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Kritik: Es war einmal in Amerika von MobyDick

MobyDick | 24.08.2018

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24 Kommentare
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MobyDick : : Moviejones-Fan
24.08.2018 15:12 Uhr
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Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Nach einer Diskussion über die besten Western und Leones Stellenwert darin dachte ich mir, dass ich einen Leone Film auch mal besprechen könnte. et voilà

Dünyayi Kurtaran Adam
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Silencio : : Moviejones-Fan
24.08.2018 16:27 Uhr
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Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

Moby:

"gibt Leone die ach so männliche Gesellschaft der Lächerlichkeit preis und zeigt nur, wie die Frauen in dieser Domäne ihren "Mann" stehen müssen, oder von den Männern eben zerstört werden, nur um sich selbst zu verwirklichen. Dieses immer wieder kehrende Motiv bedient Leone schon seit Für eine Handvoll Dollar und perfektioniert es hier. Ende Exkurs."

Für mich hat er das in "Spiel mir das Lied vom Tod" wohl am Besten hingekriegt, wo er aus der Hure die Mutter der Nation macht - und das ganz ohne bitteren Witz oder das sonst wie zurückzunehmen.

Ansonsten: "Es war einmal in Amerika" ist für mich eher etwas, das man durchstehen muss, als das man es wirklich genießen kann. Leone hat da offensichtlich sehr viel reingesteckt, ich verstehe, warum der seinen Stellenwert hat und ich halte das für einen extrem intelligenten Film - gerade wie er mit der Zeit und mit Erinnerung spielt, ist ganz toll. Aber trotzdem überkommt mich da selten der Drang, den nochmal zu sehen.

Und zur "Todesmelodie": außer den Hauptdarstellern und Morricones Musik ("shon-shon" summ ich riegelmäßig vor mir her...) hat der nicht viel zu bieten. Als revolutionärer, linker Western kommt er zu spät, da hatten die italienischen Kollegen ihn schon längst überholt, da kommt Leone nur als Nachplapperer rüber. Das ist beileibe kein schlechter Film, aber doch schon "lesser" Leone.

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

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MobyDick : : Moviejones-Fan
27.08.2018 09:19 Uhr
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Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Silencio:

Kann ich ein Stück weit verstehen, der Film ist ja wirklich sehr lang, und er nimmt sich wirklich für jede Kleinigkeit eine Ewigkeit Zeit, aber letztendlich ist der Film einfach überragend.

Claudia Cardinale ist ja auch eine Hammerfrau in Es war einmal im Westen und vor allem muß sich ja Hure und Mutter nicht ausschliessen, insofern gebe ich dir da auch recht.

Und letztlich zur Todesmelodie: ich habe einen Freund, der findet die Melodie auch super, ich persönlich finde sie enttäuschend, auch wenn sie zur Atmosphäre des Filmes passen mag, aber der enttäuscht mich ja auch. Mit James Coburn konnte ich nie viel anfangen, aber ich finde Rod Steiger ist einer der besten Darsteller seiner Generation, vor allem zu der Zeit, und für diesen Film einfach viel zu gut. Für mich passt hier einfach viel zu wenig zusammen. Denoch ein Leone hatte schon immer gewisse Qualitäten, so auch hier. Für Komplettisten ist der Film allemal was wert, aber da gibt es deutlich bessere Revoluzzer-Western, von Damiano Damiani (übrigens würde Töte Amigo meine Top 100 komplettieren) zB und auch vor allem von Corbucci.

Dünyayi Kurtaran Adam
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Silencio : : Moviejones-Fan
27.08.2018 16:07 Uhr
0
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

Moby:

"Kann ich ein Stück weit verstehen, der Film ist ja wirklich sehr lang, und er nimmt sich wirklich für jede Kleinigkeit eine Ewigkeit Zeit, aber letztendlich ist der Film einfach überragend."

Wie gesagt, ich versteh die Qualitäten des Films und das Spiel mit dekomprimierter Zeit ist ja eines von Leones Markenzeichen. Die übertragen sich bei mir einfach nur nicht in Sehgenuss.

(Ähnlich geht es einem Bekannten bei "Blade Runner", wo er die Qualitäten anerkennen muss, mit Scotts behäbiger Inszenierung trotz der vergleichsweise kurzen Laufzeit aber nicht klarkommt...)

