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Nachtzug nach Lissabon

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Philosophisch-ruhige, etwas zu flache Reise

Nachtzug nach Lissabon Kritik

Nachtzug nach Lissabon Kritik
0 Kommentare - 27.02.2013 von Moviejones
Wir haben uns "Nachtzug nach Lissabon" für euch angeschaut und verraten euch in unserer Kritik, ob sich dieser Film lohnt.

Bewertung: 2.5 / 5

"Wenn wir an einem Ort waren, und sei es noch so kurz, und ihn dann wieder verlassen, bleibt immer etwas von uns dort zurück," liest Raimund Gregorius (Jeremy Irons) im Buch des portugiesischen Arztes Amadeu de Prado (Jack Huston) - das Buch, das sich eine junge Frau (Sarah Spale-Bühlmann) in einer Bibliothek ausgeliehen hatte, bevor sie verschwand. Raimund hatte der Portugiesin, die sich kurz zuvor von der Kirchenfeldbrücke in Bern stürzen wollte, das Leben gerettet. Immer noch verstört, lief sie später aus seinem Klassenzimmer fort, wohin Raimund, der dort als Gymnasiallehrer Latein unterrichtet, sie erst einmal mitgenommen hatte. Und ließ ihren Mantel wie auch dieses Buch in der Manteltasche zurück sowie eine Zugfahrkarte nach Lissabon, die im Buch lag. In der Hoffnung, sie am Bahnhof noch anzutreffen, eilt er dorthin, doch sie ist nirgends zu finden.

Raimund setzt sich kurzerhand selbst in den Nachtzug nach Lissabon - der Beginn einer abenteuerlichen Reise auf der Suche nach dem Autor des Buches, dessen Worte ihn berühren, eine Reise in dessen Vergangenheit im Portugal der revolutionären 70er, ein Puzzlespiel voller politischer und emotionaler Verwicklungen. Und auch eine Reise in sein eigenes Ich. Denn wie heißt es im Buch: "Wenn wir an einen fremden Ort reisen, reisen wir auch in einen anderen Teil von uns selbst".

Trailer zu Nachtzug nach Lissabon

Mit Nachtzug nach Lissabon ist Regisseur Bille August (Das GeisterhausLes Misérables) eine stimmungsvolle, melancholisch-ruhige Romanadaption von Pascal Merciers gleichnamigem Bestseller gelungen, die in der Tiefe jedoch eher das Denken anregt als wirklich emotional zu ergreifen. Es ist für eine Verfilmung eine zu kurz an den einzelnen Etappen der Reise durch Zeit und Raum verweilende Geschichte, um den emotionalen Part anrührend tief genug ausgestalten zu können. Zwar wartet Nachtzug nach Lissabon mit vielen weisen Sprüchen sowie spannenden Szenerien aus der politisch unruhigen Zeit der Estado Novo-Diktatur in Portugal auf, deren jedoch eher emotional-dramatische Verwicklungen der Figuren zu Themen wie Freundschaft, Liebe, Familie und Loyalität durchaus viel zum Nachdenken Anregendes für das eigene Leben zu bieten haben. Doch lässt diese Reise den Zuschauer nicht tief genug eintauchen und schon gar nicht die historischen Hintergründe tatsächlich erfassen. Mancher Dialog wie auch manche Szene wirken zudem etwas unglaubwürdig dramatisch überzogen - diese Wirkung mag jedoch auch der Kürze der augenblicksartigen Szenen geschuldet sein.

Langeweile oder Langatmigkeit entsteht nicht, dafür ist die Reise mit vielen wechselnden Settings und Figuren interessant genug. Die Langsamkeit des Tempos, stimmungsvolle Klavier-Musik, der meist etwas blasse oder dunkle Farbstil und viel Regen unterstützen die melancholische Stimmung und die Wirkung wie auch das Spiel der aus aller Herren Länder zusammengewürfelten Darsteller und fangen die vielen Wechsel in der Geschichte auf. Mit lichten Szenen in Lissabon wird auch die Erleuchtung des sinnsuchenden Raimund symbolisiert, doch lassen die kurz gehaltenen Szenen so manchen Darsteller auch etwas zu blass im Regen stehen.

