Bewertung: 4.5 / 5
Die irre Heldentour des Billy Lynn ist eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Regisseur Ang Lee und startete in Deutschland 2017 in die Kinos. Die nachfolgende Kritik ist spoilerfrei.
Trailer zu Die irre Heldentour des Billy Lynn
Handlung
Wir befinden uns im Jahr 2004 und die Vereinigten Staaten von Amerika sind im Militäreinsatz im Irak. Durch Fotoaufnahmen kam der aufopferungsvolle Einsatz des sogenannten Bravo Squads an die Öffentlichkeit. Aus diesem Grund befindet sich dieses Team auf eine Promotion Tour quer durch die Staaten. Während sie bislang regionale Veranstaltungen besucht haben, steht als nächstes ein nationaler Auftritt während eines Footballspiels an. Die jungen Soldaten des Bravo Squads müssen sich mit dem Medienrummel und der Feier im eigenen Land auseinandersetzen, während sie rückblickend immer wieder mit dem Erlebten im Krieg konfrontiert werden.
Kritik
Viele große Regisseure machen es sich früher oder spät zur Aufgabe, einen (Anti)-Kriegsfilm zu inszenieren. Angefangen von Stanley Kubrick, Francis Ford Coppola, Oliver Stone über Terrence Malick bis hin zu Steven Spielberg, Ridley Scott oder Quentin Tarantino. Während Christopher Nolan aktuell noch an Dunkirk arbeitet, hat Ang Lee bereits im Herbst des letzten Jahres seine Literaturverfilmung Die irre Heldentour des Billy Lynn veröffentlicht. In Deutschland kam dieser Film leider erst im Februar dieses Jahres heraus.
Ang Lee ist den meisten Leuten durch Filme wie Life of Pi oder Brokeback Mountain bekannt. Weitere bekannte Streifen des US-amerikanisch-taiwanischen Regisseurs sind etwa Hulk (2003) oder Tiger & Dragon. Für sein neuestes Werk verfilmte Lee die gleichnamige Literatur des Autors Ben Fountain.
Die irre Heldentour des Billy Lynn ist kein klassischer Kriegsfilm sondern schildert überwiegend das Geschehen, was die Soldaten erleben, nachdem sie wieder in ihre Heimat zurückgekehrt sind. Anders als in vielen Filmen dieser Art finden wir in Billy Lynn keine Soldaten, die nicht mehr in den Spiegel gucken können und ständig zittern, sondern es werden junge Männer präsentiert, welche in ihrem Land feierlich als Helden und Teil des amerikanischen Traumes präsentiert werden. Trotzdem springt der Film immer wieder in teilweise sehr intensive Rückblenden direkt in das Kriegsgeschehen in den Irak.
Bemerkenswert bei diesem Film ist, dass er in Deutschland eine FSK Einstufung ab 12 Jahre bekommen hat. Es ist definitiv kein knallharter Streifen wo man sich ständig wegdrehen muss, aber es gibt schon ein bis zwei Stellen wo man die Härte des Krieges durchaus zu spüren bekommt. Grund für diese eher sanfte Bewertung ist die selbstreflektierende Aufarbeitung dieser Geschehnisse.
Bei der Besetzung von Billy Lynn hat sich Ang Lee einiges einfallen lassen. Die Hauptrolle übernimmt der bislang unbekannte Joe Alwyn. Das neue Gesicht kommt erstaunlich erfrischend auf der Leinwand daher und weiß zu überzeugen. An seiner Seite steht mit Garrett Hedlund ein etwas bekannteres Gesicht, den vor allem durch Tron Legacy eine breite Masse kennen dürfte. Weiterhin ist Vin Diesel in diesem Film als Sergeant der Einheit vertreten. Diesel, den man überwiegend aus relativ stumpfsinnigen Actionstreifen kennt, erhält in Billy Lynn eine Bühne um auch mal auf charakterlicher Ebene zu überzeugen - auch wenn seine Szenen überschaubar sind. Die bekannte Darstellerregie runden Chris Tucker und Kristen Stewart ab, welche für ihre Rollen eine hervorragende Wahl darstellen und in diesen jeweils entsprechend aufgehen. Ein zusätzliches Cast-Highlight und jemand, den man gefühlt ewig nicht mehr im Kino gesehen hat ist Steve Martin. Leider wurde er jedoch nicht von seinem deutschen Stammsprecher Norbert Gescher synchronisiert, wobei man sich auch mit der neuen Stimme recht schnell arrangieren kann.
