Videotheken sterben

Unsere einzige Videothek im 30.000 Einwohner-Städtchen Halle / Westf. in OWL ist nach über 25 Jahren ebenfalls letztes Jahr geschlossen worden. Ich war dort lange Jahre Stammgast, und die nette Betreiberin hat sich nach der Schule bzw. später nach der Arbeit immer lange mit mir unterhalten. Mein Fahrrad konnte ich auch immer bei ihrer Videothek abschließen, sie hatte dann immer ein Auge drauf, da es direkt neben dem Bahnhof war, wo ich mit der Bahn weiter musste. Schade um die gute alte Zeit. Ein Trost ist allerdings, dass die Videothek nicht wegen der Streamingdienste und Raubkopien geschlossen wurde, sondern wegen Rente. Es lief bis zuletzt noch gut genug, um es am Laufen zu halten. Die Stammkundschaft aus Halle blieb der Videothek treu. :-)

Jetzt ist für mich die einzige Alternative "verleihshop.de". Ist dafgür auch um einiges günstiger und funktioniert wunderbar, bis auf das fehlende Flair und die netten Unterhaltungen. Ich habe bei verleihshop.de mittlerweile über 200 Filme auf Blu-Ray und DVD ausgeliehen, das funktioniert wunderbar.

Als ich damals nach Duisburg gezogen bin, genauer nach Meiderich, bin ich irgendwann mal über World of Video gestolpert, von denen es in der Nähe meinee Arbeitsplatzes noch ne Filiale gab. Das brachte meine damalige Freundin und mich auf die Idee zu schauen ob es eine bei uns in der Nähe gibt. Eine weitere World of Video Filiale lag ein paar Minuten mit dem Auto entfernt, es gab diese schöne Flat für 12,99€/Monat mit der man immer 3 Filme unbegrenzt leihen konnte. Also war diese Videothek einer der am meisten besuchte Orte unserer ersten Jahre in Duisburg. Ein netter Besitzer, lange Unterhaltungen, dieses Feeling durch die Regale zu wandern und sich nach den neuesten Filmen umzuschauen, für deren Kinogang das Geld fehlte. Das war einfach schön und ich bin froh, diese Zeit noch mitbekommen zu haben. Ich verstehe, dass dieser Flair bei aller Liebe dank Ladenmieten und immer unkommunikativerer Menschen und bequemerer Methoden seine Filme zu sehen am Ende nicht für immer bestehen konnte. Trotzdem wsr es schade, diese Videotheken verschwinden zu sehen, da es einfach eine persönlichere Art war mit Film zu interagieren, als einfach bloß bei Netflix n Icon anzuklicken...

Nun ja, die angesprochenen Aspekte mögen nostalgisch sein und man verbindet vllt auch positive Erfahrungen damit, aber für mich hat sich auch einiges Negatives eingebrannt. Zu VHS Zeiten gab es öfters kaputt gespielte Kassetten, die man sich kaum noch ansehen konnte, die Preise waren mMn horrend hoch (bei uns pro Tag 5 DM) und die Verfügbarkeit der neuen Filme war die ersten Wochen katastrophal. (wahrscheinlich, weil Freunde, Bekannte etc die Filme zuerst bekamen, bevor der "normale" Kunde überhaupt die Möglichkeit dazu bekam). Da finde ich die heutige Zeit, mit Netflix, Amazon und Co einfach besser, sowohl qualitativ als auch von der Verfügbarkeit her. Man kann der alten Zeit nicht immer hinterher trauern. Wenn Videotheken wirklich besser wären als streaming Dienste, hätten sich die streaming Dienste nicht durchgesetzt. Der Markt reguliert das, was Menschen wollen. Warum haben die großen Ketten nicht früh erkannt, wo die Reise hingeht und selbst auf streaming umgeschwenkt? (ich glaube Netflix war zu Beginn auch eine Videotheken Kette). Also ich trauer der Videotheken Zeit nicht hinterher. Hinfahren, schauen was da ist, wenn kein Film da ist, dann musste man sich irgendeinen Film raussuchen, den man gar nicht wollte, dann mal vergessen ihn abzugeben (steht direkt in Verbindung mit der Pflicht, ihn heute zu schauen) etc etc. Ich sehe keinen einzigen Vorteil, den eine Videothek gegenüber einem heutigen Streamingdienst hat, außer vllt den Nostalgiefaktor. Deshalb sind sie dann auch ausgestorben.

Wer sich für solche "ausgestorbenen" Sachen interessiert, dem empfehle ich die Sendung "das war dann mal weg" auf ZDF info. Dort wird auch immer erklärt, warum zb ein YPS Heft in der heutigen Zeit nicht mehr funktioniert, obwohl sie über Jahrzehnte hinweg, Kassenschlager waren.

