Bewertung: 4 / 5
Wir wollten eigentlich erst nur in die Superhelden-Satire The Boys reinschauen, haben dann aber flott die ganze erste Staffel bei Amazon Prime mit ihren acht Episoden durchgesuchtet. Denn ja, die bis dato fiesesten Superhelden machen richtig Spaß, ebenso die eigentlichen Helden der Serie, das titelgebende The Boys-Team! Die Comicadaption hat nicht grundlos eine FSK 18-Kennung, die vor Gewalt, Kraftausdrücken und Nacktheit warnt. Und das passt einfach zu dieser Serie, die böse und deftige Satire mit Rachethrill und tatsächlich auch coolen Seitenhieben auf die mehr Schein als Sein-Welt der Mächtigen und Schönen mischt, leicht übertragbar auf unsere derzeitige Gesellschaft.
Wir können The Boys nicht mit den Comics von Garth Ennis und Darick Robertson vergleichen, doch in der Amazon-Serie stehen die Titelhelden weniger als Black Ops-Einheit der Regierung im Vordergrund, sondern mehr als Rächer an den Super-Schurken, wie man die Seven und ihre Marketingagentur Vought wohl nennen muss. Denn jeder der Boys hat so seinen eigenen Grund, den Seven ihre dreckigen Geschäfte und schwarzen Flecken auf der allzu glänzenden Weste nachweisen zu wollen.
Trailer zu The Boys
Allen voran The Boys-Anführer Billy Butcher (Karl Urban), der eine von Rachegelüsten geplagte und verbissene harte Kante ist, und für den jeder Superheld ein Superschurke ist: klare Schwarz-Weiß-Perspektive aufgrund einer tragischen Vergangenheit mit einem für ihn klaren Schuldigen. Wenn es einen Wolverine-Nachfolger für Hugh Jackman geben könnte, dann Urban, der als Butcher durchaus einige Eigenschaften und eine gewisse visuelle Ähnlichkeit mit dem knurrigen X-Men-Antiheld teilt, auch ohne Krallen. Doch auch der Rest des schrägen Selbstjustizler-Teams ist cool und gewinnt von Episode zu Episode mehr Tiefe, auch die Gruppendynamik funktioniert prima. Jack Quaid als Hughie macht dabei eine sehr gute Figur und präsentiert überzeugend eine enorme Charakterentwicklung.
Die Celebrity-Superhelden um den evil Superman-like-Anführer Homelander (Antony Starr) herum haben wahrlich schwarze Westen, die man vor allem durch einen neuen Stern in ihrer Mitte kennenlernt: Durch die Perspektive von Annie January aka Starlight (Erin Moriarty), die es in die Seven-Riege schafft. Dafür nimmt sie etwas in Kauf, das sie schon ihren Eintritt in die Celebritywelt mit ganz anderen Augen sehen lässt, im Verlauf wird sie noch mehr finstere Geheimnisse unter der Fassade aufdecken und sich schon bald entscheiden müssen, ob sie hinter dieser Scheinwelt weiter stehen kann und will.
Natürlich darf unter den Seven auch keiner der großen DC-Superhelden fehlen, die Justice League bekommt hier ordentlich ihr Fett weg: Wie erwähnt Superman, aber auch Wonder Woman, The Flash, Aquaman und Batman, wie man sie sich finsterer, korrumpierter und zum Teil peinlich-beschämender nicht vorstellen kann. Wobei der Batman-like Black Noir noch der sauberste unter den Superschurken zu sein scheint. Er bekommt aber auch am wenigsten Screentime, was angesichts des Batman-Zugpferds im DCEU auch schon wieder witzig ist.
Nicht nur die Superhelden selbst liefern reichlich Satirestoff in The Boys, sondern auch das mächtige Marketing-Konglomerat Vought hinter ihnen. Und ja, auch US-Präsident Trumps Weg zur Macht ist indirekt neben #MeToo, Doping, Kindersoldaten, False Flagg-Operationen und Wissenschaft meets Politik-Skandalen ein Thema.
Hinter der Serie stecken als Produzenten die Preacher-Macher Seth Rogen und Evan Goldberg, das Skript schrieb Supernatural-Schöpfer Eric Kripke. Wer Preacher schon zu derbe findet, sollte jedoch um The Boys einen weiten Bogen machen. Auch wenn die Serie eine gewisse Grenze nicht überschreitet, nimmt sie in allem doch noch viel weniger ein Blatt vor den Mund oder auch vor die Kamera als diese Garth Ennis-Adaption. Allen anderen möchten wir diese coole gelungen gesellschaftskritische Comicadaption wärmstens empfehlen und freuen uns, dass sie Staffel 2 bereits sicher hat.