Bewertung: 4.5 / 5
Da wir es dieses Mal leider nicht zu einer Pressevorführung geschafft haben, haben wir uns sehr gefreut, als unser langjähriger User ZSSnake anbot, seine Eindrücke vom Film zu schildern. Es handelt sich also um eine offizielle MJ-User-Rambo-Review für euch - viel Spaß! :-)
Rambo - Last Blood Kritik (von ZSSnake)
Selten fühlte sich die Erwartungshaltung aufgrund von Marketing und Trailern so dermaßen weit entfernt vom Kern des fertigen Films an wie bei Rambo - Last Blood. Im Vorfeld hatte Sylvester Stallone einen vollkommenen Actionreißer beworben, in dem Rambo, der nochmal richtig auf einen Killing Spree geht, alles und jeden niedermacht. Brutalität, Gewalt, viel Action, wenig Hirn - das waren die Merkmale dessen, womit im Vorfeld Presse gemacht wurde für den Film. Doch was ist dann wirklich im Kino gelandet?
Trailer zu Rambo - Last Blood
John Rambo lebt inzwischen seit zehn Jahren auf der alten Ranch seines Vaters und hat dort in seiner Haushälterin Maria und deren Enkelin Gabrielle eine Familie gefunden. Gabrielle will bald aufs College, John ist als Rancher insbesondere für die Pferde zuständig und die beiden haben ein sehr gutes, beinahe Vater-Tochter-Verhältnis zueinander. John ist jedoch nie völlig über die Wirren der Kriege hinweggekommen, die ihn stets verfolgt haben. Er begräbt die Erinnerungen in den Tunneln, welche er in den Boden unter der Farm getrieben hat und atmet dort beinahe auf. Als Gabrielle sich in Mexiko auf die Suche nach ihrem Vater macht, der die Familie vor Jahren verließ, wird sie von Menschenhändlern aufgegriffen und John muss noch einmal losziehen, um Menschen, die er liebt, vor dem Bösen zu bewahren...
Beginnen wir mit der offensichtlichen Frage: Ist John Rambo in Rambo V noch der Mann, den wir kennen? Der Mann, den der Krieg nie losließ? Der zur Kampfmaschine gemacht und dann von der Zeit und seinem Land vergessen wurde, ohne je den Ausknopf für diesen unterschwelligen Drang zu finden? Hier kann klar Entwarnung gegeben werden: John ist nach wie vor der Mann, den wir über die letzten 37 Jahre kennengelernt haben. Heute und in diesem Film vielleicht mehr denn je, denn emotional traf keiner der Nachfolger von First Blood so sehr wie Rambo - Last Blood.
Gleich zu Beginn wird in einem Sturm etabliert, dass John nach wie vor ein guter Fährtenleser ist und stets versucht, Gutes zu tun. Er hilft, eine Bergsteigergruppe zu suchen, welche vom Weg abkam, und unterstützt die Suchtrupps nach Kräften. Anschließend nimmt uns der Film ausgesprochen ruhig und sehr charakterzentriert mit auf die Reise. John wird an diesem Punkt in seinem Leben etabliert, wir erfahren ein wenig über die letzten zehn Jahre und erahnen auch, dass selbst daheim, auf der Farm seiner Familie, ein Teil von ihm niemals mit nach Hause kam. Und es fühlt sich rund an, gut geschrieben und völlig nachvollziehbar. Zu keinem Zeitpunkt bekommt man das Gefühl, dass Stallone "seine" Figur entglitten sei - tatsächlich war er lange nicht mehr so nah am Kern der Sache wie hier.
Fast schon weise gibt er John etwas zum Festhalten, etwas, was ihn in dieser Welt, der Zivilisation, verankert und ihn dort leben lässt. Trotzdem ist der Mann, den wir sehen, zerfressen von Selbstzweifeln, dem Wissen, wie viele es nicht geschafft haben, obwohl er überlebt hat. Stets am Rande des Monsters am Balancieren, was in seinen Eingeweiden schlummert und gegen das er laut eigener Aussage jeden Tag aufs Neue antritt.