"Wenn Videotheken wirklich besser wären als streaming Dienste, hätten sich die streaming Dienste nicht durchgesetzt. Der Markt reguliert das, was Menschen wollen."

Bloß weil etwas, in dem Fal Streaming, komfortabler ist, macht es das ja nicht unbedingt "besser". Menschen sind bequem, faul und gemütlich und streaming sorgt dafür, dass man alles, für das man früher rausgehen und mit anderen interagieren musste, auch von daheim aus erledigen kann, ohne menschlichen Kontakt hanen zu müssen. Ja, das ist einfacher und bequemer, aber eben auch unpersönlicher. Die Frage ist ja, ob die aktuelle Gesellschaft so viel besser ist, wenn alles total unpersönlich ist. Kino z.b. ist oftmals gefüllt mit Leuten, die lieber unsozial auf dem Handy rumfummeln.

Der Markt reguliert nicht das was die Menschen wollen, er richtet sich danach und reguliert sich über die Nachfrage und das Angebot. Wäre Streaming nie erfunden und angeboten worden, hätte nie ein Mensch danach gefragt und es "gewollt" Wären Videotheken günstiger gewesen als Streaming (waren sie zuletzt durch Abos ja sogar teilweise, wenn mans runterrechnet) und hätten mit dem Angebot von Online-Services mithalten können (so groß kann halt keine Videothek sein), wären sie vermutlich trotzdem ausgestorben. Warum? Weil sie eben erfordern aus dem Haus zu gehen. Klar, jeder hat so seine Vorlieben, aber der Trend geht eben zu unsozialem Handeln, wenig persönlichem Kontakt und Distanz, selbst beim bilden von Beziehungen, die gekappt werden, sobald sie kompliziert werden. Menschen sind egozentrischer und bequemer geworden und das Internet macht nen Strich drunter mit all seinen Angeboten.

@ Silencio:

"Ich weiß auch nicht, ob ständige Verfügbarkeit wirklich die beste Art ist, sich "seinen" Filmen zu nähern. Wenn was verliehen war, musste man sich entscheiden: mit leeren Händen abhauen oder was anderes mitnehmen - für mich kam immer nur Option Nummer 2 in Betracht. Das zwingt einen dann doch, auch mal über den Tellerrand hinauszuschauen, doch mal in die Ecken zu gucken, die einen sonst nicht interessiert hätten und vielleicht was zu finden, das dem eigenen Geschmack scheinbar nicht entsprochen hat, aber trotzdem zu einem neuen Liebling geworden ist. Der Videothekenbesuch war immer auch "aufregend", weil man nie ganz wusste, mit was man den Laden wieder verlässt, weil er den Jäger und Sammler im Filmfreund angesprochen hat, ähnlich wie das auch Börsenbesuche getan haben. Das fehlt mir mittlerweile doch."

Das ist auch der Aspekt, der mich nach wie vor Sammler und Kinogänger sein lässt, egal ob man das meiste via Abo online konsumieren könnte. Und ich sage bewusst konsumieren, weil es, durch die emotionale Distanz zum frei verfügbaren "Produkt" Film online, halt immer noch was anderes und besonderes ist, Filme für sich zu entdecken. Ich bin froh, dass es hier Andrä gibt, eine Kette wo ich gebrauchte Filme zu kleinem Preis kaufen kann, weil da irgendwo dieses Feeling noch lebt und man noch mit Menschen interagiert und auch mal diskutiert. Das ist ja auch der Grund, warum ich nach knapp 10 Jahren hier noch aktiv bin, weil man eben den Austausch auch braucht und nicht bloß das "stille Kämmerlein". Zumindest ich brauche das. Und die Videothek hatte eben dieses Flair, in sein Hobby auf diese Weise irgendwie eintauchen zu können. Wie der Games Workshop früher ein Tempel für die Tabletop- und Magic-Leute war, ist die Videothek der Film-Tempel - oder sagen wir die Film-Kapelle neben dem "Tempel" Kino - gewesen. "Einfach und schnell verfügbar" ist gut, keine Frage, aber "persönlich" ist unterm Strich immer noch angenehmer. Aber vielleicht bin ich da auch ein wenig analog eingestellt fürs digitale Zeitalter.