"Und letztlich zur Todesmelodie: ich habe einen Freund, der findet die Melodie auch super, ich persönlich finde sie enttäuschend, auch wenn sie zur Atmosphäre des Filmes passen mag, aber der enttäuscht mich ja auch. Mit James Coburn konnte ich nie viel anfangen, aber ich finde Rod Steiger ist einer der besten Darsteller seiner Generation, vor allem zu der Zeit, und für diesen Film einfach viel zu gut. "

Ist auch was, was ich verstehe. Morricones Score hat mich zuerst aus dem Film geworfen, er hat sich nur eben hinterher wieder eingeschlichen. Spricht natürlich nicht für den Film als solchen, aber eben für Morricone.

Rod Steiger hat hier aber auch eine vergleichsweise undankbare Rolle abgekriegt, weil er quasi von der ersten Szene an Assoziationen an Eli Wallach weckt. Da kann er sich noch so sehr bemühen (was er auch sichtlich tut), man hat da immer jemand anderen im Kopf.

Coburn mag ich persönlich, weil er so ein unverwechselbares Gesicht Typische Leonefresse. Als Darsteller können wir uns auf "durchschnittlich" einigen... laughing

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

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MobyDick : : Moviejones-Fan
27.08.2018 16:41 Uhr
1
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Silencio:

Passt!

Auch der Vergleich Steiger mit Wallach ist komplett passend, ich würde sogar soweit gehen zu bhaupten, dass sogar der Vergleich mit Gian Maria Volonte passen würde. Aber das Problem hierbei ist auch, dass das Skript einfach nicht die Klasse eines Zwei Glorreiche Halunken hat und daher Steiger einfach nur verlieren kann. Selbst wenn man den Charakter mit Jason Robards vergleicht, der vom Archetypus her ähnlich gelagert ist, kann Steiger hier nur verlieren, da er einfach nur geschwätzig rüber kommt. Wie du schon sagtest: Sehr sehr unglückliche Rolle

Dünyayi Kurtaran Adam
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Silencio : : Moviejones-Fan
27.08.2018 17:07 Uhr
0
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

Volle Zustimmung. Bei dem Wetter gibt es einen Hut. ;)

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

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MobyDick : : Moviejones-Fan
27.08.2018 17:24 Uhr
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Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Super, merci :-)

Dünyayi Kurtaran Adam
MJ-Pat
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ZSSnake : : Expendable
27.08.2018 17:36 Uhr
0
Dabei seit: 17.03.10 | Posts: 8.945 | Reviews: 184 | Hüte: 616

Ich hab mich, obwohl ich den Film schon lange hier liegen habe und die anderen beiden Teile der "Trilogie" sehr mag, noch immer noch rangetraut. 4 Stunden für die Langfassung sind halt auch sau viel Zeit. Davon mal abgesehen bin ich trotzdem großer Fan von Leone und hab durch die Review schon irgendwo Lust den mal zu sehen. Da fiel mir ein - seinen ersten aus den frühen 60ern, nen Monumentalfilm namens Der Koloss von Rhodos hab ich sogar mal reviewt, genau wie meinen absoluten Liebling - Once upon a Time in the West

Trotzdem muss ich echt irgendwann mal den Amerika-Film schauen...

"You will give the people of Earth an ideal to strive towards. They will race behind you, they will stumble, they will fall. But in time, they will join you in the sun, Kal. In time, you will help them accomplish wonders." (Jor El, Man of Steel)
MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
27.08.2018 17:52 Uhr
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Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.379 | Reviews: 180 | Hüte: 634

@MobyDick und Silencio

Was wäre, wenn ich schreibe, dass "Es war einmal in America" meiner Einschätzung nach zwar gute Vorarbeit geleistet hat, ich Werke wie "Der Pate I & II", "Goodfellas" und "Pulp Fiction" dann aber doch für die qualitativ und inhaltlich hochwertigeren Beiträge zum Mafia- und Gangstergenre halte?^^

Einmal anschauen hat mir gereicht, ein weiteres Mal muss ich mich nicht durch OUATIA quälen. Dafür bietet mir der Film zu wenig und vor Allem zu wenig Inhalt für eine Laufzeit von 4 Stunden.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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MobyDick : : Moviejones-Fan
27.08.2018 17:58 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

luhp:

Das ist dein gutes Recht. Vor allem beim Paten 1 und 2 kann und will ich dir nicht widersprechen (auch wenn die auch ewig lange dauern), aber wenn du dann auch noch mit Pulp Fiction ankommst und ernsthaft behauptest, sie wären im gleichen Genre angesiedelt, frag ich mich, ob das Ironie sein soll?

Das Gangster-Genre bietet so viele Untergenres, dass du nicht jeden Gangster-Film gleich setzen kannst. Auch Scarface ist so ein Beispiel, oder Blood in Blood Out, oder der Sizilianer, oder oder oder.

Heat ist auch Klasse, aber es ist was völlig anderes.

