Co-Otaku und ich
Was mich am meisten erstaunte und es noch immer tut ist vor allem eine Tatsache. Ich bin ich, doch viele meiner Co-Otaku zeichnen sich durch eine Form von Ignoranz aus. Und das will ich nicht so hinnehmen und ich kann es auch nicht verstehen.

Konzept: Adaptation
Als angekündigt wurde, dass Shinji Higuchi das Projekt einer Live-Action-Adaptation übernahm, gab es so gut wie keine Reaktionen. Higuchi musste sich folgenden Schwierigkeiten stellen:

* Der Manga war und ist noch nicht beendet

* Ein Anime bildet zwar die beste Möglichkeit einen Manga zu adaptieren, denn hier wird das gleiche Medium benutzt, nur dass hier um bewegte; farbige Bilder handelt.

* Eine Live-Action-Adaptation hat und muss gegenüber einer Handlung die noch nicht abgeschlossen ist, Kompromisse machen. Sprich es muss sich sogar in Fällen zwangsläufig vom Quellenmaterial wegbewegen um funktionieren zu können.

* Eine 1:1 Umsetzung ist trotz moderner Technik in manchen Fällen einfach nicht so möglich. Und bedingt durch den Faktor das Japan nun mal nicht Hollywood ist. Sicher Kouji Tajima, der hier Designs machte, arbeitete an Hollywood-Filmen wie DIE TRIBUTE VON PANEM, aber das ändert nichts an der allgemeinen Lage.

Konzept: Anime und Live-Action
Ferner dieses. Ich erlebe dieses Phänomen schon so lange, wie ich selber Fan bin. Ich bin, wie ihr wisst in allererster Instanz von Fan des Kaiju Eiga, sprich also von Live-Action-Filmen mit Suits und Modellen.

Doch aber ich schaue auch Anime und lese Manga. Ja, bedingt durch Godzilla & Co. lernte ich Japan und viele seiner Facetten dank seiner Unterhaltungsindustrie kennen. Für mich sind Live-Action-Filme und Anime in Bezug auf das Medium Film = bewegte Bilder absolut gleichberechtigt. Doch viele Anime-Fans und viele Live-Action-Fans weigert sich einfach das gegenüber eine Chance zu geben, beziehungsweise anzunähern.

Ich muss zugeben, in Japan werden viele, viele Manga in Anime als auch Live-Action adaptiert, doch woran scheitern so viele Live-Action-Adaptationen? Zunächst einmal nicht alle scheitern. Das ist ein Problem in unserer westlichen Wahrnehmung. Nicht jeder Manga, Anime oder Live-Action wird hier im Westen veröffentlicht. Die Anzahl von japanischen Titeln, sei Manga, Anime, Live-Action oder Roman ist im Vergleich zu westlichen Titeln absolut gering. Innerhalb der hier erscheinenden Titel selber gibt noch unterschiedliche Gefälle und davon bilden die Titel dem großen umfassenden Komplex der Fantastik - Action; Horror; Science Fiction - die kleinste aller Gruppen. Eine Nische in einer Nische.

Ferner wen zum Beispiel würde es hier interessieren einen Manga über japanische Büroangestellten bei Toshiba zu lesen? Wohl niemanden, liege ich da richtig? Dann noch was. Gerade weil es eben Produktionen in denen es Action gibt, die die physikalischen Gesetzte im Sinne der Unterhaltung bricht, kann es niemals eine 1:1 Umsetzung im Bereich der Live-Action geben. Es ist einfach unmöglich! Wir können nur die Gesetze biegen und ein wenig formen, aber nicht brechen! Das ist die Natur unseres Universums.

Shinji Higuchi: er, seine Arbeiten + Einfluss und Relationen
Ein weiterer Punkt ist der. Fortführung von dem was ich gerade sagte. Ich habe den Eindruck durch die enorme Anzahl von negativen Kritiken gewonnen, dass niemand beinahe niemand sich über Higuchi selber und seine Arbeiten und deren unterschiedlichen subkulturen Beziehungen im Vorfeld informierte.

Niemand wollte anscheinend wissen wer er ist und was ihn antreibt Filme so machen.
Und das Mangaka Isayama von Higuchis Arbeit maßgeblich beeinflusst wurde, all das wurde komplett ignoriert. Für mich stellt und stellte diese Ignoranz eine absolute Beleidigung sowohl gegen den Mangaka und vor allem gegen Higuchi da. Sicher konstruktive Kritik ist erlaubt und erwünscht, aber kaum jemand hat dies getan.