Persönlich vermisse ich sie nicht. Eine der zwei Videotheken in der kleineren Stadt, in der wir ausgeliehen haben, war ok, hatte aber so wenige Kopien, dass sie häufig schon vergriffen waren. Die andere war größer, aber dafür war das Personal unmotiviert und unfreundlich und die Preise unverschämt: Für neuere Filme waren pro Tag 4 Euro fällig, sonst meist 3 Euro und da man den Film eben nicht noch am selben Abend/also besser gesagt mitten in der Nacht zurückbringt, war dann schon mal für einen einzigen Film fast so viel zu bezahlen wie jetzt für eine Kinokarte. Meistens leiht man zwar als Gruppe, dafür aber eher 3-4 Filme und schaut also 1-2 erst am nächsten Tag und bringt sie am übernächsten Tag zurück, das ergibt eine ganz schöne Rechnung.
Was mich ärgert, ist, dass man sich zum Beispiel bei Amazon keine DVDs mehr zuschicken lassen kann. Immer hab ich mich gefreut, wenn eine ankam. Jetzt ist das Angebot von kostenfreien Filmen einfach nur miserabel, selbst bei uralten Schinken. Wäre es nicht sonst recht praktisch (um alle möglichen Sachen zu bestellen, meist ohne Versandkosten), wäre es überhaupt keine Option mehr. Und wenn mal aus Versehen ein Film kostenlos zu streamen ist und die Verbindung mal nicht gestört ist oder zusammenbricht (was an gemeinsamen Fernsehabenden besonders toll ist), hat das Ganze was so Beliebiges, dass es mir viel weniger Spaß macht.

@ Silencio

Hut für deinen Kommi. 100-prozentige Zustimmung!

@ sid

"Was mich ärgert, ist, dass man sich zum Beispiel bei Amazon keine DVDs mehr zuschicken lassen kann. Immer hab ich mich gefreut, wenn eine ankam. Jetzt ist das Angebot von kostenfreien Filmen einfach nur miserabel, selbst bei uralten Schinken. Wäre es nicht sonst recht praktisch (um alle möglichen Sachen zu bestellen, meist ohne Versandkosten), wäre es überhaupt keine Option mehr. Und wenn mal aus Versehen ein Film kostenlos zu streamen ist und die Verbindung mal nicht gestört ist oder zusammenbricht (was an gemeinsamen Fernsehabenden besonders toll ist), hat das Ganze was so Beliebiges, dass es mir viel weniger Spaß macht."

Schau mal bei https://www.verleihshop.de/ vorbei. Dort kannst du Filme und Serien auf DVD und Blu-Ray ausleihen. Die verschicken per Post und du darfst die Filme eine Woche lang behalten, bevor du sie im vorfrankierten Umschlag zurücksenden musst. Ich habe mittlerweile fast zwei Jahre Erfahrung damit und bereits über 200 Filme dort ausgeliehen. Das funktioniert fast immer tadellos. Und wenns mal nicht klappt und die Post zu lahm ist, reicht eine nette E-Mail und die Zeit wird kostenlos verlängert. Bei neuen Filmen bezahlt man kurzzeitig 4,90 Euro / Woche, aber im Normalfall nach vier Wochen nur noch 3,50 Euro / Woche. Und oft gibt es auch Rabattangebote, dass Filme manchmal sogar nur 2,90 Euro kosten.

Für mich gibt es drei Gründe, weshalb ich niemals (Stand: Jetzt) zu Streaming-Diensten greifen werde:

1. Wenn die Internetleitung während des Filmschauens unterbricht, ist der Filmgenuss dahin, oder der ganze Filmabend.

2. Ich habe auf dem Land ohnehin nur volumenbegrenztes Internet via Funk. Große Daten streamen ist da nicht drin.

3. Ich habe keine Lust, gleichermaßen bei Netflix, Amazon Prime, Sky, HBO und Disney+ ein Abo abzuschließen, um letztlich alle Filme und Serien schauen zu können. Das ist am Ende sogar noch teurer als Videotheken.

@ Silencio:

"Einen Kinobesuch mit gut aufgelegtem Publikum (ich kann jedem nur mal Klassikervorführungen empfehlen!) kann keine Heimkinoanlage der Welt toppen"

Als Raimis The Evil Dead nach der Indexstreichung im Original und Uncut in ner Mitternachtsvorstellung lief, bin ich dafür extra nach Düsseldorf gefahren. Und es war glorreich. Die Leute waren super drauf, es waren alles "Verrückte", die wie ich Jahre auf so ne Chance gewartet haben, es gab Applaus zu Anfang und Ende und sogar ein paar Szenenapplaus-Momente. Es war einfach genial gut. Leider ist es bei manchen Filmen inzwischen nicht mehr so, aber wenn man die richtigen (Programm-)Kinos in der Umgebung hat, macht es richtig Laune, weil da Leute sitzen, die in der Regel Kino lieben.

