Arthur Fleck versucht in der kaputten Gesellschaft Gothams seinen Weg zu finden. Verdingt er sich tagsüber als Clown, strebt er danach, nachts als Stand-up-Comedian Karriere zu machen - doch immer scheint der Witz auf seine Kosten zu gehen. Gefangen in einer zyklischen Existenz zwischen Gleichgültigkeit und Grausamkeit, trifft Arthur eine falsche Entscheidung, die eine Kettenreaktion eskalierender Ereignisse auslöst.
Joker - A Breaking Bad Movie
Im Prinzip wurde schon alles zum Film geschrieben, ich möchte nur kurz festhalten: Believe the hype^^
"Joker" zeigt eindrucksvoll, unschön und radikal, wohin eine kapitalistische Gesellschaft mit mangelhaftem Arbeits- und Sozialsystem führen kann. Überragend gespielt von Joaquin Phoenix und ebenso hochwertig musikalisch untermalt von Hildur Guðnadóttir ("Chernobyl", "Sicario 2"), die ihren Score im Bezug auf das Pompöse und Melodische zum Teil an Hans Zimmers "The Dark Knight"-Score angelehnt hat.
Folgend ein paar Beobachtungen und Gedanken meinerseits, die ich noch zum Ausdruck bringen möchte:
Der "The Killing Joke" referenzierende Dialog zwischen Arthur Fleck und der Psychotherapeutin in der Endszene des Films stellt sich als außergewöhnlich pointiertes Schlussbild heraus, welches nicht nur Arthur Flecks Geisteszustand und seine Entwicklung hin zum Joker resümiert, sondern darüberhinaus auch Bruce Waynes Geisteszustand und dessen Wandel hin zu Batman allumfassend skizziert bzw. vorankündigt. In der Szene fängt Arthur an zu lachen und die Therapeutin fragt, was so witzig sei. Arthur meint, ihm sei ein Witz eingefallen, den sie aber nicht verstehen würde. Darauf folgt ein Schnitt zu Bruce neben seinen toten Eltern, meiner Einschätzung nach kann hier also nur der Witz gemeint sein, den der Joker Batman in "The Killing Joke" erzählt. Den Witz kann eben nur jemand verstehen, der Traumatisches erlebt hat und psychisch so kaputt ist wie Arthur, zudem schwingt sich wie Arthur Fleck auch Bruce Wayne zu einem maskierten Rächer auf, der von der Bevölkerung gefeiert und nachgeahmt wird.
Zu den oft genannten Kritikpunkten zählt das abermalige Ausbuchstabieren des Mordes an Thomas und Martha Wayne, eine implizite Andeutung wäre viel schöner gewesen. Da bin ich anderer Meinung, das eindeutige Zeigen des Mordes fungiert wunderbar als inhaltliches und formales Ausdruckselement des Realitäts-Psychosen-Gefüges, mit nichts weiter als einer Andeutung hätte das weniger gut funktioniert. Arthur Fleck leidet unter Psychosen, die medikamentös behandelt werden, im Verlauf der Handlung werden in Gotham allerdings die Sozialleistungen gekürzt, sodass seine nun arbeitslose Psychiaterin ihm keine Medikamente mehr verschreiben kann. Infolgedessen verschlechtert sich sein Geisteszustand, Psychosen treten häufiger auf, in der ersten Filmhälfte werden die Psychosen noch durch Plottwists entlarvt, in der zweiten Hälfte verzichtet der Film allerdings darauf oder bessert gesagt: Es gelingt dem Film nicht mehr, zwischen der Realität und den Psychosen zu unterscheiden. Sowohl die Realität als auch die Psychosen werden von Todd Phillips gleich deutlich und ausbuchstabierend (in der Kritik: unsubtil) inszeniert, hätte er den Mord an den Waynes also nur implizit angedeutet, würde das dementsprechend eine inszenatorische Anomalie darstellen und deutlicher als Realität zu erkennen sein.
Diese Mehrdeutigkeit in der zweiten Filmhälfte finde ich ziemlich faszinierend, es ist nie genau klar, ob Arthur Flecks Morde, die gesellschaftlichen Aufstände und Arthurs Wandel zum maskierten Rächer und Volkshelden tatsächlich geschehen oder nur seinem psychotischen Minderwertigkeitskomplex entspringen.
Die Vergleiche mit "Taxi Driver" kann ich übrigens kaum nachvollziehen, explizit könnte ich keine speziellen Szenen nennen, die an den Scorsese-Film erinnern. Ähnlich ist hier nur die allgemeine Rahmenhandlung, also dass Arthur Fleck psychisch durchdreht und sich an der Gesellschaft rächt. Abseits davon finden sich vermehrt Verweise auf "The King of Comedy", nicht zuletzt das Casting Robert De Niros als von Arthur Fleck geliebter Comedian und Host eine Late-Night-Show, ansonsten musste ich persönlich anstelle von "Taxi Driver" wie oben erwähnt mehr an "Breaking Bad" denken.
