Bewertung: 4 / 5
Es ist erstaunlich, wie weit die Fanmeinungen in Bezug auf die Teile 2,3 und 4 dieser Reihe auseinandergehen. Aber macht nichts . Ich kann es eben auch nur aus meiner Sicht versuchen:
Teil 1 hat mich begeistert! Weswegen ich den etwas schlechteren Kritiken zu Teil 2 auch gar keinen Glauben schenken wollte. Nach Sichtung musste ich aber sagen, dass er zwar durchaus noch ganz ok ist als eigenständiger Film (wie auch Teil 3), aber sich Jack Sparrow meiner Meinung nach leider viel zu stark in Richtung Parodie seiner selbst bewegt, was mir nach einiger Zeit so auf den Keks ging, dass ich möglicherweise den ganzen zweiten Film schlechter bewerte, als er es eigentlich verdient. Vielleicht hat diese Veränderung daran gelegen, dass sich Johnny Depp nach Selbstaussage seine Filme auch wegen seiner Sehschwäche nicht ansieht und so nicht wirklich mitbekommen hat, wie die einzelnen Szenen aneinandergesetzt wirken. Obendrein hab ich irgendwo in Teil 3 endgültig den Story-Faden verloren, was mich schließlich von einem Kinobesuch bei Teil 4 abgehalten hat.
Also bin an Teil 4 ohne große Erwartungen herangegangen, was sicherlich ein Vorteil für den Film war. Auch inhaltlich war mir nichts bekannt, wozu ich immer mehr übergehen muss.
Inhalt: Captain Jack Sparrow begibt sich diesmal auf die Suche nach dem legendären Jungbrunnen, durch den man Lebensjahre auf sich übertragen kann. Unterstützung sowie Steine in den Weg gelegt bekommt er diesmal u.a. von einer hübschen, früheren Flamme, seinem alten „Kumpel“ Barbossa und dem berüchtigten Blackbeard.
Kritik: Fangen wir gleich mit dem Anfang an, der Jack Sparrow wie üblich in einer überaus brenzligen Situation zeigt. Etwas skurrile Auftritte, aber rasant und nicht ohne Selbstironie. Und vor allem...nicht (mehr) nervig! Könnte natürlich ein Strohfeuer sein und ich war auch noch lange nicht überzeugt.
Trailer zu Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten
Aber der Effekt dieser ersten viertel bis halben Stunde war, dass ich schnell und ohne Probleme im 18. Jahrhundert und schließlich auf See landete, wozu neben dem Soundtrack auch die gute Leistung des Verbinski-Nachfolgers Rob Marshall beiträgt: Kein zu unübersichtliches Gewackel (scheint glücklicherweise eh aus der Mode zu kommen) und die Schauspieler und das Setting sind gut eingefangen. Natürlich wird ihm die Sache durch die detailverliebte Ausstattung (kein Wunder bei dem irren 250 Mio. Budget), fähige Darsteller und die schöne Kulisse nicht sehr schwer gemacht, aber auch da gab es schon Negativbeispiele.
Die Handlung baut sich diesmal so auf, dass ich den Durchblick behalten habe, wer wem bzw. was nachjagd und aus welchen Gründen (jedenfalls meistens). Etwas gestört hat mich, dass ich zumindest am Anfang nicht mehr wusste, wie verflucht und von wem die einzelnen Personen mittlerweile sind oder ob sich alle alten Flüche evtl. erledigt haben. Ich werde vor Teil 5 wohl einen kleinen FdK-Marathon einlegen müssen. Aber diesen Wirrwarr kann man „Fremde Gezeiten“ eigentlich nicht anlasten und man kommt dank dem Neuaufbau auch ohne vorige Teile zu kennen noch ziemlich gut mit (nur Teil 1 sollte man - sowieso - gesehen haben).
Tatsächlich hat mir der Film immer besser gefallen: Erst in der zweiten Hälfte, ungefähr mit Eintreffen der Meerjungfrauen, ist mir aufgefallen, dass der ersten Hälfte eine Sache fehlt aus meiner Sicht und das sind ernsthaftere Beziehungen der Figuren untereinander. In der ersten Hälfte ist es eigentlich nur sicher, dass sich Jack Sparrow und sein Vater nicht komplett wurscht sind und zweimal könnte es noch so sein. Aber das war es dann auch schon. Da bietet die zweite Hälfte durch den Aufbau einer (weiteren) Schnulze und auch in anderer Hinsicht mehr Tiefgang. Hat mir gefallen.