Jaws hab ich da zum ersten Mal gesehen - also Kino als Erstsichtung für so nen Klassiker ist einfach unbezahlbar finde ich.

Und klar nutze auch ich beides - also die Sammlung UND Streamingservices, es ist nunmal mitunter für den ersten Eindruck günstiger via Stream in Dinge reinzuschauen - aber das Feeling was Unbekanntes mal irgendwo günstig mitzunehmen und dann auf ne Perle zu stoßen ist trotzdem unbezahlbar.

Nachfrage ist das, was Menschen wollen!

Zu "die Menschen sind faul und wollen nicht mehr raus"

Das stimmt so nicht ganz. Wenn zur Videothek gehen, die Interaktion zwischen Menschen war, dann "Gute Nacht". In den Großstädten sind die Cafés und Bars am Wochenende, aber auch unter der Woche, gestopft voll. Zuletzt wollten wir in eine neue Cocktail Bar, kamen aber wegen Überfüllung nicht mehr rein. Mir selbst kommt es so vor, dass die Leute früher eher zu Hause blieben als heute.

Ich kann nur von mir und meinen Freundeskreis reden (alle um die 40), wir gehen des öfteren zusammen weg. Kino, Bars, Restaurants etc aber auch mit den Kindern in Zoos, Spielplätze oder Indoorspielplätze (grausam, aber für die Kinder .). Ich bemerke da nicht, dass sich etwas verschoben hat, eher im Gegenteil. Vllt hast du, @zssnake, da ein etwas verzerrtes Bild von der Gesellschaft oder siehst nur die negativen Aspekte, die das Internet mit sich bringt.

Zu dem eigentlichen Thema

Videotheken ereilte das gleiche Schicksal, wie Kutschen, Schreibmaschinen, Walkman oder Röhrenfernseher. Deren Zeit ist einfach vorbei, sie sind durch etwas besseres und vielseitigeres, ersetzt worden. Dabei ist das Schlagwort "Convenience"! Vllt stößt du dich ja daran, weil es "bequem" ist, ein streaming Dienst zu nutzen. Aber bequem heißt nicht faul. Und wie sid es auch schön gesagt hat, es war zu teuer. Somit haben wir heute eine bessere Auswahl, bequemes Beschaffen und das alles zu einem besseren Preis. Da hilft dann auch keine Nostalgie oder die Interaktion mit Freunden oder dem Videotheken Betreiber. Dazu kam bei mir noch, dass ich in einem 300 Seelendorf wohnte und die nächste Videothek war 10 km einfach entfernt. Da war es meist frustrierend, wenn nur noch Ben Hur oder die 10 Gebote in den Regalen am Wochenende standen(überspitzt dargestellt natürlich), da es die einzige Videothek war im näheren Umkreis.

@ Kayin:

Silencio hat es schon ganz gut erfasst wie ich das meinte.

"Das stimmt so nicht ganz. Wenn zur Videothek gehen, die Interaktion zwischen Menschen war, dann "Gute Nacht". In den Großstädten sind die Cafés und Bars am Wochenende, aber auch unter der Woche, gestopft voll. Zuletzt wollten wir in eine neue Cocktail Bar, kamen aber wegen Überfüllung nicht mehr rein. Mir selbst kommt es so vor, dass die Leute früher eher zu Hause blieben als heute."

Du sagst es da ja ganz gut - in den Großstädten. Und dazu kommt halt der Aspekt, dass nicht wenige es mit der "Treue" nicht so genau halten. Ausgehen und trinken kann ich überall, wo das Ambiente nicht völlig für den Arsch ist und die Getränke nicht total überteuert. Aber da ist ein Etablissement wie das Andere. Ist auch letztlich egal wo es dann ist und wie es heißt, solange man da sitzen/tanzen und trinken kann. "Feiern gehen" - warum auch immer die meisten das so nennen - würde ich persönlich auch von Videothekengängen und den Konversationen dort trennen. Zumal ja so einige, grade in den Großstädten mit der Intentionen der abendlichen "Beschäftigung" feiern gehen und diese spätestens am nächsten morgen schon los sein wollen

Ich sehe halt den Trend hin zur immer stärkeren Schnelllebigkeit und dazu immer nur noch alles unpersönlich und unverbindlich haben zu wollen. Und da spielt das Internet eben auch eine nicht zu unterschätzende Rolle. Aber ich bin auch "erst" 32 und habe noch einige Freunde die jünger sind, mag sein, dass es in den etwas älteren Generationen noch anders ist.