Und wer mein Review komplett gelesen hat, wird auch sehen, dass ich vor allem der Meinung bzgl Dem Paten komplett offen bin. Mir persönlich gefällt Amerika halt besser, aber das ist Geschmacks- und Gewichtungssache.

Dünyayi Kurtaran Adam
MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
27.08.2018 18:03 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.379 | Reviews: 180 | Hüte: 634

Wer Detaillierteres zu MobyDicks Exkurs über Sergio Leones Frauenverachtung in "Es war einmal in Amerika" lesen möchte:

http://www.filmzentrale.com/rezis/eswareinmalinamerikaat.htm

(Entspricht nicht meiner Meinung zum Film.)

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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Silencio : : Moviejones-Fan
27.08.2018 19:24 Uhr
3
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

luhp:

"Pulp Fiction" halte ich, wie Moby, für einen schlechten Richtwert, weil die Filme wirklich wenig gemein haben. Ich halte beide für Genredekonstruktionen, aber da enden die Gemeinsamkeiten schon.

Zum Link:

"Diese unterschwellige, nie wirklich gebrochene Nachvollziehbarkeit des Motivs aber macht die Szene zu einer der unhaltbarsten der ganzen Filmgeschichte. Die lange gefilmte Ausführlichkeit von Gewaltanwendung und Gewalterleidung tendiert deshalb in die falsche Richtung, weil das Motiv des Mannes zu klar, die Motivation der Frau aber unverständlich und unhaltbar bleibt, weil die subjektive Perspektive des Mannes dadurch im Vordergrund steht: Sie hat es nicht anders verdient."

Erstmal: Noodles Sexismus ist nicht Leones Sexismus. Das sollten wir klar trennen. Dann ist das aber auch noch zu kurz gegriffen argumentiert: Gerade weil die Motivation so offen zur Schau gestellt wird und Leone die Tat trotzdem verachtet, kann man die Szene auch als "Vergewaltigung ist nie okay" lesen - egal, was der Mann sich da als Rechtfertigung hinbastelt. Noodles ist ein typischer Verlierer, wie im Film Noir, den wir nachvollziehen können, mit dem wir uns aber am Ende nicht identifizieren sollen. Da traut der Reviewer dem Zuschauer vielleicht ein bisschen zu wenig zu...

"Für Leone ist der sexuelle Akt zwischen Mann und Frau männliche Gewaltausübung, untrennbar von Angst und Unterdrückung auf der weiblichen, Aggression und Macht auf der männlichen Seite. Das Schlimme dabei: die Frauen in seinen Filmen sehen das genauso und finden das meistens okay."

Das ist schlichtweg falsch. Außer der Juweliersdame gibt es bei Leone keine Frau, die Gewaltanwendung ihr gegenüber "okay" finden würde - zumindest fiele mir keine ein.

"Wer z.B. eine Frauenfigur (wie Claudia Cardinale in „Spiel mir das Lied vom Tod“) den Text "Sie können mich über den Tisch werfen und Ihre Männer auch noch reinholen und mich vergewaltigen lassen, daran ist noch keine Frau gestorben." sagen lässt, macht sich deshalb strafbar, weil er mindestens in Kauf nimmt, dass Männer oder Halbwüchsige, die gerne mal als „cool“ geltende Italo-Western oder „Es war einmal in Amerika“ sehen, solche fatalen Verharmlosungen ungeprüft glauben könnten. Interessant wäre wirklich, einmal zu erfahren, wie viele spätere Vergewaltiger durch Leone-Filme in ihrem Frauenbild zumindest bestätigt, wenn nicht sogar geprägt worden sind. "

Case in Point: Cardinales Charakter nimmt Cheyenne damit jede Macht über sie. Sexuelle Aggressivität würde ihn als Würstchen enttarnen. Dass der noch das alte "Denkt denn keiner an die Kinder!" auspackt, das lassen wir mal unkommentiert.

" Auch in den Gangsterfilmen der schwarzen Serie gehörten zu den bösen Buben immer auch böse Mädchen, die aber mindestens ebenso schlau und vor allem ihnen gleichwertig waren."

Der Witz: die den Männern gleichwertigen Frauen wurden in den Noirs immer bestraft. Die durchtriebene Schlangenfrau, sprich die Femme Fatale, war im Gegensatz zu den Gangstercharakteren NIE der Sympathieträger, sondern einfach Lustobjekt, das Verdamnis nach sich zieht - und das für die Boshaftigkeit, genau so angetrieben zu sein, wie der Mann, bestraft gehörte. Deswegen ist Leones Film auch dekonstruktiv: er enttarnt Noodles Bild von Deborah als genau das - nicht mehr als ein Bild, das der echten Frau eben nicht gerecht werden kann.

