Bewertung: 4.5 / 5
Der Film beginnt ruhig mit dem Blick auf einen halb zugefrorenen See und schwenkt rüber zu Katniss (Jennifer Lawrence), welche gedankenverloren und alleine am Ufer hockt. Als Gale (Liam Hemsworth) sich von hinten nähert, dreht sie sich erschrocken um. Die Panik vor allem Unerwarteten ist nur ein Teil der Folgen ihrer Erlebnisse aus der Arena, die Erinnerungen verfolgen sie und die anstehende Siegertour verstärkt Katniss Gefühle. Die Siegertour, die Katniss zusammen mit Peeta (Josh Hutcherson) durch alle zwölf Distrikte Panems antreten muss. Regisseur Francis Lawrence verzichtet bewusst auf Rückblenden und dem unwissenden Zuschauer werden die Ereignisse des ersten Films geschickt zugespielt. Sei es durch das Hologramm, als Katniss nach Hause zurückkehrt und dort unerwartet Präsident Snow (Donald Sutherland) antrifft, sei es durch die Einspielungen in der TV-Show von Caesar Flickerman (Stanley Tucci), dem leuchtenden Moderator des Kapitols. Wirken vielleicht die ersten Dialoge noch nicht ganz rund, noch nicht ganz fließend, so ist doch das Gespräch zwischen Präsident Snow und Katniss ein erstes Highlight und bereitet den Boden für den Verlauf der Handlung. Buchkenner werden nicht nur in dieser Szene bekannte Textpassagen wortwörtlich aufgenommen finden, sondern auch in vielen weiteren Szenen. Neben den Szenen aus dem Buch stechen aber auch die hinzugefügten Szenen heraus. Gerade die Passagen um Präsident Snow, die dem Zuschauer schon im ersten Teil die Möglichkeit gaben, aus Katniss direkter Umgebung herauszutreten, zeigen auch hier das Spiel hinter den Kulissen. Dabei wird auch geschickt mit den Kenntnissen der Nichtleser gespielt und die Leser angenehm überrascht. Von Anfang an, gibt es immer wieder Szenen, die Snows Reaktionen auf die Siegertour und die anstehenden 75. Hungerspiele zeigen. Denn Katniss schafft es auch nach Snows Drohung, ihre Familie und Freunde töten zu lassen, nicht wie ein unschuldiges und verliebtes Mädchen zu wirken. Ihre letzte Entscheidung in der Arena, zusammen mit Peeta lieber giftige Beeren essen zu wollen, als sich gegenseitig zu töten, sehen die unter der Armut leidenden Menschen der Distrikte als Zeichen der Revolution gegen die Diktatur des Kapitols und des Präsidenten Snow. Gerade diese beginnende Revolution wird immer wieder aufgegriffen und ist Teil eines der emotionalsten Momente im Film, als Katniss in Distrikt 11 ihre Rede zur Erinnerung an Rue, ihrer Freundin, hält. Die Musik nimmt, wie auch einigen anderen Stellen, Themen aus dem ersten Teil auf und ist perfekt auf ruhige Momente als auch auf spannende perfekt ausgerichtet. Die Szene steigert sich von der unglaublichen Trauer der Familien der Tribute aus dem Distrikt bis zu einem Zeichen offener Rebellion, die von den Friedenswächtern des Kapitols gnadenlos bestraft wird. Lobenswert ist, besonders in der Szene, wie Lawrence es schafft, die Gewalt im Film auf einem PG-13 Niveau zu halten und gleichzeitig viel mehr subtil herüber zu bringen. So sieht der Zuschauer nicht jede Einzelheit, kann sich diese aber gut ausmalen. Die Wackelkamera wurde sparsamer bis gar nicht eingesetzt und fiel mir persönlich nur in einer Szene auf. Der erste Teil des Films rückt die Revolutionen in den Distrikten, aber auch die immer deutlich werdende Dreiecksbeziehung zwischen Katniss, Gale und Peeta in den Vordergrund. Dies war auch ein ausdrücklich Ziel von Regisseur Lawrence. Doch wer auf eine klischeebehaftete Darstellung hofft, wird leider enttäuscht. Im Gegenteil, die Liebesgeschichte wird nicht mit aller Kraft in den Vordergrund gerückt, sondern fügt sich sinnvoll ins Ganze ein. Katniss ist sich ihrer Gefühle nicht sicher, doch für sie steht nicht die Entscheidung zwischen ihren beiden Freunden, sondern die Angst um das Leben ihrer Freunde, ihrer Familie und tausend anderen Menschen im Vordergrund. Die zweigeteilten Gefühle sowohl für Peeta, als auch für Gale, bringt Jennifer Lawrence perfekt herüber, wenn sie Gale nach dem ersten Kuss zwischen den beiden verwirrt und überrascht hinterher schaut oder wenn sie in der Arena verzweifelt nach Peeta sucht. Für Katniss geht es nämlich zur Feier der 75. Hungerspiele überraschendeweise zurück in die Arena, da entschieden wird, dass die 24 Tribute diesmal aus den Siegern der vergangenen Spiele kommen. So ist zum einen alles gleich und alles wieder unterschiedlich, denn Katniss und Peeta bekommen es mit erfahrenen Tributen zu tun und müssen nun als Vorbereitung Verbündete in der Arena suchen, um zu überleben. Als Buchleser können die Casting-Entscheidungen nur haushochgelobt werden, vor allem Jena Malone als Johanna Mason und Sam Claflin als Finnick Odair sind perfekt auf ihre Rollen zugeschnitten. Auch Philip Seymour Hoffman als der neue Spielleiter Plutarch Heavensbee kann seine Rolle perfekt präsentieren und profitiert zugleich von den hinzugefügten Szenen mit Präsident Snow. Die Effekte, die ausgefallenen und passend ausgesuchten Kostüme, die überzeugenden schauspielerischen Leistungen, insbesondere von Jennifer Lawrence und Donald Sutherland, heben den Film gegenüber vielen Buchverfilmungen hervor. Außerdem wurden beim Drehbuch die Schlüsselszenen aus dem Buch beachtet und jeder Aspekt der Geschichte gleich behandelt. Selbst das Ende wurde buchgetreu umgesetzt. Doch die genau gleiche Behandlung aller einzelnen Aspekte führt meiner Meinung nach dazu, dass der Film keine Schwerpunkte setzt. Es wurde alles behandelt, aber gleich kurz behandelt. Die hinzugefügten Szenen passen perfekt in die Handlung und sind dann fast schon zu viel in ihrer Anzahl. Ich hätte es vorgezogen, wenn ein paar dieser Szenen gestrichen worden wären und dafür in der Arena zeitweise das Tempo rausgenommen oder die Angst und die Gewalt in Distrikt 12 noch deutlicher hervorgehoben worden wären. Mir persönlich fehlt die absolute Begeisterung, wie ich sie nach dem ersten Teil oder beispielsweise nach Harry Potter 3 oder Herr der Ringe (oder abseits von Buchverfilmungen z.B. bei Gravity) empfunden habe. Dies ist nur eine sehr subjektive Einschätzung und sollte Buchkenner auf keinen Fall von einem Kinobesuch abhalten, denn der Film ist eigentlich perfekt. Vielleicht schon fast zu perfekt. Vielleicht waren meine Erwartungen auch einfach so hoch, dass der Film sie auf keinen Fall erfüllen konnte. Doch führt dies nicht dazu, dass ich dieser schönen Buchverfilmung nicht vollen Herzens die 4,5 Hüte gönne.
Die Tribute von Panem - Catching Fire Bewertung