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Kritik: The Man in the High Castle von luhp92

luhp92 | 18.06.2019

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7 Kommentare
MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
20.06.2019 23:47 Uhr | Editiert am 20.06.2019 - 23:53 Uhr
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Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.395 | Reviews: 180 | Hüte: 635

Staffel 3 - Episode 3

Wie es der Zufall will, habe ich heute mittag im GeoEpoche-Magazin "Der Traum vom Fliegen" das Kapitel über den ersten bemannten Flug ins All durch die UdSSR gelesen.

In diesem Kapitel geht es u.A. darum, wie die UdSSR ihr Raumfahrtprogramm im Einklang mit dem Kommunismus unter die Fahne der säkulären Religion des Kosmismus gestellt haben. Eine religiöse Auffassung, nach der der Mensch im Weltall als Neuer Mensch bzw. Übermensch wiedergeboren wird. Der Pilot-Kosmonaut Jurij Gagarin wird zu Propagandazwecken zu eben diesem Neuen Menschen idealisiert, entwickelt sich nach dem Weltraumflug zum Messias für diese Religion und wird als Wunschkind des gesamten Volkes vergöttert. Anfangs die Vorzüge genießend und zum Wohle seiner westrussischen Heimatregion nutzend, leidet er irgendwann unter der Idealisierung bzw. Vergötterung und geht schließlich daran zugrunde.

Nach seinem Flug ins All warnte Gagarin bereits selbst: "Man darf einen Menschen nicht so idealisieren, man muss ihn so nehmen, wie er ist." Auch sein Vater meinte dazu: "Vorher haben sie einen Hund ins All geschickt, warum machen sie jetzt ausgerechnet ihn zum Helden? Er ist ein ganz normaler Kerl, wie jeder."


Gleiches geschieht nun genau in der dritten Staffel von "The Man in the High Castle" mit Thomas Smith, dem Sohn der US-Nazi-Familie Smith. Er opferte sich für das Fortbestehen und den Glauben an den NS-arischen Übermenschen und wird dafür von der NS-Propagandamaschinierie als idealisierter Held inszeniert. Nicole Dörmer, die sich als zukunfstorientierte Leni Riefenstahl einer neuen, jungen NS-Generation versteht, dreht sogar einen Film über Thomas und seinen Vater John Smith, der sowohl in Deutschland als auch in den NS-USA gefeiert wird.

John und Helen Smith befinden sich derweil noch tief in der Trauer um ihren toten Sohn und sehen sich nun mit der Propaganda konfrontiert, die ihren normalen Sohn zu einem Volkshelden idealisiert. Sein Gesicht sehen sie überall. In ihrer Ehe kriselt es deswegen und ihre Töchter werden angefeindet, Helen nimmt Therapiestunden bei einem Psychotherapeuten und erträgt die Siuation nur mit Hilfe von Alkohol und Pillen. Nach außen hin müssen sie als Teil der NS-Politikelite allerdings der Linie der Propaganda folgen, um ihren Ruf zu wahren, was insbesondere Helen aufgrund ihres alkoholisierten Zustandes schwerfällt.

Dies macht John Smith wiederum anfällig für Feinde und Machtkonkurrenten innerhalb der NS-Elite, hier in Form und NS-US-Reichsmarschall George Lincoln Rockwell und NS-FBI-Direktor J. Edgar Hoover.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
21.06.2019 03:23 Uhr
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Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.395 | Reviews: 180 | Hüte: 635

Staffel 3 - Episode 3 & 4

Diese Episoden standen für mich insbesondere im Zeichen der neuentdeckten Liebe.

Bereits früheren Episoden der Serie und sepziell in Episode 3 der Staffel 3 (was ich unten nicht erwähnte) wurden zwei heteroseuxelle und zwei homosexuelle Beziehungen angedeutet.

