Wir machen es diesmal etwas anders und verraten euch gleich zu Beginn die Kernaussage dieser Kritik: Was für ein cooler Film! X-Men - Erste Entscheidung ist nicht nur der beste Film 2011 bis jetzt, er gehört auch zu einer der besten Comicverfilmungen, die es bisher gab. Doch statt wie Nolans Batman bleischwere Botschaften zu vermitteln, schafft es Matthew Vaughn mit tollen Schauspielern und einer spannenden Story, den Zuschauer über zwei Stunden bei Laune zu halten.
X-Men - Erste Entscheidung beginnt mit einer fast akkuraten Nachstellung der Konzentrationslager-Szene aus Bryan Singers X-Men - Der Film aus dem Jahr 2000. Polen 1944: Der junge Erik Lensherr wird von seiner Familie getrennt und wird im KZ für wissenschaftliche Experimente missbraucht. Währenddessen lernt der junge Charles Xavier in New York, dass er nicht der einzige Mutant auf der Welt ist. 18 Jahre später sind aus den Kindern Männer geworden. Während Erik (Michael Fassbender) die Welt bereist um Rache an seinen Peinigern zu üben, hat sich Charles (James McAvoy) der Bildung verschrieben und promoviert im Fachbereich der Mutation. Aus den beiden grundverschiedenen Männern werden Freunde, doch zeitgleich versucht der mächtige Mutant Sebastian Shaw (Kevin Bacon) vor dem Schauplatz der Kuba-Krise einen atomaren Konflikt zwischen den USA und der UDSSR zu provozieren. Daraufhin bittet die US-Regierung Charles Xavier um Hilfe, der mit seinen telepathischen Kräften ein Team aus Mutanten zusammenstellen soll, das es mit Shaw aufnehmen kann.
Mehr wollen wir an dieser Stelle nicht verraten, nur soviel, die Story bleibt über die ganze Filmlaufzeit spannend. Bei den vielen Trailern und Clips zu X-Men - Erste Entscheidung waren wir in den letzten Wochen skeptisch, ob uns der Film noch überraschen kann, hinzu kam eine enorme Erwartungshaltung. Umso verwunderter waren wir, dass es Vaughn tatsächlich schafft, uns mit X-Men - Erste Entscheidung an so vielen Stellen eines Besseren zu belehren. Ein Grund hierfür ist sowohl die Hintergrundgeschichte als auch die Charakterzeichnung. Der Film wird über die gesamte Laufzeit von der Story und den Figuren getragen, wen wir hier als erstes lobend hervorheben sollen, wissen wir nicht.
Drei Darsteller stehen natürlich besonders im Vordergrund: James McAvoy als Professor Charles Xavier, Michael Fassbender als Erik Lensherr und Kevin Bacon als Sebastian Shaw. Alle drei liefern eine formidable Leistung ab, McAvoy und Fassbender schaffen es sogar, den bekannten Figuren Professor X und Magneto neue Konturen zu verleihen. McAvoy spielt keinen jungen Patrick Stewart als Professor X, er spielt seinen Professor X - und der mag zwar um das Wohl der Welt besorgt sein, ist aber auch nicht abgeneigt, eine Dame "bettfertig" zu machen. Fassbender dagegen fällt schon mehr in die von Ian McKellen gezeigte Darstellung des Magneto, in X-Men - Erste Entscheidung wird dessen Hass auf die Menschen nun umso greifbarer. Die Chemie zwischen McAvoy und Fassbender stimmt, Vaughn hätte keine besseren Hauptdarsteller finden können. Dann ist da natürlich noch Bacon, ein so schon mehr als genialer Schauspieler. Dieser gibt den perfekten Gegenspieler ab, ambitioniert und fies, und wir können jedem nur ans Herz legen, einen Blick in die Originalfassung zu werfen - denn wenn Bacon Deutsch spricht, ist dies allein schon den Eintritt wert.
