Bewertung: 3 / 5
Wie viele Andere hab ich mich sehr auf diesen Film gefreut und ein Meisterwerk erwartet. Hat nicht ganz geklappt...
Inhalt:
Schauplatz L.A. (klingt schon mal gut ;) ): Der Hauptakteur Louis Bloom (Jake Gyllenhaal) hält sich mit kleineren Diebstählen über Wasser und lauert auf seine Chance. Die erhält er, als er zufällig an einem Unfallort mitfilmt und diese Schnappschüsse verkaufen kann. Mit der Zeit wird er immer skrupelloser bzw. lässt seiner Natur freien Lauf, beruflich wie privat.
Trailer zu Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis
Kritik:
Zuerst zur Story (und leider gleich meinem Hauptkritikpunkt): Vielversprechender spannender Beginn. Aber dann...wiederholen sich die Szenen. Und als ich dachte, jetzt setzt endlich die epische Gerechtigkeit ein (falls da jemand im Deutschuntericht gepennt hat, was ja vorkommen soll ;) = Bösewicht kriegt sein Fett weg etc.) bzw. jetzt kommt die Sache langsam ins Rollen, ist der Film zu Ende! Ja sowas...
Die Darsteller: Legt jemand wirklich eine oscarreife schauspielerische Leistung hin, indem er die Augen besonders weit aufreißt und (fast schon gewollt) ekelhaft, hyperwach und schmierig ist? Allerdings, diesen Lou, der pausenlos unter Strom steht und den Erfolg erzwingen will - von Anfang an mit allen Mitteln und das an der Grenze zum Psychopathen - bringt Gyllenhaal wirklich gut rüber. Nur war ich nach einiger Zeit auch etwas genervt, weil die Figur eigentlich immer gleichbleibt, es werden nur immer mehr Abgründe sichtbar. Oben hatte ich geschrieben, „beruflich wie privat“, aber eigentlich gibt es für Bloom kein Privatleben neben seinem „Beruf“, höchstens eines, das ebenfalls auf dem „Ich bekomme, was ich will“-Prinzip aufbaut. Auch das nimmt dem Film und der Figur für mich etwas die Abwechslung.
Trotzdem lebt der Film insgesamt von der vibrierenden Performance Gyllenhaals.
Rene Russo (erstmal hab ich nachguckt, ob sie tatsächlich doppelt so alt ist, denn da wäre ich nie draufgekommen) ist sehr überzeugend als Täter und gleichzeitig auch Opfer, das ihrem neuen Spießgesellen immer weniger gewachsen ist. Einer ihrer besten Filme.
Der Rest (und ich sage bewusst der Rest) kommt kaum über die Statistenrolle hinaus. Höchstens noch als „Assistent“ Rick (Riz Ahmed) und der Titanic-Schatzsucher Bill Paxton tauchen in etwas größeren Rollen auf und machen ihre Sache gut, vor allem B. Paxton, wo ich zweimal hinsehen musste wegen der ungewöhnlichen Rolle.
Die Kameraführung gefiel mir ebenfalls. Man ist als Zuschauer sehr nah am Geschehen und den Akteuren und das nicht nur an den jeweiligen Tatorten. Dazu kein unnötiges Gewackel durch Handkameras, was gerade hier zu befürchten war.
Der Film hat eine kalte, im Gedächtnis bleibende Atmosphäre, schon allein wegen den Nachtaufnahmen. Stimmung und Figuren passen hervorragend zueinander.
Fazit:
Insgesamt sind es diese Atmosphäre und die Darsteller, die den Film wenigstens teilweise retten.
Was mich vor allem enttäuscht hat ist, wie wenig Inhalt und Spannung der Film besitzt. Die erste halbe Stunde dachte ich, na gut, ist alles noch Vorbereitung zumal der Trailer und der Titel („Jede Nacht hat ihren Preis“ - hübsch zweideutig, aber irreführend) mehr versprochen haben. Pustekuchen, die Vorbereitung ist der Film, mit leichten Steigerungen.
Auch fragt man sich, was zum Kuckuck man als Publikum Positives oder Lehrreiches oder Neues mitnehmen soll? Positives eh gleich null und dass Paparazzi zum Problem werden können, wissen wir schon lange. Mit keinem der Protagonisten konnte ich mitfiebern sondern war emotional eher abgestoßen, was einfach an der Handlung und der Art, wie die Figuren entworfen sind, lag. Gehässigerweise könnte ich sagen bzw. tue es ;), dass ich in diesem einen Fall gut verstehen kann, warum manchmal selbst oscarnominierte Filme wenig Publikum finden.
Schön, dass man die Figuren nicht mag, macht einen Film noch lange nicht schlecht, aber Pluspunkte kann ich hier nicht vergeben und ein gewisses Mitfiebern oder Mitleiden gehört für mich offensichtlich zu einem gelungenen Film dazu. Wer da weniger Wert drauf legt, wird Nightcrawler wohl eher schätzen.
6,5/10 Hüte von mir.
Ich könnte mir vorstellen, dass ich mit der recht mittelmäßigen Bewertung und einigen Kritikpunkten den einen oder anderen Leser/Leserin leicht verärgere ;). Und ich habe auch die Kritik vom MJ-Team gelesen (allerdings erst, nachdem ich mit schreiben fertig war, damit ich nicht beeinflusst werde). Vieles scheine ich ähnlich zu sehen wie zum Beispiel die Ein-Mann-Performance, anderes nicht wie den Thrill, der mir abging.
So, jetzt hab ich auch die Kommentare unter der MJ-Kritik gelesen und finde sie alle sehr interessant und musste auch lachen, weil manche sogar genau dieselben Ausdrücke verwendet haben wie ich, wird aber nicht geändert :).