Kinojahr 2014
Was ist 2014 in den Kinos passiert? Ein gutes, ein erfolgreiches Kinojahr auf den ersten Blick. Ein Transformers 4 - Ära des Untergangs mit weltweit fast 1,1 Mrd. $ klingt doch gut, Der Hobbit - Die Schlacht der Fünf Heere mit beinahe 800 Mio. $ (Tendenz noch steigend) ebenfalls. Selbst ein mutiges Projekt wie Interstellar brachte es weltweit als zehnterfolgreichster Film auf noch 660 Mio. $. Somit alles in Ordnung? Mitnichten.
Versetzen wir uns zurück ins Jahr 2013. Was kamen da für klangvolle Namen auf uns zu, die uns im Kinojahr 2014 erwarten sollten: X-Men - Zukunft ist Vergangenheit (234 Mio. $ in den USA), The Amazing Spider-Man 2 - Rise of Electro (203 Mio. $ in den USA) oder Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 1 (333 Mio. $ in den USA). Alles aussichtsreiche Blockbuster, die weltweit meistens nicht enttäuschten, aber gerade in ihrer Heimat, den Staaten, deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben.
Natürlich gab es auch früher schon schlechte Jahre, ein Blick auf 2011 zeigt beispielsweise nur zwei Filme mit über 300 Mio. $, nämlich Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2 (381 Mio. $ in den USA) und Transformers 3 (352 Mio. $ in den USA). Auch die Jahre danach folgten meist nur 5-6 Filme, die diese heilige Marke übersprangen. 2014 fiel jedoch auf, dass viele Filme schon bei 200 Mio. $ eine Hürde sahen und es im Gegensatz zu den Vorjahren trotz unglaublich hoher Blockbusterdichte keinen einzigen Ausbrecher gab wie sonst üblich. Fingen zuvor noch Extras wie Überlänge, 3D-Zuschlag und HFR die sinkenden Zuschauerzahlen auf, scheint dies nun nicht mehr zu funktionieren.
Immer mehr Einnahmen werden dabei nicht mehr in den USA, sondern im asiatischen Raum generiert. Gerade der chinesische Markt wird zunehmend wichtiger, wo die Gewinnmargen für die US-Studios aber massiv sinken. Dennoch wäre eine Fortsetzung wie Pacific Rim 2 ohne diesen Markt undenkbar und Filmstudios setzen alles daran, ihn auch zu hofieren. Handlungen werden explizit nach China verlegt, ob dies nun Sinn macht oder nicht. Nicht mehr die Story steht im Vordergrund, sondern die weltweiten Einnahmen durch Merchandising und Zweitverwertung. Massives Product Placement, kuriose Castingentscheidungen (auf den "Quoten-Schwarzen" folgt der "Quoten-Chinese") und Schauplatzwechsel (siehe Red Dawn) sind die Folge, wenn nicht mehr Drehbuchautoren und Regisseure Entscheidungen treffen, sondern die beteiligten Produzenten das finale Wort haben. Die Folge sind immer verwässertere Filme, die jedweden Biss verlieren - und ein Hollywood, das bei diesem globalen Spiel seine Zuschauer aus den Augen verliert.
Ein Umdenken bei den Studios findet nicht statt, denn anstatt das Portfolio zu diversifizieren, wird das Angebot immer weiter eingeschränkt, nur noch auf eine ganz bestimmte Zielgruppe, die Teenager, geblickt. Jede Ecke und Kante ausgebügelt, der kleinste gemeinsame Nenner gesucht, um wirklich jeden Zuschauer anzusprechen. Dabei verlieren die Filme viel an Magie, was die Klassiker von einst ausmachte. Der Hobbit - Eine unerwartete Reise und seine beiden Fortsetzungen sind gute Beispiele dafür, wie sich das Kino allein in den letzten 15 Jahren im Vergleich zu Der Herr der Ringe - Die Gefährten verändert hat. Sicherlich, schon damals siechte das Filmgeschäft vor sich hin, doch dass technischer Schnickschnack und Effekte inhaltliche Mängel und eine nicht vorhandene Storys kaschieren, klappt inzwischen immer seltener. Die Zuschauer sind übersättigt.
Video on Demand - Die alten Ausreden gelten nicht mehr
Hatten die Studios vor vielen Jahren bereits den Schuldigen ausgemacht - illegale Downloads, die das Geschäft verderben - ist heute wer genau schuld? Wie die Musikbranche stellte Hollywood den bösen Raubkopierer an den Pranger, der ganz allein schuld an den hohen Preisen und dem Einbruch der Einnahmen hätte. Dass diese Logik im Jahr 2015 nicht mehr einleuchtet, sollte jedem klar sein, denn 2014 sollte für Hollywood eigentlich ein Warnschuss sein. Das schwächste Kinojahr seit 2000. Neben den oben genannten Filmen mussten viele große Kinoketten mit massiven Einbrüchen leben, die Regal- und AMC-Kinoketten hatten im Vergleich zu 2013 mit Einbußen von bis zu 50% zu hantieren. Ganze 10,5 Mrd. $ Jahreseinnahmen in den US-Kinos - 4% weniger als im Jahr zuvor. Mit Guardians of the Galaxy und Die Tribute von Panem - Mockingjay Teil 1 schafften es nur ganze zwei Filme, mehr als 300 Mio. $ in den USA einzuspielen!
