Bewertung: 4 / 5
Im Jahre 1840 trifft der junge und noch recht unbekannte Schriftsteller Herman Melville (Ben Whishaw) auf den alten Seemann Thomas Nickerson (gewohnt souverän wie immer Brendan Gleeson), den letzten Überlebenden des gesunkenen Walfängers Essex. Melville erhofft sich Inspiration für seinen neuen Roman und bittet Nickerson, seine persönliche Geschichte zu erzählen. Zuerst sträubt sich dieser, doch er beginnt zu erzählen... der aufstrebende Seemann Owen Chase (Chris Hemsworth) trifft auf der Essex auf den jungen und unerfahrenen Kapitän Pollard (Benjamin Walker), der seinen Rang nur seinem berühmten Namen zu verdanken hat. In dieser Gemengelage und getrieben von dem Wunsch, ihre Laderäume mit Walöl zu füllen, trifft die Besatzung der Essex auf eine schier unüberwindbare Gewalt...
Der Film versucht, mehrere Elemente miteinander zu verknüpfen. Auf der einen Seite haben wir die historischen Ereignisse, wie es zum Untergang des Walfängers Essex kam, anderseits will der Film eine abendfüllende Unterhaltung bieten. Für den Zuschauer gestaltet es sich zunehmend positiv, dass der Film beinahe ohne Längen auskommt, Langeweile entsteht in der Laufzeit von gut zwei Stunden erst gar nicht, die Geschichte kommt zackig auf den Punkt und bietet vor allem Thor-Darsteller Chris Hemsworth genügend Spielraum, sich zu entfalten. Dieser hat sichtlich Spaß an seinen Freiheiten und spielt den ehrgeizigen wie energischen Ersten Maat der Essex mit viel Herzblut und Leidenschaft, solche Darbietungen darf er ruhig häufiger zeigen, dann kann er zu einem ganz Großen seiner Zunft werden, Daumen eindeutig nach oben!
Trailer zu Im Herzen der See
So kurzweilig und unterhaltsam die Geschichte auch erzählt wird, so schafft es Hollywood doch nicht, die historischen Vorgaben auf den nächsten Level zu heben. Vieles wird von dem Tempo des Films einfach verschluckt, massentauglich verpackt, manche Konflikte nur angeschnitten oder gleich auf dem Abstellgleis des Bahnhofs, der sich "Es ist Freitag Abend, wir haben keine Lust mehr nachzudenken und haben unser Gehirn an der Kasse abgegeben" nennt, liegen gelassen. Schade drum, Hollywood würde, nicht nur bei diesem Projekt, ein wenig mehr Tiefgang und Anregung zum Selberdenken- und Reflektieren gut zu Gesicht stehen. Gerade, weil es sich hier um ein, gerade heutzutage, sehr sensibles Thema wie das Ausbeuten der Natur handelt.
Der Moviejones-User Geist kann einem hier, was die historische Genauigkeit angeht, besser weiterhelfen. Ich habe nachträglich auf Wikipedia etwas recherchiert.
Andererseits, und hier möchte ich, er möge es mir verzeihen, Hanjockel und seinem Kommentar in der Moviejones-Kritik etwas widersprechen. Hier werden keine Walfänger/Seeleute und ihr blutiges Handwerk glorifiziert, es ist nicht das Anliegen des Films, hier Position zu beziehen. Vielmehr sollte sich jeder Zuschauer ein eigenes Urteil bilden, für mich war es einfach die freie Darstellung/Interpretation der Arbeit einfacher Männer, die sich freuen, ihrem Auftrag nachgekommen zu sein, der ihren Lohn und damit ihr Überleben sichert. Etwas drastischere Bilder wie das Ausnehmen eines kompletten Wals führen einen automatisch auf den richtigen Gedankenweg, diese Darstellung gelingt ganz ohne falschen Pathos.
Überhaupt hat mir der Film auch gezeigt, dass, wenn es hart auf hart kommt, die Natur eigentlich immer gewinnt. Auch der Wal wird hier nicht als hirnlos mordende Maschine dargestellt. Eher wie ein verletztes Wesen, dass nur seinen Lebensraum gegen Eindringlinge, die dort eigentlich nichts zu suchen haben, verteidigt, auch, wenn diese Erkenntnis von den Machern zu kurz angeschnitten wurde.
Heute muss man schon zwangsläufig einige Worte über die Optik und die Effekte verlieren, scheinen diese auch in einem solchen Film immer wichtiger zu werden. Die 3D-Technik wird meines Erachtens immer besser, das hat Der Marsianer schon angedeutet und wird hier konsequent weitergeführt. Die Stadt Nantucket erlebt durch den sehr guten Einsatz von 3D eine ungeheure Tiefe, der Hafen wirkt zum Greifen nahe! Der Pottwal wirkt absolut lebendig, der Zuschauer folgt der Lanze quasi in den Leib dieser majestätischen Tiere. Wenn die Kamera um die sich in voller Fahrt befindende Essex kreist, ist man als Zuschauer mittendrin.
Eine Glanzleistung hat hier auch die Maske vollbracht, wenn die letzten Überlebenden der Essex in Seenot in ihren Rettungsbooten wochenlang dahinsiechen. Die Schauspieler wirken tatsächlich so, als hätten sie nichts zu Essen und auch keinen Schlaf bekommen. Einmal mehr geht mein Lob an die gesamten Darsteller, auch hier ist man als Zuschauer mittendrin, genauso muss es sich auch anfühlen!
Überhaupt ist der Film auch in den Nebenrollen sehr gut besetzt (GoT-Fans freuen sich über gleich zwei Wiedersehen!), der Film gleicht damit die oben erwähnte Schwäche aus historischer Genauigkeit und Erzähltempo wieder aus. Hervorheben möchte ich vor allem Tom Holland, erwähnten Brendan Gleeson und auch Cilian Murphy (bekannt aus der Dark Knight-Trilogie), die durch ihr überzeugendes Spiel dem Film die Tiefe verleihen, die ihm teilweise in der Handlung abgeht.
Alles in allem ist Im Herzen der See ein doch gelungener Film geworden, der sehr gut unterhält, zwar definitiv seine Schwächen hat, diese aber auf der anderen Seite auszugleichen weiß, deswegen bekommt er von mir auch eine etwas bessere Bewertung, die hat er sich auch verdient!