Der Titel Erste Entscheidung täuscht bei uns etwas darüber hinweg, dass es im Original eigentlich um die Erste Klasse geht. Statt Wolverine, Rogue, Storm und Cyclops müssen wir uns mit vielen neuen Mutanten anfreunden. Zwar treffen wir auf eine junge Mystique/Raven, gespielt von Jennifer Lawrence, und einen jugendlichen Hank McCoy (Nicholas Hoult), aber eben auch auf viele Neuzugänge wie Azazel (Jason Flemyng), Emma Frost (January Jones), Riptide (Álex González), Havok (Lucas Till), Banshee (Caleb Landry Jones), Angel (Zoë Kravitz) oder Darwin (Armando Muñoz). Bei der Vielzahl an Darstellern bleibt leider nicht immer genügend Raum, um jede Figur angemessen zu etablieren. So geraten einige Mitglieder von Xaviers erster Klasse etwas blass (z.B. Caleb Landry Jones als Banshee) und nicht jede Motivation der Figuren ist immer auf Anhieb zu verstehen. Vaughn macht aber aus der ihm zur Verfügung stehenden Zeit das Beste und obwohl X-Men - Erste Entscheidung extrem schnell geschnitten wurde, verliert man als Zuschauer zu keiner Zeit den Überblick. Die Laufzeit von über zwei Stunden vergeht wie im Fluge und Vaughn bringt trotz der komplexen Handlung genügend Zeit für die wirklich wichtigen Figuren auf. In manchen Momenten sollten alle Fans der X-Men-Reihe auch recht wachsam sein; so gibt es den einen oder anderen Gastauftritt zu vermelden, der köstlich amüsiert.
Bei den Effekten lässt sich Vaughn nicht lumpen und fährt weit größere Geschütze auf, als wir es in der Reihe bisher zu sehen bekamen. So kommen die Kräfte der Mutanten besonders gut zur Geltung - bei den Effekten war vor allem Bryan Singers X-Men - Der Film immer etwas schwach auf der Brust. Diese sind im Film generell recht hübsch anzusehen, dienen aber nicht wie häufig dem reinen Selbstzweck. Dennoch hätten wir uns an einigen Stellen etwas mehr Feinschliff gewünscht, die Tricks sind gut und zeitgemäß, aber die Künstlichkeit ist ihnen anzusehen. Dennoch muss der Fairness halber erwähnt werden, dass im Gegensatz zu anderen Comicverfilmungen ein moderates Budget von 125 Mio. $ angesetzt wurde.
X-Men - Erste Entscheidung ist ohne Frage der beste X-Men bisher. Groß inszeniert, spannend dargestellt, toll besetzt und zügig geschnitten. Wir bereuen regelrecht unsere Skepsis gegenüber dem Film zu Beginn, denn als 20th Century Fox den Neustart der Reihe mit X-Men - Erste Entscheidung vor etwas über zwei Jahren ankündigte, waren wir sehr zurückhaltend, klang doch alles zu sehr nach Teenies auf der High School. Doch Fox hat aus X-Men 3 und Wolverine gelernt und es ist schon fast ein glücklicher Umstand, dass Bryan Singer wegen Jack the Giant Killer nicht Regie führen konnte und so Matthew Vaughn seine Chance erhielt. Mit Kick-Ass und Der Sternwanderer erzielte Vaughn Achtungserfolge - sein Regietalent war aber offensichtlich und das zeigt er auch bei Erste Entscheidung, was ohne weiteres der größte Erfolg seiner Karriere werden dürfte. Damit erhält Vaughn hoffentlich die Aufmerksamkeit, die ihm gebührt. Wir vergeben 5 von 5 Hüten, weil wir uns trotz der erwähnten Kleinigkeiten sehr unterhalten fühlten und es wirklich Spaß machte, den Figuren bei ihrer Entwicklung zuzuschauen.
Der Filmstart von X-Men - Erste Entscheidung ist am 9. Juni.