Meine Bewertung"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."
Joaquin Phoenix überzeugt. Der Film nicht.
Einen Film über einen der interessantesten, grausamsten und doch besten aller Bösewichte zu inszenieren ist keine leichte Aufgabe. Ihn zu verkörpern erst recht nicht. Joaquin Phoenix schafft diese Herausforderung. In jeder Minute des Films weiß er zu überzeugen und ich kaufe ihm seinen Arthur Fleck zu jeder Zeit ab. Ja, Arthur Fleck, nicht den Joker.
Und genau um diesen Charakter dreht sich der Film: Arthur Fleck. Der Mann hinter dem Joker. Den leidenden, gedemütigten, minderbemittelten, armen Pechvogel, aus dem ein wahnsinniger Killerclown wird. Hier liegt die Schwäche des Films. Ich kaufe dem Charakter "Joker" diese Hintergrundgeschichte nicht ab. Dieser hat nänlich wesentlich mehr Qualitäten und Fähigkeiten zu bieten als Arthur Fleck sie präsentiert. Das ist sehr schade umd wird dem Charakter einfach nicht gerecht.
Ich habe mir den Film am 29. Oktober 2019 mal wieder angeschaut. (Zum Filmtagebuch)
Ich musste dieses Meisterwerk einfach ein zweites Mal sehen. Überragend!
Meine Bewertung"Auch du wirst noch entdecken, dass vielen Wahrheiten, an die wir uns klammern, von unserem persönlichen Standpunkt abhängig sind."
@ Duck-Anch:
Was sagt man dazu wirklich eine interessante Thema. Snyder hat es schon vorgemacht mit seinem The watchmen.. keiner hat es kapiert und die Zeit war nicht reif... jetzt legt Phillips im Grunde das, was snyder schon damals gemacht hat. Das gefällt mir xD
@duck-anch-amun
Gefällt mir. Mal wieder sehr gut ausgearbeitet. Hoffentlich behält er recht, dass wir uns im Umbruch beim Blockbuster Kino befinden.
"I’ll do my best."
"Your best! Losers always whine about their best. Winners go home and fuck the prom queen."
Hoch interessantes Video zu einem Thema, welches immer wieder aktuell thematisiert wird!
Ich habe mir den Film am 23. Oktober 2019 angeschaut. (Zum Filmtagebuch)
Phoenix spielt grandios!
Meine Bewertung@Kayin
Natürlich ist dies noch möglich, aber momentan kann ich es nicht wirklich erkennen. Dass Charaktere sich entwickeln ist ja durchaus möglich und es wäre sicherlich ein leichtes dies auch hier zu tun. Jedoch denke ich, dass man für mich damit den brillanten Erstling abschwächen würde. Die Unberechenbarkeit ist natürlich deutlich vorhanden, ich sehe aber nicht wie aus der Figur ein kriminelles Verbrechergenie werden könnte. Muss ja nicht sein, da wir eben ne andere Version haben. Aber ich sehe wie MisfitsFilms ebenfalls nicht wie diese Figur auch in Zukunft solch komplexe Taten vollbringen sollte wie andere Joker zuvor.
Und gerade die Vorgeschichte mit Thomas Wayne, den geistigen Zustand sowie der Altersunterschied lassen für mich nur einen Schluss zu: ich brauch da kein weiteres Kapitel.
Dass die Rettungsaktion sowie der Mord an der Psychaterin zum Ende hin ja wohl nur Visionen sind zeigt mir, dass wir hier eben einen anderen Ansatz bekommen würden. Ob dieser Joker in Zukunft solche Ausbrüche auch planen könnte? Oder ob wir es trotz des neuen Bewusstseins immer noch mit einer labilen Person zu tun haben, dies wird interessant (falls es tatsächlich zu einem Ausschlachten des Franchises kommt) zu beobachten zu sein.
In den Comics passiert es immer wieder, dass der Joker durch Batman (Schlag auf den Kopf, Sturz, whatever....) zurück in sein "normales Ich" geholt wird. Es dauert dann eine Weile, bis der Joker zurück in seinem Wahnsinn ist. Bis dahin ist er ein geleuteter, armer Charakter (Arthur Fleck!?!), der viele Selbstzweifel hat und auf der Suche nach Frieden ist. Wir sehen doch erst zum Schluss den wahren Joker (in der TV show), dort ist er selbstbewusst, ein anderer Charakter (Arthur Fleck wollte die Bühne benutzen, um sich umzubringen, der Joker bringt aber den Showmaster um). Aus diesem Charakter kann doch ein starker Bösewicht werden(Wer keine Scheu hat, vor Publikum einen Menschen umzubringen, wer soll denn dann ein Bösewicht werden?!?).