Erstens eine schwule Beziehung zwischen dem US-amerikanischen Ed und dem Mexikaner/Latino Jack aus der Neutral Zone (Rocky Mountain States), was in den beiden faschistischen Reichen natürlich nicht erlaubt ist. In Episode 4 steht sich Ed schließlich seine Gefühle ein und überwindet seine Angst vor Repression.

Zweitens eine lesbische Beziehung zwischen der populären NS-Journalistin Thelma Harris und der NS-Filmregisseurin Nicole Dörmer. Die Journalistin scheint generell bisexuell zu sein, was bei den Nazis interessanterweise teils geduldet wird. Ich habe mich gerade mal etwas angelesen, Lesben wurden während der NS-Zeit in der Tat weniger (hart) verfolgt und bestraft als Schwule. Jedenfalls knistert es zwischen den beiden Frauen von der ersten Sekunde an, die erotische Spannung ist förmlich spürbar, was Episode 4 dann weiterführt.

Drittens die aufkeimende Liebe zwischen dem Witwer Nobusuke Tagomi und der Ryūkyū-Hawaiianerin Tamiko Watanabe. Tagomi gilt eigentlich als stolzer Japaner, der viel Wert auf die Identität mit dem eigenen Volk legt, so fährt er seinem Sohn in der alternativen Realität wütend über den Mund, als dieser meint, er identifiziere sich selbst mit den USA, auch wenn er in Japan geboren wurde. Analog wendet sich Tagomi zunächst von Tamiko Watanab ab, sie ist eben keine "echte" Japanerin, letztendlich überwindet er allerdings seinen Stolz und trifft sich mit ihr am Strand oder zum Essen.

Viertens das Hingezogen Fühlen Chief Inspector Takeshi Kidos zu dieser US-amerischen Dame der Yakuza (?). Wie Tagomi legt Kido als gebürtiger Japaner viel Wert auf seine Herkunft, sieht seine Familie wegen seiner Arbeit in den japanischen USA jedoch kaum noch und wird mehr und mehr vom US-Amerikanischen beeinflusst. Zum Einen merkt ein japanischer General an, Kido würde mittlerweile Japanisch mit US-amerikanischem Akzent sprechen, zum Anderen weckt oben genannte Dame seine Gefühle und Wünsche nach Zuneigung, Zärtlicheit und Zweisamkeit, die ihm in seinem isolierten, harten, brutalen und stressigen Job abseits der Familie verwehrt bleiben. In Episode 4 gibt er dieser Sehnsucht endlich nach.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
03.07.2019 00:41 Uhr
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Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.395 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@MobyDick

Jetzt bin ich auch mit Staffel 3 durch. Etwas schwächer, aber auf einem ähnlichen Niveau wie Staffel 2, Episode 9 hat mich schon etwas "ge-game-of-throned".

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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MobyDick : : Moviejones-Fan
03.07.2019 09:34 Uhr
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Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

luhp:

Ja, das kann man so sehen, ich habe es eher so gesehen, dass sie die unbequemen Hauptfiguren einfach dem typischen uramerikanischen "Ernest Hemmingway" (Wem die Stunde schlägt)-style Hallodrie Protagonisten opfern, ist ja schließlich auch einfacher für das Publikum sich mit einem Helden zu identifizieren. Auch die tatsache, dass Frank zurück gebracht wird, nur um zu sterben, fand ich ehrlich gesagt ziemlich billig, auch wenn es angeblich seinen Charakter-Arc befriediegend abgeschlossen hat. Nee, ich war hier masslos enttäuscht, auch von den ziemlich dümmlichen Allmachtsphantasien, die ja nun wirklich in B-Movie-Territorium gehen, und recht wenig mit der Allegorie der bisherigen Serie gemein haben. Hinzu kommt, dass sie auch anscheinend recht wenig mit John Smith anzufangen wussten, der Kerl hat ja gefühlt ganze Episoden apathisch in seinem Privatkino verbracht.

