Bewertung: 3.5 / 5
Die Coolness besitzt ein neues Gesicht: Das von Ryan Gosling. Zwei Golden-Globe-Nominierungen (The Ides of March - Tage des Verrats, Crazy, Stupid, Love) heimste der Kanadier ein. Was Gosling auszeichnet? Er zeigt, wie man mit minimaler Mimik Bände spricht und inspiriert mit seiner Unberührbarkeit die Regisseure. Wie auch den Dänen Nicolas Winding Refn, der sich seinen Film Drive nicht ohne Hollywoods aufsteigenden Stern als namenlosen Fluchtwagenfahrer hätte vorstellen können.
Ein neuer Steve McQueen oder Alain Delon sei gefunden worden, jubelt die Branche. In der Tat kann man sich auch als Zuschauer nicht der besonderen Aura Ryan Goslings entziehen. Schon mit den ersten Szenen von Drive hat er den Saal in der Tasche. Knapp formuliert er seinen zwielichtigen Kunden vom Einbrecher bis zum Bankräuber in L.A. die Bedingungen: Sie haben fünf Minuten seiner Zeit, in der er sie fährt. Danach sind sie sich selbst überlassen.
Trailer zu Drive
Was folgt, ist eine grandiose erste Verfolgungsjagd durch eine schummerige Stadt mit einem pulsierenden Elektrosoundteppich. Der "Driver" fährt einen silbergrauen Chevrolet Impala, ein sehr beliebtes Modell in diesem Moloch, mit dem er sich in den Straßen leichter unsichtbar machen kann. Köpfchen statt Karambolage - Refns Virtuosität im Umgang mit Autos auf der Leinwand stellt eine willkommene Abwechslung zu den themenverwandten The Transporter- oder The Fast and the Furious-Filmen dar - sicher ein Argument für den Regiepreis bei den letzten Filmfestspielen in Cannes.
Auch tagsüber spielen Fahrzeuge im Leben des "Drivers" eine Rolle. In einer Werkstatt repariert er sie mit viel Fleiß, und als Stuntman lässt er sie ineinander krachen. Die Story nimmt jedoch durch eine zarte Liebesgeschichte Fahrt auf, die den schweigsamen Einzelgänger menschlicher, aber auch angreifbarer macht. Irene (Carey Mulligan) ist alleinerziehende Mutter und seine Nachbarin. Es knistert auf magische Art zwischen ihnen, und es ist berührend zu sehen, wie der "Driver" über seine Fahrkünste statt mit Worten mit ihr kommuniziert. Als jedoch Irenes Ehemann Standard (Oscar Isaac) aus dem Gefängnis nach Hause zurückkehrt, bringt er Finsternis mit. Seine kriminelle Vergangenheit droht ihn einzuholen, er muss alte Schulden begleichen. Nachdem ihm der "Driver" aus Verbundenheit zu Irene und ihrem Kind hilft, entspinnt sich eine Spirale der Gewalt.
Dabei offenbart der Film sein wahres Gesicht als brutales B-Movie. Der smarte, hochstilisierte Held fällt und mutiert vom moralisch neutralen Schutzengel zum hassenden Terminator, der noch einige Male kräftig zutritt, wenn der Gegner schon am Boden liegt.
Sicherlich hat der Spezialist für harte Stoffe Nicolas Winding Refn (Pusher, Walhalla Rising) bei seinem Hollywooddebüt seine Hausaufgaben gemacht und alle Facetten des amerikanischen Genrekinos studiert. Herauskommt dabei ein mit 80er-Jahre-Retroelementen gespickter Neo-Noir-Actionfilm mit kalkulierter, aber unterkühlter Inszenierung im aktuellen skandinavischen Thrillerstil. Ein Highlight ist die Nebenrollenbesetzung: Albert Brooks (Taxi Driver) und Ron Perlman (Hellboy) geben die falsch spielenden Fieslinge, die nicht mehr wissen, wie ihnen geschieht und Christina Hendricks (Mad Men) ist die attraktive Helferin der Bösen.
Drive bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Diemuth Schmidt)