Hier wurde einfach keinerlei Form von Recherche betrieben. Doch was zeichnet denn Otaku = Fans aus? Gerade Fans haben die Verantwortung besser zu argumentieren und zu beweisen, dass gerade professionelle Kritiker die negativ urteilen rein subjektiv handeln. Ich schreibe niemanden meinen Geschmack und Einstellungen vor, aber es hätte hier diesen Menschen wahrlich geholfen zu verstehen was da für eine Live-Action-Adaptation kommen soll. Ja, diese Adaption ähnelt mehr einem Kaiju-Film, aber ATTACK ON TITAN ist doch nichts anderes als eine Variante des Kaiju-Films!

Doch sag mal GEIST, bist du nicht dadurch beeinflusst, dass du Higuchi kennst? Diese Frage stellte ich mir natürlich selber. Und meine persönliche Antwort ist: ja, ich bin beeinflusst, doch gerade weil Higuchi nicht nur Storyboards zeichnete oder die Regie für Spezialeffekte machte, wusste ich dass er einen sehr guten Film machen würde.

Wer die anderen Produktionen kennt, wo Higuchi die Regie für den gesamten Film übernahm, der oder die weiß warum er wahrlich es schafft auch in anderer Funktion zu einfach ohne Zweifel zu überzeugen. Ja, Shinji Higuchi ist der einzig wahre Erbe von Eiji Tsuburaya und da er inzwischen selber Meister ist, hat sein Schüler: Katsuro Onoue hier für die Spezialeffekte für ATTACK ON TITAN wahrlich alles getan und geleistet. Er hat es geschafft nicht nur Higuchi stolz zu machen, sondern auch mich.

ATTACK ON TITAN ist eine Geschichte wo menschenähnliche-Riesen Menschen fressen und wir Menschen uns gegen sie verteidigen. Und dafür haben wir Mauern um unsere Zivilisation errichtet. Isayamas Epos ist eine Analogie zur klassischen biblischen Geschichte von David gegen Goliath. Klein gegen Groß, eine Thematik, die Japan schon immer sehr beliebt war.

Aber es ist auch zweigeteilte Parabel auf die japanische Psyche. Um die Harmonie nach außen zu wahren, ist es wichtig Mauern um seine innere Psyche zu bauen. Doch nun waren es die Fans, die zu menschenfressenden Riesen wurden und ich Higuchi und sein Team vor deren ungerechtfertigtem Hunger nach Vergeltung beschützen muss. Und Japans politische Abschottungen von der Welt. Welch eine Ironie das ganze.

Produktion und Spezialeffekte
Wie schon gesagt, Higuchi ist ein Meister und das beste im Film ist das. Neben Suits gibt es hier auch viele Miniaturen und selbst ich konnte diese nicht als solche im fertigen Film erkennen, erst Behind-the-Scenes-Material hat mir das gezeigt und darauf können und sollen Higuchi und sein Team wieder mal Stolz sein.

Die Story
Viele Fans haben natürlich, wie schon gesagt, sich nicht damit beschäftigt was da auf sie zukam. Sie nahmen den Manga beziehungsweise das Anime als ihre Referenz. Sicher das zwar auch nicht verkehrt, aber die oben genannten Punkte wurden wie gesagt bewusst und willentlich ignoriert.

Die Live-Action-Adaptation ist wie gesagt nicht 1:1 mit dem Quellenmaterial identisch, doch das ist überhaupt nicht problematisch. Im Gegenteil. Sie wirkt auf ihre eigene Weise sehr stimmig und weiß auf jeder Ebene zu unterhalten. Wer meint, dass Higuchi und die beiden Drehbuchautoren Yusuke Watanabe und Tomohiro Machiyama es sich leicht machten, einfach das Setting nach Japan und in eine alternative Welt zu setzen, der irrt. Die Schaffung dieser alternativen Welt wurde durchdacht, so dass sie auch Sinn ergibt. Ich bekam wahrliche Gänsehaut. Der Film selber bietet absolut geniale Szenen zuhauf an. Seien diese ruhig oder mit Action verpackt.

Der Anfang. Nach dem Intro werden wir in eine friedliche Welt eingeführt, die ihre Vergangenheit ausschließt. Die Menschen fühlen sich sicher und sind glücklich, doch der erneute Angriff der Titanen sorgt dafür das nicht die reale Mauer fällt, sondern auch die innerhalb der menschlichen Psyche. Die Hilflosigkeit von riesigen Menschen-ähnlichen Monstern bei lebendigem Leibe zerrissen und dann gefressen, diese Form von Angst wird durch perfekt ausgelebt. Ja, die Titanen sind ja hier keine Kaiju mit animalischem Aussehen, sprich nicht wie Godzilla; ein mutierter Dinosaurier oder Kong; ein Riesengorilla sondern sie sind vom modernen menschlichen Wesen. Sicher Kong als Mitglied der Familie der Primaten, doch ihr wisst was ich wissenschaftlich meine. Und was die Sache noch schlimmer macht. Die Titanen sind dabei wie geistig und körperlich Behinderte, die nur ihre Nahrung wollen = und das sind wir. Auch hier wird eine japanische Form der Angst, sprich Behinderte (geistig und oder behindert) perfekt in Szene gesetzt. Jeder der nicht „normal“ ist und diese Titanen sind es absolut nicht.

