Bewertung: 3.5 / 5
Blut, Gedärme und abgetrennte Gliedmaßen sind eklig, keine Frage. Doch der eigentliche Grusel findet eher auf der psychischen Ebene statt. Sein Publikum wohlig erschauern zu lassen, das ist die wahre Kunst des Horrorkinos. Scott Derrickson, der bereits mit Der Exorzismus von Emily Rose bewies, dass er sein Handwerk versteht, schickt in seinem gekonnt choreografierten Schocker Sinister nun Ethan Hawke durch seine ganz persönliche Hölle. Rückendeckung holt er sich dabei von Produzent Jason Blum, der der Paranormal Activity-Reihe zu wahren Höhenflügen verhalf. Was macht es bei solch klangvollen Namen schon aus, dass es der Story gelegentlich etwas an Logik und Substanz mangelt?
Kriminalautor Ellison Oswalt (Hawke) schreibt für sein Leben gerne über echte Mordfälle und braucht dringend einen weiteren Besteller, um die Haushaltskasse wieder ins Plus zu bringen. Eine geeignete Story wittert er in einem beschaulichen Nest in Pennsylvania, wo gerade eine Familie aufs Grausamste hingerichtet wurde. Auf welche Weise, das erfährt der Zuschauer in einer geduldigen, langen Einstellung direkt in der surreal anmutenden Eröffnungssequenz: Vier Körper baumeln noch zappelnd am dicken Ast eines Baumes, der sich im Garten des Hauses befindet, in das Oswalt bald darauf mit seiner Frau Tracy (Juliet Rylance) und den beiden Kindern Trevor (Michael Hall DAddario) und Ashley (Clare Foley) einzieht.
Trailer zu Sinister
Kaum eingerichtet, verbarrikadiert sich der manische Schriftsteller in seinem Büro, um eine seltsame Kiste mit Super-8-Filmen, die auf dem Dachboden herumstand, genauer unter die Lupe zu nehmen. Harmlose Titel wie "Barbecue 79" oder "Pool Party 66" suggerieren, dass es sich um Familienvideos handelt.
Einmal in den Projektor eingelegt, entpuppen sich die Filme jedoch als die markerschütternden Dokumente der Auslöschung ganzer Familien. Kaltschnäuzig und barbarisch geht der Mörder, aus dessen Blickwinkel die grausigen Aufnahmen entstanden, zu Werke. Das Geschehen wird nur in Ansätzen und nie voyeuristisch gezeigt - der Rest spielt sich im Kopf ab. Dadurch verfehlt der Schockeffekt seine Wirkung nicht.
Je tiefer sich Ellison in den Fall hineinarbeitet, desto mehr Parallelen erkennt er zwischen den einzelnen Tötungen und desto mehr scheint er den Bezug zur Realität zu verlieren. War die Fratze, die er soeben im dunklen Garten sah, real oder nur Einbildung? Woher kommen die merkwürdigen Geräusche, die nachts das Haus beherrschen? Und wieso schaltet sich der Projektor - ebenfalls immer nachts - selbstständig ein?
Weshalb Ellisons geräuschvolle nächtliche Umtriebe nicht die gesamte Familie aufwecken, bleibt unklar - ebenso wie die genauen Hintergründe der übersinnlichen Komponente, die im Laufe der Story recht holprig ins Spiel kommt. Dass Ellisons Frau wenig begeistert von dessen Besessenheit ist, wird hingegen bei jeder sich bietenden Gelegenheit in einfallslosen Dialogen breitgetreten. Regisseur Derrickson, der auch das Drehbuch verfasste, bediente sich bei der Entwicklung von Charakteren und Handlung für seine Geschichte mehrfach in der Klischee-Kiste.
Diesen Mangel macht er durch das Cineastische allerdings in Teilen wett: Die Kamera klebt förmlich an Hawke und gestattet weder ihm noch den Kinogängern, Abstand zu den Geschehnissen zu gewinnen. Die Nerven der Zuseher bleiben nicht zuletzt dank des effektreichen Scores bis aufs Äußerste gespannt - zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Showdown vorhersehbar wird. Ganz ohne Blut, Gedärme und abgetrennte Gliedmaßen kommt dann auch der spannungsaffine Scott Derrickson nicht aus.
Sinister bekommt 3,5 von 5 Hüten.
(Quelle: teleschau - der mediendienst | Christina Freko)