Bewertung: 5 / 5
So, nun habe ich ihn gesehen, Tarantinos neuesten Geniestreich [b]Django Unchained[/b]. Grad frisch aus dem Kino und mit dem Ersteindruck noch im Kopf bekommt ihr quasi ungefiltert das reine Destillat meiner Gedanken zum Film. Ich muss allerdings gestehen, nur auf die Synchronfassung eingehen zu können, da ich den Film nicht im O-Ton gesehen habe. Aber sei es wie es ist, der Film bekommt trotzdem sein Review. [u][b]Inhalt:[/b][/u] Der Sklave Django wird vom ehemaligen Zahnarzt und aktuellen Kopfgeldjäger Dr. King Schultz befreit und soll ihm helfen eine Bande von Verbrechern zu identifizieren um deren Kopfgeld zu kassieren. Aus dem Zweckbündnis wird schnell mehr und die beiden freunden sich an. So will Schulz Django in der Folge helfen, dessen Frau zu finden und zu befreien, von der er getrennt wurde. [u][b]Kritik:[/b][/u] Der Plot klingt zunächst nach nicht allzu viel, doch wie so oft ist es bei Tarantino der Weg der das Ziel darstellt. Auch in [b]Django Unchained[/b] wird auf diesem Weg viel geredet. Der Dialog-Anteil des Films ist auf einem Tarantino-Typisch hohen Niveau und das ist auch gut so. Die Dialoge sind ausgefeilt wie lange nicht und nachdem den Basterds diese Tugend mitunter fehlte steht sie hier wieder ganz im Zentrum des Films. Doch Tarantino tut auch gut daran, seine Figuren interagieren zu lassen, hat er doch einige der besten Schauspieler verpflichtet, die Hollywood derzeit überhaupt zu bieten hat. Allein [i]Christoph Waltz[/i] und [i]Leonardo Di Caprio[/i] sind mit ihren immensen Meisterleistungen das doppelte Eintrittsgeld wert. Waltz spielt mit derselben unvergleichlichen Neckigkeit wie bereits aus seinem letzten Tarantino-Auftritt bekannt. Er reißt mit sagenhafter Leichtigkeit die Szenen an sich und lässt alles um sich herum wie Staffage wirken. Mit seiner akzentuierten Ausdrucksweise und der extrem sorgfältigen Wortwahl ist es ein Genuss Waltz zuzuschauen und –zuhören. An seiner Seite wirkt mitunter selbst der großartige [i]Jamie Foxx[/i] das eine oder andere Mal recht kleinlaut. Doch auch Foxx bekommt seine Momente, überhaupt hält er sich neben dem darstellerisch überlebensgroßen Waltz als weitestgehend gleichwertiger Partner und entfaltet seine Qualitäten so weit sie ihm durch das Drehbuch zugestanden werden. Spätestens nach dem ersten Drittel bekommt er seine vollständige Montur und ab dem Moment hat man in etwa den coolsten Westernhelden vor sich, den man sich überhaupt vorstellen kann. Mit sagenhaften Lässigkeit und einer extrem stoischen Art perlt quasi alles von Foxx Django ab, den er fast schon besessen gut spielt. Als knallharter Westerner und auch in den kleinen Momenten, wenn er seiner Frau zum greifen nah ist und man seinen Schmerz wirklich durch die Leinwand hindurch zu spüren scheint, glänzt Foxx wirklich. [i]Leonardo Di Caprios[/i] [i]Calvin Candie[/i], der ab der zweiten Hälfte des Films sehr viel Screentime bekommt, ist ein Fall für sich: übertrieben, sadistisch, herrisch und zugleich so herrlich ironisch spielt sich Di Caprio erneut in die Herzen der Zuschauer. Nach dieser Leistung, mit der er erneut viele seine vorherigen getoppt haben dürfte, wird es langsam wirklich schwer für die Academy an ihm vorbeizukommen, wenn es um die Oscar-Vergabe geht. Die drei Nominierungen seiner Karriere in allen Ehren, aber er überbietet sich inzwischen von Film zu Film selbst was seine Leistungen in allen möglichen Rollen angeht. Dabei scheint seiner Vielseitigkeit keine