Jeremy Irons (Stirb langsam: Jetzt erst recht) in einer solchen Rolle zu sehen, macht Nachtzug nach Lissabon aber schon sehenswert. Ein piefiger, älterer Lateinlehrer, der einsam in einem muffigen Apartment lebt, verlassen von seiner Frau, weil sie ihn, wie er glaubt, zu langweilig fand. Kinder hat er nicht, stattdessen sind es seine Schüler, denen er hofft, etwas weitergeben zu können. Doch je mehr er auf seiner Reise in das intensiv-gefährliche Leben des Buchautors eintaucht, desto mehr wird ihm klar, was ihm fehlt - Intensität, Abenteuer, Herausforderungen, Liebe... "Wir leben immer nur einen kleinen Teil von dem, was alles in uns steckt, in diesem einen Leben - was fangen wir mit dem Rest an?" Sehnsucht, das Gefühl eines unerfüllten Lebens, das bewegt Raimund, sich auf diese puzzleartige Suche nach der Geschichte des Autors, der wie er erfahren muss, bereits verstorben ist, zu begeben. Und dabei letztlich auch einer neuen Liebe zu begegnen. Diese Rolle erfüllt Irons absolut und es macht Freude, ihn einmal in einer so zurückhaltenden Rolle eines "Normalos" zu erleben.

Ebenfalls überzeugend sind Jack Huston (Boardwalk Empire) als eher zurückhaltender Feingeist und aus reichem Hause stammender Amadeu und August Diehl (23) als dessen rebellischer, aus einfachen Verhältnissen stammender bester Freund Jorge, von dem sich Amadeu immer mehr inspirieren und in dessen politische Aktivitäten hineinziehen lässt. Diese Konstellation lässt Literaturkenner schnell an Hesses "Narziß und Goldmund" denken. Mélanie Laurent (Inglourious Basterds) als Jorges Freundin Estefania, die sich wiederum in Amadeu verliebt, macht zwar eine attraktiv-geheimnisvolle Figur, wird jedoch in der Story zu wenig in Szene gesetzt wie auch das Dreiecksverhältnis an sich, um die eigentlich dramatische Situation als Zuschauer tatsächlich als dramatische zu empfinden. Besonders hervorheben kann man dafür Marco D'Almeida (Die Geheimnisse von Lissabon) als junger Joao und Tom Courtenay (Quartett) als älterer Joao, der im Gefängnis sitzend Raimund die Geschichte der beiden Freunde und seinen Part dabei erzählt, und Martina Gedeck (Der Baader Meinhof Komplex) als Joaos Tochter und sich anbahnende neue Liebe für Raimund.

Burghart Klaußner als Amadeus Vater und systemtreuer Richter und Charlotte Rampling (Swimming Pool) als Amadeus anhänglich-eifersüchtige Schwester Adriana erhalten zu wenig Spielzeit, um hier von großer Leistung sprechen zu können, noch kürzer kommen Bruno Ganz (Der Untergang) als Jorge der Gegenwart, Christopher Lee (Der Herr der Ringe) als Padré und Lena Olin als Estefania der Gegenwart weg. Bruno Ganz wirkt zudem fast albern in seiner aufgesetzten Rüpelhaftigkeit.

Schade ist insgesamt, dass in Nachtzug nach Lissabon eine feurige Rede von Amadeu, eine brutale Szene mit Folterknecht Mendez (Adriano Luz), eine Razzia und ein auftauchender Mob fast alles ist, was zum historischen Hintergrund vermittelt wird, der damit nicht wirklich vermittelt wird, da recht unklar bleibt neben eingeschränkter Freiheit, gegen wen oder was genau hier rebelliert wird. Gefällig ist in Nachtzug nach Lissabon das Ende, das Raimund vor eine Wahl stellt, die ihm diese Reise vor die Füße legte - wie er sich wohl entscheiden wird und warum, ist mit die beste Gedankenanregung des ganzen Films, der statt eines auch interessant-dramatischen Zeitzeugnisses eher als eine Art philosophisch interessanter, jedoch etwas zu blasser Paolo Coelho-Film daher kommt.

Nachtzug nach Lissabon Bewertung
Bewertung des Films
510

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