Weitere Punkte. Obwohl die Titanen geschlechtslos sind, so zeigt der Film doch auch Baby-Titanen und Männer wie Frauen sind zwar von Gesichtszügen erkennbar, doch sie bilden dennoch eine Form von homogener Masse. Eine Form von perverser Uniformität. Aber worin der Film wahrlich richtig punktet ist dieser. Die Titanen sind größer als der normale Mensch, doch ihr stetiges Grinsen erweckte bei mir den Eindruck, dass diese Titanen auch klassisch-japanische folkloristische Züge besitzen! Ja, hier haben wir sozusagen riesige Yokai zu sehen, Yokai eine Sammelbezeichnung für die traditionellen japanischen Dämonen. Doch im Vergleich hier sind die Titanen eher westlich geprägt, sprich hier bilden diese die Gegenexistenz zum Menschen und diese muss vernichtet werden, damit wir überleben können. Statt gemeinsam zu existieren, darf es keine zweite menschliche Rasse in der Welt geben, ziemlich westlich geprägtes Gedankengut, wenn ihr mich fragt. Und gerade weil Japan eine Mischung aus Tradition und Moderne als seine Kultur lebt, ist dies ist nur folgerichtig.

Die Charaktere
Sicher hier können Manga wie Anime natürlich mehr punkten, weil eben Live-Action-Filme aufgrund der begrenzten Spielzeit auch hier Kompromisse eingehen müssen. Dies ist auch der ausschlaggebende Grund für meine spätere Bewertung.

Jedoch hatte ich jetzt nicht den Eindruck, diese Adaptation beschränke sich ausschließlich auf die Action. Es gibt genügend Szenen, wo die normalen Schauspieler zeigen können, dass die Charaktere die sie spielen, mehr sind. Diese Form der Zurückhaltung ist auch japanisch, also hier gibt es nichts wahrlich negativ zu kritisieren.

Nehmen wir doch nur die Szene des massenhaften Angriff der Titanen am Anfang. Als Eren durch die Trümmer seiner Heimat Monzen stolpert, dass lässt mich unweigerlich wieder an Fukushima denken oder die Szene wo Eren und Mikasa von Shikishima im Dunkeln überraschst werden und sie quasi Erens Herz bricht, während sie in einer Ruine sind und Staub wie Schnee fällt + der Wind Vorhänge vor sich bewegt - ist das etwa nicht gut genug? Wer das negiert, hat einfach kein Herz! Hier wurde wahrlich ein Herz geopfert, aber nicht so wie die militärische Philosophie es forderte.

Sicher das hier ein Titan mit bloßen Händen weggeschleudert wurde, mag vielleicht klischeehaft erscheinen, doch in Wahrheit ist es mehr als das. Hier wurde die Philosophie des Bushido wahrhaftig gezeigt. Es ist für uns Westler lächerlich, doch für einen Japaner ist dies eine künstlerische Form des Absoluten Willens. Hier wird eine Form von Idealismus gezeigt. Vor nichts und niemanden zurückzuweichen, sondern entschlossen zu sein. Und diese Form von Willensstärke besitzen wir im Westen philosophisch gesehen nicht.

Wir sehen Gott als das Höchste aller Wesen an. Ein Wesen das zu übertrumpfen lächerlich ist und mit dem Tode oder mit Wahnsinn bestraft wird. Im japanischen Denken ist das Übertrumpfen eines Gottes oder Buddha nichts verwerfliches, es zeigt die Entschlossenheit ein Wesen, das unser Geist erschuf zu besiegen, sprich unsere Ängste und Nöte, aber auch Hoffnung, quasi sich allem menschlichem zu entledigen um eine neue Form des Menschseins zu erreichen. Und dieser fundamentale Denk-Unterschied existiert nun mal. Ob jemand das akzeptieren will oder nicht nicht, es ist Fakt.

Schlussworte
Diese Kritik bezieht sich ausschließlich auf den 1. Teil. Nein, ich habe den 2. Teil noch nicht gesehen und kann die deutsche VÖ kaum erwarten. Ich will unbedingt wissen, wie es weiter geht.

ATTACK ON TITAN von Shinji Higuchi ist ein Film, der wahrlich zu unterhalten weiß und jeder der meint, dieser Film hätte nie gedreht werden sollen, diese Personen kann ich einfach verstehen. Es erweckt den Eindruck nur eine große Klappe zu haben, aber darüber nachzudenken, scheint wohl ein wenig schwierig. Und Schwierigkeiten geht man wohl aus dem Weg? Schade, denn nur wenn uns selber kennen, können wir unseren Feind besiegen.