Wir sehen ja nur die Verwandlung von Arthur Fleck zum Joker. Batman ist noch ein ca 10-12 jährigen Junge. Bis zu einem Aufeinandertreffen kann es ja noch etwas dauern und die Entwicklung des Jokers noch ungeahnte Ausmaße annehmen.
"I’ll do my best."
"Your best! Losers always whine about their best. Winners go home and fuck the prom queen."
@MisfitsFilms
Sehe ich genauso wie du. Für diesen Film, für dieses Universum funktioniert dies alles. Aber schon in einem Sequel könnte man da alles kaputt machen. Ich bin nach der Sichtung des Films eigentlich der Überzeugung, dass man es dabei belassen sollte, was in der momentanen Zeit der Comicverfilmungen ebenfalls nochmals ein Sondermerkmal wäre. Diesen Joker kann ich ebenfalls, auch in der Zukunft, nicht als ernsthaften Gegner ansehen. Wären die Sicherheitsmaßnahmen in Gotham nicht dermaßen dämlich, wäre die Wandlung nicht mal wirklich passiert (ne Waffe in ein Studio schmuggeln, einen Nebeneingang zu einem bewachten Theater nutzen,..) . Ich sehe da ebenfalls nicht wie aus einem Arthur Fleck ein Superschurke werden könnte. Vielleicht nur in seiner Fantasie, was bei diesem Joker ja ne Möglichkeit wäre.
@TiiN
Stimmt, da verpasst der Film doch etwas Fokus von seiner Figur zu nehmen und so den Nebenfiguren etwas mehr Profil zu geben.
@CINEAST
Ist letztendlich die Frage ob dies genial ist wenn der Zuschauer seine eigenen Interpretationen machen kann oder ob es handwerkliche Zweifel gibt, ob dies auch so gewollt war. Ne Diskussion, die ja z.B. auch bei Werken wie Batman v Superman immer wieder hochkam.
@Kayin
Ich würde eher sagen...dadurch, dass er nicht ganz so intelligent inszeniert ist, wie seine nahen Verwandten/Vorbilder (Die üblichen Verdächtigen, Fight Club, Taxi Driver, King of Comedy..) und damit auch nicht ganz so schlau ist, wie er es wahrscheinlich gerne wäre, kommen diese ganzen Erklärvideos überhaupt erst zustande.
In einem Film, der bewusst sehr viele Informationen unter Verschluss hält und mit der Wahrnehmung des Zuschauers spielt, muss zumindest eine solide erzählerische, dramaturgische und inszenatorische Stringenz eingehalten werden, um überhaupt ein robustes Gerüst zu haben, in das ich vermeintliche Falltüren einbauen kann.
Wenn ich bei einem Hausbau von vornherein einen etwas schlampig ausgearbeiteten Bauplan als Vorlage nutze und in der Folge für manche Betrachter ein paar interessante Konstruktionen zustande gebracht habe, kann ich mich natürlich hinterher hinstellen und argumentieren, dass das Ganze von vornherein genau so gedacht war und einige Kunstinteressierte werden diese Meinung womöglich auch teilen, aber ein dazugerufener Bausachverständiger wird, nach gründlicher Begutachtung der Details, mit Sicherheit an meiner Version der Geschehnisse Zweifel anmerken..
Wie man seine und meine Aussagen im Nachhinein natürlich gewichtet, ist wieder eine andere Sache...aber bei einem Fincher würde ich z.B. gar nicht auf die Idee kommen einen Sachverständigen anzuheuern...bei einem Phillips schon.
Das hört sich jetzt sehr negativ an, meine Review weiter unten ist ja im Großen und Ganzen doch deutlich positiver formuliert, aber finde auch man sollte gut gemeint und gut gemacht immer auch voneinander trennen können. Irgendwie kann ich mir einen lückenhaft erzählten Film immer so hindrehen, dass es passt, eben weil er diese Lücken aufweist...
Trotzdem ist Joker für mich immernoch ein überdurchschnittlich guter Mainstream-Film, aber noch lange keine besonders tiefgründige Kunst..
- CINEAST -
Das ist einer sehr sehr schöne Analyse @ Kayin ..... da muss man sich ja schon fragen, was Echt war und was nicht echt war ...
Sehr detaillierte Analyse. Und es zeigt, wieviel Facetten und Ebenen dieser Film hat.
"I’ll do my best."
"Your best! Losers always whine about their best. Winners go home and fuck the prom queen."
Mir hat Joker sehr gut gefallen. auch wenn ich gegen ende etwas mehr erwartet habe. Landet definitiv in meiner BR sammlung.
Meine BewertungMake Movies!! not War!!
Hier ein Artikel, der erläutert, dass Todd Phillips mit seinen Filmen immer schon Trends bediente, erschuf oder prägte, und dass sich "Joker" inhaltlich und stilistisch perfekt in seine Filmographie einfügt.
https://www.moviepilot.de/news/joker-im-kino-was-den-dc-film-antreibt-haben-die-hangover-filme-vorgemacht-1121616
"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."