Bewertung: 3.5 / 5
Auf die Zwölf! Und noch mal auf die Elf. Danach auf die Eins, damit es nicht so langweilig wird. Das ist so ungefähr der Rhythmus von Steven Soderberghs neuem Film Haywire. Der Regisseur von so unterschiedlichen Werken wie Traffic - Macht des Kartells oder Erin Brockovich hat diesmal einen harten Actionfilm geliefert. Das Besondere daran ist Gina Carano, eine Kampfsportlerin, die eigentlich ihr Geld mit fiesen Schlägen vor johlendem Publikum verdient. Bei Soderbergh haut sie reihenweise beliebte Männer um. Ob man sich damit Freunde macht?
Höher, schneller, weiter interessiert Soderbergh nicht mehr, seit für die Ocean's-Reihe nach Schauspielern rief und Hollywoodstars wie Brad Pitt, George Clooney oder Matt Damon kamen. In Haywire setzt der 49-jährige Filmfreak auf Echtheit, klare Linien, eine kerzengerade erzählte Geschichte von einer gelinkten Agentin, die auf Rachefeldzug geht. Nicht wie Uma Thurman in Kill Bill, sondern ohne Popart, ohne gelbschwarzes Outfit und anderen Schnickschnack.
Trailer zu Haywire
Mallory Kane (Gina Carano) arbeitet in der Abteilung, die der Geheimdienst ausgesourct hat. Dort, wo man auch mal Dreck frisst. Ihr Chef (Ewan McGregor) und Exfreund schickt sie schon wieder zum nächsten Auftrag, ehe sie ihre Wohnung einrichten kann. Als sie auf ihren neuen Kollegen (Michael Fassbender) trifft, beschleicht sie schnell ein gesundes Misstrauen. Bald darauf steht ein S.W.A.T.-Team vor ihrer Tür.
Eine Weile versteht Mallory nicht, was gespielt wird, und rennt in fast ein wenig zu perfekt abgesteckten Abständen um ihr Leben. Knappe 92 Minuten setzt Soderbergh für ihre Flucht nach Hause an, wo Papa (Bill Paxton) hilfreich zur Seite steht, wenn die Verfolger anrücken. Viel länger hätte die Schnitzeljagd die Zuschauer nicht erfreut. Denn sie ist konventionell erzählt und bietet nur das unzerstörbare Konstrukt "Eine gegen Alle".
Das Kompliment, das man Haywire aussprechen muss, gilt der Bildgestaltung: Die Motivwahl ist exzellent, die Kameraführung spektakulär. Wie Kunstwerke hängen manche Bilder an der Leinwand. Der Kameramann hieß übrigens Steven Soderbergh. Der gleiche Mann, der mutig auf Abwechslung setzt. Manchmal geht es zäh voran, dann verzichtet er vollständig auf Musik, präsentiert dafür aber unglaubliches Licht.
Über das große Ganze strich er eine Schicht Patina, denn die Geschichte ist alles andere als modern. Das zeigen schon die hemdsärmeligen Kämpfe. Und bevor der Film in Schönheit stirbt und man bemerken könnte, dass Gina Carano eigentlich nur durchs Bild rennt und ihren Job als Kampfsportlerin macht, ist der Zauber dann auch schon vorbei.
Vorgestellt wurde Haywire bei der Berlinale - der perfekte Rahmen: Inmitten von engagierten Filmen über bedrückende Themen wird ein locker aus dem Ärmel geschüttelter Action-Biathlon, bei dem nichts zwischen den Zeilen steht, über die Maßen gefeiert. Andererseits: Nichts? Schauspieler von Michael Douglas bis Bill Paxton werden zu Stichwortgebern für eine Frau degradiert, die sagt, dass sie kein Kleid anziehen möchte. Ein kleiner Schritt für das eine, ein großer für das andere Geschlecht.
Haywire bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Claudia Nitsche)