Grenze gesetzt zu sein und es ist nur schwer vorstellbar, dass er noch lange ohne Auszeichnung bleiben wird. Davon abgesehen funktioniert seine am Rande des Irrsinns agierende Figur hervorragend als Gegenpol zum zunächst stillen Django, unter dessen Fassade es brodelt und dem stets gefassten Schultz. Bei der Besetzung der Nebenrollen ging Tarantino auch in gewohntem Maße ins Detail wie kein zweiter. Insbesondere [i]Samuel L. Jacksons[/i] Figur [i]Stephen[/i], der Haussklave und Vertraute Candies, der dessen Vertrauen genießt, ist schlicht perfekt. Zum einen, weil man die Figur einfach lieben muss und da sie von Jackson perfekt verkörpert wird. Zum anderen, weil man einfach hassen muss, weil sie einfach vom Drehbuch so perfekt fies gezeichnet wird. Auch Nebendarsteller wie [i]Kerry Washington[/i] als Djangos Frau [i]Broomhilda[/i] oder [i]Don Johnson[/i] als [i]Big Daddy[/i], um nur einige zu nennen, sind toll getroffen und liefern hervorragende Leistungen ab. Der Cameo-Auftritt von[i] Franco Nero[/i], dem Ur-Django aus dem Original von 1966 ist übrigens ebenso genial eingebaut wie [i]Tarantinos[/i] eigene kleine Rolle und wenn man sie im Film dann –erkennt schlägt das Fanherz einen kurzen Moment lang entsprechend höher. Dazu sei erwähnt, dass Tarantinos Weg sich selbst wieder aus dem Film zu befördern an Selbstironie nicht zu übertreffen ist und ich persönlich aus dem Lachen kaum wieder herauskam. Eine weitere Paradedisziplin stellte immer die Auswahl der Musik in den Filmen dar und hier macht [b]Django Unchained[/b] keine Ausnahme. Von Beginn an, welcher mit dem Original-Django-Theme unterlegt ist, nimmt einen die Musik des Films gefangen und passt sich der Szenenfolge genial an. Das Gespür für die Komposition aus Bild, Schnitt und Musik ist etwas, das den Stil von Tarantino seit jeher ausmacht und durch die tolle Auswahl an bekannteren und unbekannteren Stücken aus vielen alten Western und auch dem Original-Django gelingt es dem Film ein Feeling zu verleihen, dem man sich nur schwer entziehen kann. Die teilweise überzeichnete Gewalt, die wie immer regelrecht zelebriert wird macht mit dieser Untermalung gleich doppelt Spaß und die eigentlich drastischen Szenen gewinnen dadurch oftmals das nötige Maß an Distanz und Comichaftigkeit, die nötig sind um deutlich zu machen, dass man das Gesehene nach wie vor nicht allzu ernst nehmen sollte. Was man jedoch ernst nehmen sollte, ist die im Vorfeld bereits in den Medien angesprochene Rassenthematik, mit der sich[b] Django Unchained[/b] teilweise auseinandersetzt. Man kann sicherlich nicht davon sprechen, dass Tarantino ein ernsthaftes Statement zu dieser tief in der amerikanischen Geschichte verankerten Idee tätigt. Wohl aber äußert er sich durch die Dialoge und die Bildsprache ein ums andere Mal überaus kritisch zu dem Thema. Wie bereits zuvor in [b]Inglorious Basterds[/b] mit den Juden passiert, wird hier die Position der Sklaven eingenommen. Der Mord am weißen Mann wird hier ebenso angedacht und durchexerziert wie der Mord an den Nazis im Vorgängerfilm Thema war. Und das alles zu keinem Zeitpunkt unkritisch. Es ist nicht so, dass die Weißen kommentarlos getötet werden, weil sie Weiße sind - sie werden getötet, weil sie die Sklaven miserabel behandeln, weil sie aus ihnen mit ihrer Rassenideologie und ihren abstrusen Ideen „Untermenschen“ machen, die weniger wert sind und auf der Evolutionsleiter unter den Weißen stehen. Und hier ergreift Tarantino mit heutiger Ideologie