Der Markt verändert sich rasant. Dabei droht Gefahr für Hollywood und Kinos von vielen Seiten. Immer neue Streaming- und Video on Demand-Portale wie Netflix und Amazon Prime drängen auf den Markt. In den USA bereits etabliert, fassen diese seit 2014 auch zunehmend in Europa und Deutschland Fuß. Für Hollywood bisher der zweitwichtigste Markt für Direkteinnahmen. Hinzu kommen die seit Jahren sinkenden Zuschauerzahlen. Ehemalige Zuschauer, die sich eben nicht mehr die zigste Fortsetzung antun wollen, die nicht immer und immer wieder sehen wollen, dass Peter Parker von einer Spinne gebissen wird, Zuschauer, die es leid sind, dass Filme künstlich aufgebläht und dann geteilt werden, wie es bei finalen Teilen von Buchadaptionen inzwischen Usus ist. Es geht schon lange nicht mehr darum, dem Zuschauer ein spannendes Erlebnis zu bieten, sondern ihn nur noch möglichst oft in die Kinos zu locken. Marvel und Disney haben dieses Prinzip dabei inzwischen perfektioniert. Doch wie lange wird dieses Spiel noch gutgehen?
Auch die TV-Sender mischen inzwischen kräftig mit und gerade in den USA hat sich in den letzten Jahren ein unglaublich erfolgreicher Markt, angetrieben durch Pay-TV-Sender wie HBO, etabliert. Immer mehr Schauspieler finden ihre Erfüllung im TV, früher eher die Resterampe. Heute ist es üblich, Stars wie Woody Harrelson und Matthew McConaughey in True Detective als Ermittler zu sehen. Ein Kevin Spacey lebt gut von House of Cards, der neuere Ruhm eines Kiefer Sutherlands beruht auf 24. Es zeigt sich, dass viele gute Autoren an Hollywood kein Interesse mehr haben, im Fernsehen sind sie nämlich diejenigen, die die Regeln festlegen, die über ihre Idee massive Entscheidungsgewalt haben. Immer neue kreative Showkonzepte sind die Folge und die Zuschauer geifern danach, sie wollen tolle Ideen sehen, mitfiebern und mitleiden mit den Figuren. Und die Zuschauer bekommen im TV genau die Befriedigung, die sie suchen, die exorbitanten Erfolge von The Walking Dead und Game of Thrones sind nur ein Beispiel. Und was lernen wir daraus? Serien, die zwar auch am Erfolg gemessen werden, aber kompromisslos daherkommen, ziehen immer noch oder gerade deswegen eine Menge zahlende Zuschauer an.
Quo vadis Kino?
Nachdem Hollywood und die Kinos sicherlich ungern auf 2014 zurückblicken, denkt man nicht über Fehler nach, sondern legt alle Hoffnungen in das neue Kinojahr. Die fast reflexartige Reaktion der Kinoketten und Studios nach einem schlechten Jahr ist normalerweise: "Das Jahr war nicht gut, aber wartet erst das nächste ab. Es wird das beste aller Zeiten!". 2015 wird schon alles richten und dann ist alles wieder gut. Wirklich? Niemand stellt die entscheidende Frage: Was, wenn dieser Trend weiter anhält? Noch mehr und noch teurere Blockbuster sollen das Problem beheben. Ein Blick auf das Kinoprogramm lässt einen als Filmfan teilweise freudig hochschrecken, denn was dieses Jahr an Masse geplant ist, hat es in der Form noch nicht gegeben: Jurassic World, Fifty Shades of Grey, Avengers 2 - Age of Ultron, Terminator Genisys und Mad Max 4 - Fury Road, um nur einige zu nennen. Im Dezember folgt dann Star Wars - Das Erwachen der Macht, da kann doch eigentlich nichts schiefgehen, oder? …und wenn doch?
Wahrscheinlich wird dieses Jahr nicht viel passieren und 2016 sind noch mehr große Filme geplant. Die Jahre darauf ebenso, allein bis 2020 zählen wir über 100 Großproduktionen im Moment. Dann ist alles wieder gut, aber das wäre zu kurz gedacht, denn nur das kurze schnelle Geld zählt, nicht langanhaltender Erfolg. So wie die Masse an Comicfilmen wird auch die Masse an potentiellen Blockbustern letzten Endes den gesamten Markt verändern. Die verbliebenen Zuschauer werden weiter abstumpfen und dem Kino den Rücken zuwenden, was dann durch weiter steigende Preise, inhaltlich noch hohlere Filme und noch weniger Risiko ausgeglichen werden soll. Und wo Kinobetreiber 3D als geldwerte Option bejubeln, wählen Kinogänger oft teils aus Kostengründen, teils aus fehlender Begeisterung die 2D-Variante (so sie denn zu finden ist). Andererseits werden Serien, inzwischen bei vielen beliebter als Filme, einen noch stärkeren Zulauf erhalten. Das Kino steckt an sich in einem Teufelskreis und ein Ende ist nicht abzusehen. Nutznießer dieser Entwicklung wird das aktuelle TV-Programm sein, aber auch dieses läuft Gefahr, über kurz oder lang durch veränderte Sehgewohnheiten abgehängt zu werden. Was, wenn Serien auf YouTube üblich werden? Wenn immer mehr direkt für das Internet produziert wird? Kann dort die Qualität überhaupt gehalten werden? Schaut man sich viele YouTuber und ihren Content an, mag dies bezweifelt werden. Aber gerade die damit aufwachsende Generation hat komplett geänderte Sehgewohnheiten und die daraus resultierenden Folgen für das Kino können noch nicht abgeschätzt werden.