Bewertung: 3.5 / 5
Die Realverfilmung von Mulan – Legende einer Kriegerin von 2009 steht häufig im Schatten der bekannteren Disneyverfilmung von 1998. Das ist eindeutig zu bedauern, denn die Unterschiede zu der Zeichentrickverfilmung heben den Film von Regisseur Jingle Ma hervor.
Unter der Führung ihres Danyu ziehen die Rouran auf Raubzüge im alten China, genau gesagt des Reiches der Wei-Dynastie. Insbesondere der ehrgeizige Sohn (Hu Jun) des Danyu will durch die Überfälle das Grasland der Wei in Besitz nehmen. Sein Vater steht jedoch einem ausgewachsenen Krieg und der Vereinigung aller Truppen der Rouran skeptisch gegenüber. Seine Tochter (Liu Yuxin) unterstützt ihn und befürwortet friedlichere Lösungen.
Im Reich der Wei-Dynastie weiß man nicht um die Unstimmigkeiten in der Führung der Rouran und lässt Männer aus den Kriegerfamilien in die Armee einziehen. Die Männer sollen die Truppen verstärken und so die Bedrohung durch die Rouran abwenden.
So reitet auch ein Botschafter in ein kleines Dorf, in welchem Hua Mulan (Zhao Wei) mit ihrem kranken Vater wohnt. Er war einmal ein großer Krieger, doch erzählt er keine großen Geschichten und verachtet die Romantisierung des Krieges.Trotzdem kommt er seiner Pflicht nach, als der Botschafter berichtet, dass jede Kriegerfamilie einen Mann stellen muss, denn außer Mulan hat er keine weiteren Kinder. Er weiß, dass er nicht lebend zurückkehren wird. Mulan jedoch, die schon seit ihrer Kindheit Kung-Fu trainiert hat und nie gezögert hat, ihre Freunde zu verteidigen, will dieses Opfer nicht akzeptieren und nimmt in der Nacht die Rüstung ihres Vaters, um als Mann verkleidet anstatt ihrem Vater in die Armee einzutreten.
Dort bewährt sich Mulan mit ihren Fähigkeiten von Anfang an und hebt sich direkt durch ihre Kampffähigkeiten von den anderen ab. Das ist nur der erste von einigen Unterschieden zu der eher lustigen Zeichentrickverfilmung.
Gerade der Ton und die Schwerpunktsetzung der Filme können nicht verschiedener sein. Während Mulan von Disney mythologische Aspekte wie einen sprechenden Drachen einbaut, verzichtet "Mulan- Legende einer Kriegerin" auf jegliche mythologische Elemente und bleibt damit auf dem harten Boden der Realität. Dazu tragen auch die zahlreichen Kampfszenen bei, welche mit dem nötigen Dreck, wenn auch ohne das erwartete Blut (Altersfreigabe ab 12), aufwarten. Die Kämpfe werden immer beeindruckender im Laufe des Films, aber ohne die epische Inszenierung eines Ridley Scott in Gladiator zu erreichen. Zu dieser Inszenierung gehört nämlich auch eine charakteristische Musikuntermalung, welche in dieser Verfilmung vollkommen fehlt. Aber es gibt einen Lichtblick: sowohl das Lied am Anfang als auch der Gesang in einer bewegenden Szene gegen Ende des Films ziehen den Zuschauer ins Geschehen hinein.
Der Zuschauer wird Zeuge der Entwicklung Mulans, nicht ihrer physischen Fähigkeiten, sondern ihres Pflichtgefühls, ihrer Heimatliebe und ihrer Durchsetzungskraft. Denn die mutige Frau, die für ihren Vater zur Armee ging, unterschätzt die Opfer, die ein Krieg mit sich bringt. Die Gefühle, die sie einerseits stark machen, behindern sie auch. Das erkennt auch einer ihrer Kameraden, Wentai (Chen Kun), der durch einen Zufall entdeckt, dass sie eine Frau ist. Er verrät Mulan aber nicht, sondern hilft ihr in einer brenzligen Situation und sieht in ihr das Potential, sogar zum General befördert zu werden.Als Mulan ihren Willen und den Mut verliert, trifft er sogar eine schwerwiegende Maßnahme, um Mulan freier, aber auch härter werden zu lassen.
Zhao Wei ("14 Blades") spielt die tapfere Frau, die sich an der Stelle ihres Vaters versucht, in einer Männerwelt zu behaupten. Obgleich ihrer den Männern überlegenen Kampffähigkeiten, bleibt sie nicht unbesiegbar. Im Gegenteil, Zhao Wei schafft es, der Figur eine Zerbrechlichkeit zu geben, die man nicht erwartet. Als Mulan am Boden liegt und verzweifelt, glaubt man es, genauso wie die Härte, die sie mit der Hilfe von Wentai entwickelt. So ist die Frau, die am Anfang noch vorm Töten zurückschreckt, nicht mehr mit der Soldatin zu vergleichen, die ihre Feinde später ohne Erbarmen niederkämpft.
Chen Kun ("Painted Skin") liefert eine ebenso überzeugende Leistung ab. Die beginnende Beziehung zwischen Mulan und ihm driftet nie ins Kitschige ab, was auch an seiner bodenständigen Art liegt. Andererseits gibt es mehrere Wendungen, di e den Zuschauer nicht glücklich zurücklassen, was zu der am Ende vorwiegend melancholischen Stimmung beiträgt. Mit dieser könnte der eine oder andere Zuschauer nicht zufrieden sein, wenn man sich nicht auf den Film einlässt und nur eine Realverfilmung des Zeichentrickfilms erwartet.
Leider zieht sich die erste Hälfte des Films zieht etwas hin und die spätere Tiefe wird nicht deutlich. Die versuchten leicht humorvollen Szenen am Anfang des Films wirken nicht und passen nicht in die restliche Stimmung des Films. Der Film schleppt sich gerade zu Beginn noch von Szene zu Szene, bis ein angeblicher Diebstahl dazu führt, dass Mulan fast als Frau entdeckt wird. Von da an nimmt der Film deutlich an Fahrt auf und wirk in sich runder.
Allerdings ist es schade, dass die Thematik um eine Frau in der Armee ein bisschen vernachlässigt wurde. Auch wenn Mulan eine historische Figur ist, ist es doch seltsam, dass niemand misstrauisch wird und nur Wentai zufällig davon erfährt. Ansonsten weiß nur Mulans Freund (Jaycee Chan, der Sohn von Jackie Chan) aus Kinderzeiten davon. Kennzeichnend für die Vernachlässigung der Thematik ist auch das Zerschneiden einer meiner Meinung nach wichtigen Szene am Ende des Films. Dies geschieht zum Vorteil der Fokussierung auf Mulan und ihre Veränderung durch und während des Krieges mit den Rouran.
Fazit
Eine Realverfilmung von Mulan, die sich bei weitem nicht hinter der Zeichentrickversion zu verstecken braucht und besonders in der zweiten Hälfte mit Ernsthaftigkeit und einer kritischen Darstellung des Krieges punktet. Obwohl sich der Beginn etwas zäh gestaltet, lohnt sich der Blick über den Tellerrand, wenn man sich für die Geschichte von Mulan interessiert und Abstand von der im Vergleich wesentlich lustigeren und lockeren Disney-Zeichentrickversion nehmen will.