Ich sage ja nicht, dass es nur gute Live-Action-Adaptationen gibt, aber dieser Film ist wenn jemand mit offenen Herzen, Gedanken, Wissen und Verstand einsetzt, dann weiß er oder sie: dieser Film ist gut und seine Fortsetzung wird bestimmt genauso gut, denn beide würden ja an einem Stück gemacht. Higuchi sagte das dieses Projekt für ihn der Film ist der einem Remake von FRANKENSTEINS MONSTER - SANDA VS. GAIRA (1966) am nächsten käme, denn ein Remake unter seiner Regie, so Higuchi, würde bestimmt nicht genehmigt werden. Und alleine deswegen kann ich schon dieser Adaptation sehr viel abgewinnen, denn Toho ist nun mal Toho.

Ohne ATTACK ON TITAN + ATTACK ON TITAN - END OF THE WORLD (2015) wäre SHIN GODZILLA (2016) nicht geboren worden und wäre dies passiert, glaubt mir, dann wäre die Welt um ein vielfaches ärmer gewesen.

Bonus-Feature: potenzielles Hollywood-Remake
Also da ja Hollywood schon gerne die Ideen anderer für sich verwendet hat, anstelle selber kreativ zu werden, scheint wohl ein US-Remake unumgänglich. So wie Hollywood momentan arbeitet, wird es wohl dazu kommen.

Ein solches Remake finde ich kann nur ein weiteres Monster von einem Film werden. Warum? Widerspreche ich mich hier nicht gerade selbst? Ist die ganze Kritik die ich gerade äußerte, etwa sinnlos gewesen?

Nein, die Antwort darauf ist: Nein!

ATTACK ON TITAN hat zwar als Prämisse das Thema David-gegen-Goliath und diese Geschichte ist lässt sich prima adaptieren, da gibt es keine Probleme. Doch wo liegen dann die Probleme? Die Sache ist die: die Titanen fressen Menschen. Für einen Film, der möglichst erfolgreich sein will, muss er die breite Masse ansprechen und das heißt im Umkehrschluss: das Fressen wird wohl nicht gezeigt, sondern nur impliziert werden.

Doch genau diese Aktion würde ATTACK ON TITAN seiner Stimme, seiner Position berauben. Hier muss klar sein, dass es um mehr als nur Action und oder Horror geht. Es ist kein Stoff für die breite Masse! In Tohos Adaptation gibt es die Szene wo Armin von einem Titanen beinahe verspeist wird, bevor er dann Eren gerettet wird. Das ganze erinnert nicht von ungefähr an die Live-Action-Tentakel-Geschlechts-Verkehr-Hardcore-Adult-Produktionen.

Ja nicht nur Anime zeigten und zeigen das. Als dann aber noch bereits amputierte Eren im Magen eines Titanen landet und kurz vorher noch seinen Arm verliert, so-etwas wird niemals in einem Film made in Hollywood gezeigt werden. Nicht das sie es könnten, es würde jeder westlichen Geschmackskonvention und Ethik widersprechen. Hier hat Japan einfach eine andere Gesinnung. Keine Kompromisse, knallhart und das ist auch gut so.

Nur wenn sich Künstler so ausstoben, wie sie dürfen, sind sie wahrliche Künstler. Auch in Japan gibt es Tabus, nur mal so erwähnt!

Ferner wenn es wahrlich so kommen sollte, dass David Heymann, der die Verfilmungen von HARRY POTTER und dessen Spin-Offs machte, doch eine Verfilmung dieses japanischen Stoffes, dann in diesem Moment wo dieses Projekt angekündigt offiziell wird, dann sollte jeder Fan auf die Barrikaden gehen und nicht bei jemanden wie Shinji Higuchi! Sicher Hollywood mag mehr finanzielle Möglichkeiten haben, aber wie schon gesagt: Geld ist kein Indikator für Qualität und ich fürchte mich mehr vor Schauspielern in einem Suit, die einen Titanen spielen als irgendeine Kreatur die nur aus Bits und Bytes besteht.

Ich benötige keinen Daniel Radcliffe als Eren, Emma Watson als Mikasa; Rupert Grint als Armin und Ralph Fiennes als kolossalen Titan. Was ich benötige; respektive will ist Akzeptanz für Shinji Higuchis filmischen Zweiteiler und den Komplex der da hinter steht!

Wie hieß nochmal ein bekannter Werbespruch von Toyota?
„Nichts ist unmöglich!“

Attack on Titan Bewertung
Bewertung des Films
910

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