Die Action beschränkt sich dabei auf das notwendige Maß, sicher gibt es ein opulentes Finale, das dann auch nicht mit expliziten Bildern geizt. Wir bewegen uns auf einem ähnlichen Level wie dem des Vorgängers John Rambo von 2008, aber das ist gut so, denn es vermittelt die Unmittelbarkeit und Katharsis, die das Finale letztlich spiegelt. Es hat seine Gründe und jeder davon ist aus der Handlung heraus nicht nur nachvollziehbar, sie fühlen sich auch aus der Perspektive unserer Hauptfigur völlig gerechtfertigt an. Trotz allem ist die Gewalt nie Selbstzweck, sie dient stets der Geschichte und treibt sie voran, bis auf die Spitze.
Wenn wir über Gewalt sprechen, sprechen wir auch über die Antagonisten und die Idee hinter dieser Geschichte. Und hier ist ganz klar der Feind eine Gesellschaft, der Empathie abgeht, die Menschen wie Vieh behandelt und die nicht nur Frauen versklavt und misshandelt, sondern sich dabei auch im Recht sieht. Selbstredend ist es bewusst gewählt, dass der Menschenhandel in Mexiko passiert und letztlich ein Brüderpaar von dort als Gesicht für das Böse verpasst bekommt - dort, jenseits der Grenze, jenseits der Trump´schen Mauer. Aber der Spiegel geht schnell zurück in die USA, da wo das Geschäft mit den verkauften Frauen nur so boomt. Die politische Haltung ist klar: Die Männer mit den schwarzen Herzen sind die Bösen, nicht die Mexikaner, nicht die Amerikaner - alle da draußen. Und wenn John sagt "Das hier drin kann ich kontrollieren, das da draußen nicht", dann spricht er eine Sorge aus, die einer Welt gilt, der jedwede Kontrolle entglitten ist, in der Gut und Böse verschwimmen, die nicht mehr nach den Gesetzen funktioniert, die Rambo in den Tunneln gelernt hat, wo er wusste, wohin die Waffe zu richten ist.
Rein von der Cinematographie und Bildsprache her macht Rambo - Last Blood dabei wirklich viel richtig und auch wenn der Schnitt manchmal ein wenig geringere Frequenz aufweisen könnte, wird es doch niemals unübersichtlich. Die Action ist ausgesprochen gekonnt gefilmt, die Charakterszenen bleiben, oftmals durch die Steadycam, auch immer unterschwellig aufgewühlt. Überhaupt gelingt das Spiel mit der Umgebung und der über das Bild vermittelten unterschwelligen Bedrohlichkeit oder auch Entspannung ausgesprochen gut. Emotional gleicht der Film über die Kameraführung immer wieder genau dem, was auch passiert, und fühlt sich dadurch sehr rund an.
In einer Welt, in der es ein First Blood gibt, kann ein Last Blood sich nur dann gut und richtig anfühlen, wenn er auf die Tugenden des Originals zurückschwingt - und das gelingt Regisseur Adrian Grunberg im Tandem mit Stallone, der hier eine wahnsinnig intensive und starke Performance auspackt, ausgesprochen gut. Die Figur John Rambo steht im Fokus, die Geschichte spinnt den Mythos um diesen Mann, der niemals wirklich ankommt, perfekt weiter und wenn wir am Ende den Abspann sehen und dabei den Weg Revue passieren lassen, schleicht sich ein Lächeln auf unsere Lippen - oder zumindest auf meine. Denn Rambo - Last Blood gelingt das Unerwartete und nach dem Marketing beinahe nicht mehr zu hoffen Gewagte: Er schließt den Kreis zum Original und gibt uns das geerdetste Sequel der Reihe, das der Figur mehr als gerecht wird und den Rambo-Fan erster Stunde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zufrieden entlassen wird. Hut ab und von mir entsprechend 4,5 Hüte und für alle Sly- und Rambo-Fans eine ausdrückliche Kinoempfehlung!