Dass Joss Whedon nach Marvels The Avengers und Avengers 2 - Age of Ultron auch noch Avengers - Infinity War - Part I und Avengers - Infinity War - Part II macht, scheint nahezu ausgeschlossen, wenn man seine jüngsten Aussagen berücksichtigt. Das heißt aber noch lange nicht, dass ihm die Leidenschaft abhanden gekommen ist. Eine Sache geht ihm besonders gegen den Strich: die Tatsache, dass die überwältigende Mehrheit der Superheldenfilme von männlichen Charakteren getragen wird.
Bei Digital Spy sprach Whedon - damals noch am Set von Avengers 2 - Age of Ultron - von echtem, hartnäckigem Sexismus und altmodischer, heimlicher Misogynie, also regelrechter Frauenfeindlichkeit. Immer wieder höre man, Superheldinnenfilme funktionieren nicht, nur wegen dieser zwei schlechten, die vor Jahren gedreht wurden (Catwoman und Elektra, würden wir tippen). Es gebe immer eine Ausrede, so Whedon. Inzwischen haben sowohl Marvel als auch Warner Bros. sich dazu durchgerungen, es auf einen neuen Versuch ankommen zu lassen, Warner 2017 mit Wonder Woman, Marvel 2018 mit Captain Marvel. Und Whedon meldet sich wieder zu Wort.
Captain Marvel sei etwas, an dem Studiochef Kevin Feige schon seit einer ganzen Weile arbeite. Whedon selbst war natürlich dafür, aber Feige musste erst alles organisieren und all die kreativen Köpfe in Übereinstimmung bringen. Ein Teil von Disney zu sein, mache es leichter, da man dort offen für solche Dinge sei. Und Marvel befinde sich dank seiner Erfolgsbilanz jetzt in einer Position, die es erlaube, das eigene Muster aufzubrechen. Vor allem ein Film hat nach Whedons Ansicht den Weg für Captain Marvel geebnet: Guardians of the Galaxy könnte dabei geholfen haben, einfach, weil es so aus dem Marvel-Rahmen fiel und so erfolgreich war. Oder anders ausgedrückt: Wenn ein Waschbär einen Film tragen kann, denke man, dass es vielleicht sogar eine Frau schafft.
Wie es gehen kann, zeigen feminin geprägte Jugendbuchadaptionen wie Die Tribute von Panem. Superheldengeschichten, wozu er auch diese Filme zähle, müssen nicht von einem gepeinigten Milliardär handeln, findet Whedon. Es könne auch um ein Mädchen und ihre Gemeinschaft gehen, ihre Schwärmereien, ihre Ängste. Das Genre lasse sich schneller weiterentwickeln, wenn man sich ihm von verschiedenen Seiten aus nähere, was kommerziell wie künstlerisch sinnvoll sei. Nicht alle Filme werden gut sein, das passiere nie. Aber dadurch würde man die Zugänge öffnen. Ein Vorbild sieht Whedon in Luc Bessons Lucy, wo Scarlett Johansson in den ersten vierzig Minuten eine ungeheure, emotionale Leistung als verschreckte und sich entwickelnde Person abgeliefert habe. Es sei nicht bloß Action ohne Ende, sondern ein echtes Charakterstück.
Und was würde Whedon sich gern vorknöpfen, wenn keinen weiteren Avengers-Film? Als erstes habe er an einen "weiblichen Jahrhundertwende-Batman" gedacht, nicht wirklich Batman, sondern etwas Cooles über nur eine Person, kein ganzes Team. Ein harter Actionfilm, der all das, was er selbst mag, in sich vereint. Captain Marvel kommt für ihn eher nicht in Frage, weil sie ihm zu sehr Gewinnertyp ist und er seine Helden lieber etwas bodenständiger, "kaputter" mag. Außerdem möchte Whedon endlich wieder ein eigenes Universum erschaffen, das sei schon viel zu lange her.
Könnt ihr seine Argumentation nachvollziehen? Wo stimmt ihr ihm zu, wo vielleicht nicht? Und wünscht ihr euch mehr Superheldenfilme mit weiblichem Hauptcharakter?