"Deshalb ist der Film, der rauschend im Gewand eines elegischen Epos und als Hommage an das Kino daher kommt, doch bestenfalls das letzte Aufbäumen, ein selbstmitleidiger Abgesang eines erzkonservativen italienischen Patriarchen in einer angeblich von Frauen dominierten Moderne, und darin stilistisch zwangsläufig plattitüdenhafte, kitschige und blutrünstige Kolportage, ein aufgeblähter Groschenroman - wozu wir, nicht grundlos, auch „Pulp Fiction“ sagen können. "

Leone als "erzkonservativen Patriarchen" zu bezeichnen, ist übrigens so weit von der Wahrheit entfernt, dass man dem Autoren glatt Unwissen vorwerfen muss. Leone ist ein alter Linker gewesen, der unter der Knute des Faschismus aufgewachsen ist. Der Autor würde wahrscheinlich auch Verhoeven Verherrlichung der Nazis vorwerfen, nachdem er "Starship Troopers" gesehen hat...

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

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MobyDick : : Moviejones-Fan
28.08.2018 10:19 Uhr | Editiert am 28.08.2018 - 10:23 Uhr
2
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Silencio:

Erstmal Hut, dass du dir so lange und ausufernd die Zeit für genommen hast. Ich habe mir das Teil durchgelesen, habe ihm anfangs sogar etwas beigepflichtet, aber der ist ja immer stärker und radikaler in seiner Wahrnehmung und Argumentation geworden, so dass ich eigentlich zu dem Schluss gekommen war, dass da eigentlich nicht mehr viel zu erwidern ist. Aber da du dir ja auch die Mühe gemacht hast:

Der Mann hat den kompletten Film nur aus der sexuellen Perspektive wahrgenommen, alle anderen Aspekte mal schön ausgeblendet, und dabei sich so sehr auf den einen Standpunkt versteift (tolles Wortspiel, höhö), dass er quasi Scheuklappen aufhatte.

Wie ich es ja auch schon schrieb, Leone nimmt seine Frauenfiguren schon seit jeher als Figuren, die von den eigentlich erbärmlichen Schurken auf den ersten Blick zwar zu Opfern gemacht werden, aber eigentlich auf ein Podest erhoben werden, weil sie selbst zu schwach sind, es selbst zu sehen. Entweder tun sie den Frauen, die sie begehren, Gewalt an, oder sie rotten sich im wahrsten Sinne des Wortes zusammen, weil sie alleine zu schwach für die Frauen sind. Und dennoch gelingt es diesen Frauen ihre Würde zu bewahren und er gibt den Mann der Lächerlichkeit preis. Auch wenn es vielleicht als Frauenfeindlich auf den ersten Blick wirken mag, so ist es wahrscheinlich eher ein realistischeres Abbild als im wilden Westen plötzlich eine Mutter sich mit Gian Maria Volonte, Lee van Cleef oder sogar mit Clint Eastwood anlegen zu lassen.

Dies fängt schon in für eine Handvoll Dollar an, wo Marianne Koch quasi als zur Madonna erhobene Geisel für Gian Maria Volonte herhalten muss, und selbst Clint Eastwoods Figur hegt zarte Empfindungen für diese unnahbare Frau, die selbst er auf ein Podest erhebt, und die dadurch zu seiner einzigen offensichtlichen Schwäche wird.

In Für ein paar Dollar mehr geht Leone sogar noch weiter: Volonte, der extrem schleimig präsentiert wird, vergewaltigt die Schwester von van Cleefs Charakter, diese bringt sich selbst daraufhin direkt noch im Bett um, woraufhin Volontes Charakter eine komplette Traumatisierung erfährt und den Rest des Films mit einem Knacks im Kopf herumläuft. Hier ist die Frau zwar nur der Katalysator, aber Leone macht auch hier keinen Hehl daraus, dass Volontes Charakter eigentlich ein wildgewordenes Tier ist, gerade auch wegen seiner Tat gegenüber der Frau, und es gibt keinerlei Anzeichen für eine gewisse Sympathie für diese Figur.

In Zwei Glorreiche Halunken geht er deutlich subtiler mit dem Thema um, wohl auch um den Film nicht noch weiter zu überfrachten: Hier wird eine Hure von einer Horde Männer nach verrichteter Arbeit abgeladen, woraufhin die Hure die gesichtslosen Männer wüst beschimpft: Die schwachen Männer fühlen sich in ihrer Gruppe gegenüber der "schwachen " Frau sicher und trauen sich daher auch nur in der Gruppe an sie heran.