Zur Entwirrung tragen neben dem Neustart der Geschichte auch die Neubesetzungen bei. Wobei mich der Name Penelope Cruz zuerst recht skeptisch gestimmt hat. Aber sie stört viel weniger als gedacht, macht ihre Sache sogar eigentlich recht gut und dann erst der Rest: Natürlich ist Johnny Depp die Idealbesetzung bzw. sogar der Schöpfer seiner eigenen Filmfigur. Habe gelesen, dass FdK erst viel ernsthafter angelegt war, aber J. Depp den Sparrow eben unbedingt so spielen wollte und sich durchgesetzt hat. Die Überdrehtheit des zweiten Teils (wo ich mich gefragt habe, was denn nur mit dem kauzigen, aber/und charmanten, cleveren Jack Sparrow passiert ist) ist hier (fast) völlig verschwunden (auch die der Synchronstimme) und so bin ich versöhnt.
Alte Bekannte wie Barbossa und Gibbs passen (wieder) wie die Faust aufs Auge und weitere Neuzugänge wie zum Beispiel das echte Vorbild für Jack Sparrow, nämlich Keith Richards, machen durchaus Spaß. Und das ist eben der Vorteil bei einem eingespielten Team, das sich höchstwahrscheinlich privat gut versteht, nämlich die gelungene Interaktion zwischen Jack Sparrow, Barbossa und Mr. Gibbs. Sieht man zum Beispiel in einer der ruhigen Szenen (unter Palmen). Nur Ian McShane als Blackbeard hätte für meinen Geschmack noch etwas bedrohlicher sein können.
Übrigens trifft man relativ am Anfang auch auf einen alten Bekannten aus Sleepy Hollow, Stichwort:„...es schützt mich vor dem Enthaupteten“. Oder eben auch nicht ^^.
Direkte Schockmomente gibt es selten, der Ton des Films ist wieder heiterer ohne seicht zu sein.
Der Score ist...tja, es gibt wohl keine passendere musikalische Untermalung für ein Seeabenteuer - diesmal ergänzt durch Lieder mit ebenfalls hohem Zurückspulfaktor wie zum Beispiel „My Jolly Sailor Bold“ (in diesem Fall auf deutsch gesungen wesentlich schöner). Apropos, die ganze Meerjungfrauen - Einlage an sich ist fabelhaft finde ich.
Und so pfiffig der Schluss auch ist, er kommt natürlich nicht ganz ohne Spoiler aus. Obwohl ich bezweifle, dass das nächste Kapitel wirklich genau die aufgreift.
Was hab ich zu meckern? Eigentlich nur bei Peanuts. Höchstens könnte ich sagen, dass „Fremde Gezeiten“ nicht ganz an Teil 1 herankommt (stellenweise schon für mich), der aber auch den Vorteil hatte, ohne Erwartungen zu starten und nach Jahrzehnten wieder der erste gute Piratenfilm zu sein (zumindest derjenige, von dem ein breites Publikum etwas mitbekommen hat).
Außerdem hätte ich in Bezug auf die Dramatik bzw. Emotionen im ersten Teil gerne noch mehr gesehen und als Horrorfilmfan fehlten mir einige echte Schocker bzw. Horrorelemente. Klar muss man die Freigabe berücksichtigen, aber in Teil 1 war da doch mehr geboten. Teil 4 ist dagegen eher ein Abenteuer-Mysteryfilm mit leisen Horror-Anklängen.
Fazit: Von wegen, vierte Teile sind immer schlecht! Wie ich finde, ein fast perfekter Mix aus hübsch zusammengesponnenem bzw. reaktiviertem Seemannsgarn, einer tollen Atmosspäre und bemerkenswerten Crew, Witz und das Ganze garniert mit ein bisschen Romantik.
Sowohl bei der Handlung wie auch bei der Figur des Captain Jack Sparrow scheint es, als hätten die Verantwortlichen wieder einen oder mehrere Gänge heruntergeschaltet (was auch sehr nötig war) und sich dafür auf die Stärken des ersten Teils besonnen. Deshalb sogar eher ungnädige
4 von 5 möglichen Piratennestern