Bewertung: 3.5 / 5
Macht euch bereit zur Steinigung, hier kommt jemand, der bisher noch keinen einzigen Rocky-Film gesehen hat! Und dann fängt der auch noch mit "Creed", dem siebten Teil der Reihe, an! Merkwürdig, nicht wahr? Der Grund ist ein einfacher: Heute lief "Creed" im Bochumer Unikino, wurde dort als "ohne Vorkenntnisse anschaubar" beworben und spontan bekam ich Lust, mir den Film anzusehen. Auf Nachfrage versicherte mir der Moviejones-Ältestenrat daraufhin, dass die Aussage mit den Vorkenntnissen seine Richtigkeit habe, man als Laie aber selbstverständlich nicht das vollkommene Rocky-Feeling verspüren werde. Nun, diese Pille musste ich wohl oder übel schlucken, denn mit einem Film der Reihe muss ich ja anfangen und warum die Gelegenheit nicht beim Schopf packen? Zumal ich auf einen ähnlichen Effekt hoffte, wie ihn Prometheus 2012 erzielte und mir die Alien-Reihe schmackhaft machte.
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Trailer zu Creed - Rocky’s Legacy
Insgesamt wurde ich positiv überrascht, auch wenn mir längst nicht alles gefallen hat, was Ryan Coogler hier präsentiert! Hervorzuheben ist auf jeden Fall der Generationenkonflikt, der im Verlauf der Handlung immer mehr an Bedeutung erlangt. Beginnt es noch harmlos und humoristisch mit Rocky, der seinen Trainingsplan mit Stift und Papier erläutert und sich dann über die Technik von Adonis Smartphone wundert, nimmt der Konflikt zunehmend dramatischere Züge an. Rocky ist vom Alter gezeichnet und blickt zurück auf sein Leben voller Höhen und Tiefen, während Adonis voll im Saft steht und sein Leben noch vor sich hat. Großartig die Szene, in der von Adonis und Bianaca auf Rocky geschnitten wird, wie er am Grab seiner Frau Adrian und seines Freundes Paulie sitzt und ihrer auf seine Weise gedenkt. Der Geschichte kommt es dabei zu Gute, dass Coogler sie nicht wie eine Staffelübergabe oder wie ein einseitiges Trainer-Schüler-Ding erzählt, sondern das Gegenseitige Miteinander in den Vordergrund stellt. Dies hier ist keine Geschichte, in der ein alter Mann am Lagerfeuer sitzt und seine Lebensgeschichte erzählt, und es ist keine Geschichte, in der ein alter Mann stirbt und ein junger Mann lebt. Kein fairer Tausch, sondern eben ein Miteinander. Adonis braucht Rocky, um ihm die Tür hinaus aus dem Schatten seines Vaters zu zeigen, und Rocky braucht Adonis, um seinen Lebenswillen neu zu entfachen und die Chemotherapie anzutreten - letztendlich dient das Boxen für beide nur als Aufhänger. Ich sehe da einen Bezug zur Realität. Eine Gesellschaft kann nicht funktionieren (oder zumindest nicht gut), wenn die alte Generation ihre Erfahrungen nicht an die junge Generation weitergibt, und die junge sich nicht um die alte kümmert, wenn diese pflegebedürftig wird. Insbesondere Letzteres ist heutzutage leider nicht mehr so selbstverständlich. An das Miteinander sind des Weiteren wie zu erwarten die einzelnen für Rocky typischen "Stehe wieder auf und kämpfe"- und "Besiege den inneren Schweinehund"-Intentionen gekoppelt. Ob oscarwürdig sei jetzt mal dahingestellt, allerdings können sowohl Michael B. Jordan als auch Sylvester Stallone diesen Generationenkonflikt überzeugend darstellen. Vor allem Jordans Leistung wächst mit seinen Aufgaben.
Trotz dieser Stärken leidet der Film für mich unter zwei großen Schwächen. Vermag es Coogler zwar, den Konflikt zwischen Rocky und Adonis hervorragend auszuarbeiten, sieht es im Bezug auf den Rest des Drehbuchs doch eher mau aus. Einerseits könnte die Liebesgeschichte zwischen Adonis und Bianca nicht klischeehafter ablaufen, diese dient nur als Storyelement ohne Tiefe. Andererseits verläuft die Underdoggeschichte bzw. Adonis Boxerkarriere größtenteils klassisch und bleibt bis zum Ende vorhersehbar. Immerhin wurden die Kämpfe ordentlich choreographiert und erfreulicherweise kam der Ausgang des finalen Kampfes für mich dann doch noch überraschend! Ich hätte erwartet, Coogler würde sich für die einfache, langweilige Lösung entscheiden und Adonis gegen Konlan gewinnen lassen. Stattdessen verliert Adonis, gewinnt dafür aber den Respekt seines Gegeners und der Zuschauer. Aber wie gesagt, leider die einzige Überraschung in dieser Hinsicht, daher ergaben sich für mich ein paar Längen im Verlauf der Handlung. Darüberhinaus driftet Coogler mit seinem Inszenierungsstil zu oft ins rein Pathetische ab, was ich als komplett abstoßend empfand. Mir kam es dann so vor, als ob ich auf einmal in irgendeinen Kriegsfilm geraten bin. Zudem hat Coogler die Neigung, alle Schwarzen so "Badass" und "Gangster" wie möglich darzustellen. In solchen Szenen habe ich fast schon erwartet, dass gleich Samuel L. Jackson um die Ecke kommt, Adonis zum nächsten Triple X ernennt und mit ihm gegen das Weiße Haus zieht, um den US-Präsidenten zu befreien. Negatives Highlight des Films war für mich die Szene, in der Adonis die Bikerbande abholt, diese ihm mit Wheelies folgen und er sich vor Rockys Fensters zum Affen macht. Und dann erst diese Musikeruntermalung. Boah, war das grauenhaft!
Aber wie gesagt, trotz der eindeutigen Schwächen hat mir "Creed" mit Michael B. Jordan und Sylvester Stallone als Leinwandduo, der Darstellung des Generationenkonflikts und seiner Intention gut gefallen. Von mir erhält "Creed" 3,5/5 Hüten. Nun fragen sich bestimmt Einige, wie es nun um die früheren Rocky-Filme bestelt ist. Die werde ich definitiv noch nachholen, überraschenderweise hat mir "Creed" jetzt aber zwei andere Filme besonders schmackhaft gemacht. Zum Einen Darren Aronofskys "The Wrestler" und zum Anderen "Mr. Holmes" mit Ian McKellan, der ja auch vom Leben eines alternden Helden handelt.