Spiel mir das Lied vom Tod: Im Grunde genommen hat Silencio hier schon genug zu gesagt, aber nur als weitere Ausführung: Fondas Charakter vergeht sich an Cardinale, was diese durchaus souverän über sich ergehen läßt. Diese Szenen sind vor allem dadurch gekennzeichnet, dass Fonda sehr unbeholfen und irgendwie unsicher an sie rangeht, was beim ersten Bemerken durchaus auf Henry Fondas hohes Alter und gentlemanlike Schauspiel zurück führbar wäre, aber bei genauerer Betrachtung haben wir immer wieder die Momente, die offen legen, dass Fondas Filmcharakter ein Schwächling ist, der sich zu sehr auf seine Männer verläßt, der aus der Zeit gefallen ist, der Angst hat, dass seine Zeit um ist, der sich verzweifelt an alles klammert, was ihm Prestige bringen könnte, so auch an die Frau, die sich nicht unterkriegen läßt. Und auch hier, selbst Cheyenne ist in Cardinales Nähe ein Schwächling. Der einzige, der Stärke zeigen kann, ist der asexuelle Mundharmonika. Besonders hier wird deutlich, dass Leone den Mann an sich als kompletten Schwächling ansieht.

Nur kurz noch Es war Einmal in Amerika: Wir sollten hier nicht der Idee verfallen, dass nur weil es alles aus Noodles Sicht präsentiert wird, dass Noodles der Held der Geschichte wäre, im Gegenteil, Noodles ist ein klassischer Vorreiter solcher mittlerweile etablierter Antihelden wie Tony Soprano oder Walt White. Er ist der eigentliche Schurke des Films: Er verrät seine Freunde, er vergewaltigt seine große Liebe, und da alles aus seiner Sicht erzählt wird, macht er uns weis, dass Max der wahre Schurke ist. Naja, eigentlich sind beides auf ihre Weisen die Schurken aber das ändert nicht viel daran, dass Noodles kein Sympathieträger ist, und die vielbesprochene Vergewaltigung hat auch nie den Anschein, dass Leone das Gefühl hätte, jetzt bekommt die Frau endlich das was sie verdient.

Das ist kompletter Quatsch.

Wenn Leone EIN Geschlecht verachtet - und das tut er definitiv auch nicht, er erzählt lediglich seine unterschwelligen Neben-Geschichten teilweise recht subtil - dann ist es der Mann.

Dünyayi Kurtaran Adam
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Silencio : : Moviejones-Fan
28.08.2018 10:40 Uhr
0
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

Moby:

Danke für den Hut.

An "Für ein paar Dollar mehr" habe ich auch noch denken müssen, als ich zu dem "sie finden es meist okay" kam, hab das aber glatt in meiner Antwort vergessen.

Man könnte Leone gerne dafür kritisieren, dass Frauen bei ihm in die Heilige/Hure-Einteilung gesteckt werden (ich würde dann aber wieder auf Cardinale zeigen und sagen, dass das für ihn keinen UNterschied macht - auf positive Art und Weise) und, das wäre mMn legitim, Frauen bei ihm selten echte Charaktere sind, sondern nur Plot Devices. Marianne Koch in "Für eine Handvoll Dollar" fällt mir da, genau wie Van Cleefs Schwester, ein. Das sind ja keine wirklichen Figuren. Insofern kann man die Vergewaltigung als Element der Geschichte durchaus kritisieren, weil die Frau nicht zu Wort kommt und die Vergewaltigung nur dem Mann als Motivation für seine Taten dient (sprich: Rache). Dann muss man aber auch bedenken, zu welcher Zeit der Leone seine Filme gemacht hat und die gesellschaftliche Debatte zum Thema noch auf einer anderen Ebene stattfand - und Leone eben ein männliches, eher ländliches Publikum vor Augen hatte.

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

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MobyDick : : Moviejones-Fan
28.08.2018 11:16 Uhr
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Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

ZSSnake

Schau dir den Film unbedingt an, wie gesagt er ist ewig lang, und teilweise lang gezogen, aber die Extended Fassung der Patenfilme (die TV Serien Fassung) sind auch lang, ja selbst die Paten in der Kinofassung sind lang, trotzdem kommt kein Cineast an ihnen vorbei. So auch hier.

Habe mir mal deine beiden Links angeschaut, den Koloss würde ich qualitativ etwas schlechter einwerten als du mit 6 Punkten, Spiel mir das Lied vom Tod seh ich ähnlich, wobei ich dem Film durchaus etwas krtischer gegenüber stehe als du.

Dünyayi Kurtaran Adam
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