Bewertung: 4 / 5
Eines vorneweg: Ich bin mir sehr wohl dessen bewußt, dass Blade Runner einer der einflußreichsten Sci-Fi-Filme aller Zeiten ist, der auch heute noch gerne überall weltweit zitiert, kopiert, gehuldigt wird, und den viele Zuschauer vergöttern wie einen heiligen Gral. Nicht umsonst hat man 35 Jahre nach Erscheinen und vermeintlichem Floppen einen sehr aufwändigen Fortsetzungsfilm auf uns losgelassen. Und als Filmfan jeglicher Klassiker habe ich es mehrmals versucht, den Film zu genießen. Aber ich muß sagen, dass es niemals in den 30 Jahren, die ich versuche, den Film für mich zugänglich zu machen, Klick gemacht hat. Und hier werde ich illustrieren, warum dem so ist. Wer danach immer noch behauptet, dass derjenige, der den Film nicht gut findet, entweder dumm oder ignorant ist (und davon gibt es so einige Fritzen heutzutage), der wird wohl für sich gesehen recht haben, ist ja schließlich alles subjektiv!
Erstmal zur Story:
Mittlerweile gibt es Androiden - sogenannte Replikanten - die den Menschen stark ähneln, ihnen lediglich körperlich überlegen sind und die sozusagen als moderne Sklaven ausgebeutet werden. Wenn sich welche von ihnen verflüchtigen, werden sie zum Abschuss freigegeben. Solche Auftragsmörder werden Blade Runner genannt. Nun bekommt ein solcher Blade Runner den Auftrag, 6 solcher geflüchteter Replikanten der besonders gefährlichen Sorte in Rente zu schicken.
Nun zur Handlung:
Die Story verläuft relativ geradlinig ganz im Stile eines Neo-Noir: Der Mann ist eine gebrochene Präsenz, der eigentlich keinen Bock auf den Job mehr hat, aber mit einem (MCGuffin-)Druckmittel dazu gebracht wird, doch seine Tätigkeit wieder aufzunehmen. Immer wieder wird er von einem mysteriösen Handlanger der Mächtigen begleitet, bei dem man nie genau weiß, ob er Freund oder doch Feind ist. Und natürlich darf eine Femme Fatale, die nicht das ist, was sie vorgibt zu sein, auch nicht fehlen. Auf der anderen Seite haben wir die nur auf den ersten Blick irrsinniges Zeug rezitierenden vermeintlichen Bösewichter, sowie einen all umfassenden übermächtigen Machthaber, der in einer riesigen Residenz alle Fäden in der Hand zu haben scheint. Und natürlich gelingt es unserem "Helden", einen der Bösewichter nach dem anderen zu erledigen bis zum finalen Showdown mit dem Hauptbösewicht. Und das sogar mit einer John Woo Gedächtnis-Taube für Superarme. Soweit so gut. Aber was Scott aus diesem eigentlich sehr geradlinigen Plot - nennen wir es mal - "zaubert", ist etwas, was es so niemals hätte geben dürfen. Wen er dafür in der horizontalen wohl beglückt haben dürfte, um solch einen Film zu drehen, möchte ich mir ehrlich gesagt nicht mal im Ansatz vorstellen - Kopfkino, buäh, aber egal, bei Blade Runner ist vieles Kopfkino.
Durchführung:
Von vorne bis hinten wird einem ein mulmiges, unruhiges Gefühl vermittelt, das niemals auch nur eine Sekunde nachlässt. Dieses beunruhigende ständige Gefühl, der Ohnmacht fast ausgeliefert zu sein, immer im Hintergrund eine Kakkafonie von Geräuschen, niemals Ruhe, ein Wirrwarr von visuellen, akkustischen und auch fast schon greifbar riechbaren Eindrücken gibt dem Film einen unfassbaren Sog, dass man dafür wirklich den Hut ziehen muss. Und ein rieisges Kompliment gebührt hier eindeutig Vangelis, der einen solch genialen Soundtrack erschafft, dass er sich regelrecht selbst in den Szenen darin suhlt, wo es überhaupt nicht passt und jegliche Stimmung zerstört (als Beispiel nenne ich mal die Klavierspielszene, wo angeblich superschön Klavier gespielt wird, aber man nur den orchestralen Quatsch von Vangelis vernimmt). Naja gut, sagen wir mal, das ist bewußt als Stilmittel so gewollt. Arbeiten wir uns also weiter am Film ab.
Das ganze bedeutungsschwangere Gesülze, was von allen so über den Klee gelobt wird: Jeder 11.-Klässler mit Sci-Fi-Affinität hat meines Erachtens schon mal solche Ideen gehabt und deutlich reifer zu Papier gebracht. Immer wieder spricht Scott einige Ideen an, nur um sie einfach nicht weiter zu spinnen. Auf der einen Seite ist das ganz reizvoll, aber auf der anderen Seite ist er dann auch nicht konsequent genug, seine Ideen komplett in den luftleeren Interpretations-Raum zu lassen. Nein, er muß Rutger Hauers Replikanten zu einen verlorenen Sohn, gefallenen Engel, tragischen Helden stilisieren, mitsamt der fliegenden Taube Symbolik.
Und um der ganzen sache die Krone aufzusetzen, setzt Scott mehr schlecht als Recht auch noch ein offenes Ende mit Interpretationsspielraum auf, der bei näherer Betrachtung auch nicht wirklich Sinn ergibt, sorry da hilft auch der unbedarft eingestreute Einhorn-Traum nichts.
Alles in allem ist Blade Runner ein grundsolider Neo-Noir mit philosophischen Einlagen, der ehrlich gesagt schlecht geschnitten ist (egal welche Fassung ich gesehen habe, ich habe gehört Final Cut soll da besser sein, aber die Taubenszene dort gefällt mir laut Informationen dazu weniger), der aber bei weitem nicht so stark ist, wie alle ihn machen. Ich würde ihn deutlich schlechter einwerten als beispielsweise Solaris, Stalker, 2001, ja sogar Southland Tales halte ich für gelungener.
Dennoch seine Athmosphäre ist packend, visuell ästhetisch ist er eine Hausnummer und nicht umsonst Inspiration für unzählige Werke, aber so sehr wie sich Scott auf die Intelligenz des Werkes einen runter holt, so infantil ist der Film irgendwie auch. Das fängt alleine schon damit an, dass der Held des Films eigentlich ein Mörder (Sklavenjäger) ist, dies wird nicht so ausreichend behandelt wie es könnte.
Ich könnte ewig weitermachen, aber das hebe ich mir für den Vergleich mit der Fortsetzung auf.
8 Punkte, also 4 Hüte hat er allemal, aber er ist bei weitem inhaltlich nicht das, für was er vielerorts gehalten wird.