Ziemlich unbekannt aber nicht minder sehenswert ist Makenzie Leigh, welche nicht mit Mackenzie Foy aus Interstellar verwechselt werden sollte.
Zu den einzelnen Rollen sollte an dieser Stelle nichts weiter gesagt werden, weil schon die einzelnen Figuren wichtig für den Aufbau der Handlung sind und gerade dieser kontinuierliche Aufbau den Film sehr sehenswert macht.
Musikalisch ist der Film in gewisser Weise nur sehr dezent begleitet. Das ist insofern gut, weil somit keine bewusste Manipulation des Zuschauers vorgenommen wird und die Darsteller allein durch ihr Spiel und die Inszenierung überzeugen können.
Von einer anderen Seite betrachtet ist der Film aber wieder sehr musikalisch geprägt und von Ang Lee teilweise perfekt umgesetzt. Das Handlungsgeschehen beschränkt sich auf den Besuch eines Footballspiels und gerade die Präsentation der Halbzeitshow inkl. Rückblenden der Soldaten stellen vermutlich das absolute Highlight dieses Films dar. Musikalische Untermalung gibt es dabei von einer Musikgruppe, welche 2004 sehr erfolgreich war, an dieser Stelle aber nicht genannt werden soll.
Es ist die Verknüpfung aus inszenierter Show und Zelebration des amerikanischen Traumes mit den knallharten Rückblicken mitten ins Kriegsgebiet. Ang Lee greift dabei bekannte Thematiken wie das sehr konservative Texas und die Machenschaften der Mineralkonzerne verbunden mit diesem Krieg auf. Dabei behält Billy Lynn aber stetig den Fokus auf seine Hauptfigur mit den Wünschen und Hoffnungen nach einem normalen Leben mit einer glücklichen Beziehung.
Nach einem absoluten Höhepunkt im Mittelteil droht der Streifen für kurze Zeit ein wenig das Tempo zu verlieren, kann sich jedoch glücklicherweise zum Ende hin wieder fangen. Leider kann diese wirklich hervorragende Inszenierung im Mittelteil nicht erneut erreicht werden.
Ang Lee arbeitet in Die irre Heldentour des Billy Lynn mit zwei unterschiedlichen Farbgebung. Während des Footballspiels beherrschen knallige und sehr intensive Farben das Geschehen und man fühlt sich etwas an Life of Pi erinnert. Die vielen Szenen im Irak demonstrieren hingegen deutlich die trostlose wüstenähnliche Landschaft, in denen sich die Soldaten befinden.
Zum Drehen verwendete Ang Lee eine neue Kameratechnik welche mit 120 Bildern pro Sekunde arbeitet. Leider hatte das vorführende Kino in diesem Saal nicht die Möglichkeit, dieses Ergebnis entsprechend wiederzugehen, daher können zu dieser Thematik keine Angaben gemacht werden.
Fazit
Regisseur Ang Lee hat nicht nur einfach einen Kriegsfilm gemacht, er hat eine Literaturgrundlage gefunden, mit welcher er ein teilweise kritisches, teilweise auch nachvollziehbares Bild von Kriegshelden und ihrem Schicksal vermitteln konnte. Dabei konnte Lee sein Talent als Regisseur ziemlich ausschöpfen und teilweise wahre Highlights setzen. Leider kann er das ganz hohe Level nicht über die 113 Minuten Laufzeit halten. Trotzdem ist Die irre Heldentour des Billy Lynn ein sehr guter Film, welcher neue Facetten des Krieges aufzeigen kann, ohne sich dabei ständig in diesem befinden zu müssen. Die ursprünglich angekündigte Satire findet man hier aber nicht.