Bewertung: 4 / 5
Eine Abhandlung zu diesem Film zu schreiben, fällt mir schwer, denn dieser Film ist nicht alltäglich. Er ist kein Film zu Abschalten, kein bunter Popcorn-Blockbuster und auch nichts für kuschelnde Päärchen, die ihre Zweisamkeit in der Dunkelheit des Kinosaals genießen wollen...
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zieht der Trapper Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) mit seinem Mischlingssohn und einer Expedition durch die Weiten des noch unerforschten Amerikas. Nach einem Indianer-Überfall müssen Glass und seine Kameraden fliehen. In der Wildnis wird Glass von einem Bären attackiert und schwer verwundet. Der jähzornige Trapper John Fitzgerald (gespielt von einem überragenden Tom Hardy) verrät seine Leute, tötet Glass Sohn und lässt ihn selber sterbend zurück. Doch Glass stirbt nicht und sinnt auch Rache...
Trailer zu The Revenant - Der Rückkehrer
Grandiose Naturaufnahmen, die schon allein für sich stehen könnten, lassen den Zuschauer sich klein fühlen, ihm stockt der Atem angesichts der Wildheit und der Schönheit der Bilder. Hier wurde nichts verfälscht, nur dargestellt, es wird keine unnötige Musik über die Bilder gelegt, es gibt nur das Rauschen des rauhen Flusses und das heisere Krächzen der Vögel.
Doch das ist nicht die einzige Gewalt, mit der sich der Zuschauer auseinandersetzen muss... auch, wenn viele andere Produktionen den Anspruch auf Realismus erheben, bleibt häufig ein Eindruck von klinischer Sterilität zurück. Bilder wirken häufig zu sauber, zu abgeklärt. Schnitte an den richtigen Stellen sorgen dafür, dass entweder der Fluss verloren geht oder der Regisseur Dinge ins rechte Licht setzen kann. Allein die Szene der Bärenattacke auf Hugh Glass ist so intensiv, dass ich bemerkt habe, wie manche Zuschauer neben mir ihr Gesicht im Schmerz verzerrten und sich am Kinosessel festhielten...
Schnitte sucht man manchmal hier vergebens! Ganze Erzählstränge werden im no-cut-Verfahren gezeigt, die Kamera dreht sich um die Protagonisten herum, schwenkt in alle Richtungen, die Schauspieler müssen ganze Szenen am Stück darstellen. Das erzeugt eine dermaßen intensive Atmosphäre, die der Realität sehr nahe kommt. Solch eine intensive Darstellung wird auf Dauer anstrengend, aber nicht zwingend im negativen Sinne.
Nach dem Film fühlt man sich wie nach einem Marathonlauf, den man unter normalen Umständen niemals geschafft hätte, sich zwingen musste, kurz vorm Zusammenbrechen war, ihn doch noch geschafft hat und mit einem kaputten Geist, aber dennoch zufrieden und glücklich zurückbleibt!
Diese realen Bilder zeigen Schauspieler, denen man ihre Rollen nicht nur abkauft, sondern, und das ist für mich immer die größte Kunst des Schauspielerns, sie verschmelzen geradezu mit ihren Rollen, sie werden zu ihren Charakteren! Besonders herausstechen tun hierbei natürlich Leonardo DiCaprio, dem ich trotz großartiger Leistung keine großen Chancen auf einen Oscar einräume, zu wenig präsent ist einfach sein Charakter. Das liegt aber nicht an seinem Spiel, sondern weil ihm die Erzählstruktur des Films einfach zu wenig Platz lässt, sich voll zu entfalten. Tom Hardy hingegen kann sich voll austoben und diese Vorlage nimmt der vielseitige Schauspieler mit Bravour auf! Von dem, was ich bisher von Tom Hardy gesehen habe, war dies mit Abstand seine beste Leistung! Hut ab!
Aber dennoch hatte ich den Eindruck, dass sich der Regisseur an der ein oder anderen Stelle etwas verzettelt hat. Es ist nur meine persönliche Meinung, aber Sequenzen, die den Hauptcharakter von seiner Frau träumen lassen, unterbrechen immer wieder den Erzählfluss, sie lassen die Geschichte nicht vorankommen, in dem Dauerrausch der Bilder wirken sie immer wieder wie ein Bremsklotz. Darüberhinaus hätte es auch so einem hochanspruchsvollem Film gut getan, wenn an mancher Stelle die Geschichte einfach zackiger auf den Punkt gekommen wäre, wenn nicht zuviel Zeit mit Bildern, in denen quasi keine Bewegung stattfand, verschwendet worden wäre. So wirkte der Film insgesamt etwas unrund, als lägen auf seinem Weg hier und da ein paar Stolpersteine, denen nicht ausgewichen werden konnte.
Ich dachte, von meinem Kinobesuch am Nachmittag bis zum Schreiben am Abend würde mir eine passende Bewertung einfallen, die man hier ja nunmal abgeben muss, aber ich schwanke noch immer. Zu wenig lässt sich dieser Film in irgendwelche Kategorien pressen, zu untypisch ist seine Darstellung, zu erfrischend anders seine Gesamterscheinung. Er erzählt Geschichte auf eine Art und Weise, die den den Zuschauer danebenstehen lässt, er zeigt kein typisches "Gut-gegen-böse"-Schema oder Darsteller, die sich einfach nur ihr Geld abholen wollen.
Neben den überragenden Bildern und Leistungen der Protagonisten bleiben für mich einfach die oben genannten ärgerlichen Punkte, die defintiv nicht hätten sein müssen und den Gesamteindruck etwas schmälern.
So werde ich zwar 4/5 Hüten vergeben, aber mit einer kleinen Tendenz (im Geiste) zu einer 3,5/5!
Zum Abschluss verlinke ich hier nochmal die Wikipedia-Seite zum historischem Trapper Hugh Glass, zumindest soweit etwas von seinem Leben bekannt ist.