Partei für die unterdrückten Sklaven. Er gibt einem von ihnen, dem "einen aus zehntausend", eine Waffe und eine Stimme, die ihn bereits zu Beginn des Films von den anderen Sklaven unterscheidet. Diese Werkzeuge nutzt die Figur, um sich Gehör zu verschaffen und sich symbolisch von den Fesseln der Unterdrückung zu befreien. Und dabei ist es keineswegs so, dass Tarantino den Mord glorifiziert, weil er an Weißen passiert, sondern weil er zum einen ein Akt der Befreiung ist und zum anderen, weil er einfach über das Exploitation-Genre zum Handwerkszeug des Regisseurs gehört. So bewegt man sich hier wie bereits bei den Basterds auf dem schmalen Grat zwischen genretypischer Gewalt und einer Gewalt mit Symbolcharakter – wobei sich für beide Positionen Argumente finden lassen und völlige Gedankenlosigkeit im Einsatz dieses Stilmittels kann man einem so ausgefuchsten Regisseur wie Tarantino mit Sicherheit nicht ankreiden. Was die Länge des Films angeht, ist er trotz seiner 165 Minuten angenehm kurzweilig und die Zeit vergeht wie im Fluge. Die Dialoge reißen mit, dazwischen gibt es immer wieder Schießereien, westerntypische Landschaftsbilder und tolle Montagen und so sitzt man am Ende des Films da und merkt fast nichts von der verflogenen Zeit. Diese Leichtigkeit ging [b]Death Proof[/b] und zum Teil auch [b]Inglorious Basterds[/b] mitunter etwas ab, bei [b]Django Unchained[/b] ist sie stets präsent. Dabei sei natürlich erwähnt, dass der Film Menschen die mit Tarantino nie etwas anfangen konnten, mit Sicherheit nicht bekehren wird. Man sollte vorab wissen, auf was man sich einlässt, sonst könnte man enttäuscht werden. Doch auch als Western macht der Film eine hervorragende Figur und könnte auch Fans dieses Genres durchaus Freude bereiten. [u][b]Fazit:[/b][/u] So, das klingt nun alles einfach nur perfekt, richtig? Und nennbare Schwächen sind für mich persönlich auch kaum auszumachen gewesen. Die Zeit verging wie im Flug, die Figuren sind genial, einige Einzelleistungen sogar bahnbrechend, die Musik ist auf den Punkt wie gewohnt und die Dialoge sind geschliffen wie lange nicht mehr. Wenn man dem Film etwas vorwerfen möchte, dann etwas, was viele Tarantino-Filme gemein haben: Die Handlung. Denn bei all den hervorragenden Dialogen sind die Dinge die nun eigentlich auf der Handlungsebene passieren in zwei bis drei Sätzen abgehandelt. Hier ist es nun die Frage, ob man den Film anders bewerten kann oder darf, weil es ein Tarantino ist und das einfach zu dessen Stil gehört. Ich persönlich denke ja, denn die Handlung steht und stand hier nie im Vordergrund und so kann ich ruhigen Gewissens meine Bewertung unter Ausschluss dieses Problems tätigen. Folgerichtig lautet mein persönliches Urteil als jemand der Tarantinos Werk und seinen Stil schätzt [u][b]10/10 Punkte[/b][/u] bzw. [b][u]5/5 Hüten[/u][/b], für einen waschechten Tarantino, der nach den „nur“ sehr guten [b]Death Proof[/b] und [b]Inglorious Basterds[/b] wieder zu echter Höchstform aufläuft und einen der coolsten Westernhelden aller Zeiten präsentiert. Wer nun aber mit Tarantino nichts anfangen kann oder dem Film die Handlung ankreiden mag, der darf gerne auf einen beliebigen Wert abwerten und letztlich selbst entscheiden, ob es sich für ihn lohnt. Ich persönlich finde jedoch, wer weiß, dass Tarantino drin ist, sollte sich eben auch auf genau das gefasst machen. Von mir gibt’s eine dicke Empfehlung und die erste Höchstwertung im noch jungen Kinojahr.
Django Unchained Bewertung