Ich freue mich, dass die die Staffel gefallen hat, aber mir hat sie im Grunde kaum gefallen, jetzt da das Ende ja feststeht, ziehe ich das Ding natürlich auch durch, aber erwarten tu ich eine typische Network-Auflösung, die immer weniger so ambivalent sein wird wie es die erste und zweite Staffel noch waren.

Dünyayi Kurtaran Adam
MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
03.07.2019 12:12 Uhr | Editiert am 03.07.2019 - 12:13 Uhr
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Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.395 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@MobyDick

Schade, dass dir Staffel 3 weniger gefallen hat.

Zu: "Wem die Stunde schlägt": Meinst du da Wyatt Price oder jemand anderen?

Zu Frank Frink: Diesen ganzen "Frank ist tot"-Subplot fand ich auch billig bzw. schwach geschrieben. Das erinnerte mich an die scheinbare Sterbeszene von Glenn in "The Walking Dead - Staffel 6", als man ihn bewusst mit dem Holzhammer totgeschrieben hat, auch bei Frank dürften das wohl die wenigsten geglaubt haben. Erst recht, da Chief Inspector Kido den Bombenanschlag überlebte - wenn er, dann auch Frank.

Zu den Allmachtsphantasien: Das radikale Auslöschen der US-amerikanischen Kultur und Geschichte durch "Jahr Null", vor Allem mit der Zerstörung der Freiheitsstatue als Höhepunkt, empfand ich schon als sehr erschreckend. "Die Nebenwelt" mit der Tunnel-Quanten-Transfermaschine störte mich zwar nicht, zählt aber schon zu den uninteressanteren Handlungssträngen. Nötig wäre das auf jeden Fall nicht gewesen. Die Serie hat dem vorerst aber ja ohnehin einen Riegel vorgeschoben, da nur die Menschen transferieren können, die in der Parallelwelt bereits tot sind.
B-Movie-Territorium betritt hier insbesondere Kenneth Tigar, der seinen Heinrich Himmler schon sehr übertrieben anlegt. Mir kommt es so vor, als habe er sich da stark von Bruno Ganz in "Der Untergang" inspirieren lassen, ohne aber dessen Authentizität rüberbringen zu können.

Zu John Smith: In der ersten Hälfte der Staffel stand er schon im Vordergrund, wenn man die Folgen von Thomas Tod und den Machtkampf mit Rockwell und Hoover bedenkt. In der zweiten Staffel tritt er mehr in den Hintergrund, wobei ich das eher als vulkanisches Brodeln und Zweifeln an der NS-Ideologie interpretiere. Ich vermute, dass dies als Vorbereitung dafür dient, dass Smith in der finalen Staffel 4 erneut die Seiten wechseln wird und das NS-Reich zum Einsturz bringen möchte.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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MobyDick : : Moviejones-Fan
03.07.2019 13:15 Uhr
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Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

luhp:

1. Ja genau, Wyatt Price. Nichts gegen die Figur, man kann sie gerne einführen, aber dafür wird dieser bisherige Blondschopf geopfert. Und selbst Frank ist als Figur deutlich ambivalenter.

2. Frank sehen wir ja ähnlich

3. a)Freiheitsstatue: Genau das meine ich ja, dass hier alles viel platter dargestellt wird. In Staffel 1 wurde alles so beiläufig erzählt, dass einem das Mark gefrieren konnte, hier wird eine Staffel lang vorbereitet, wie US-amerikanische Werte zerstört werden sollen. Das ist durchaus sehr beliebeig, billig, und hat einfach nur den niedrigsten gemeinsamen Nenner gemein anstatt intelligente Kost zu sein. Es ist ja prinzipiell davon schon im Vorfeld auszugehen gewesen, das solche Aktivitäten stattfinden würden/könnten.

b) Himmlers Phantasien: Auch wenn dem möglicherweise der Riegel vorgeschoben scheint, hatte ich das Gefühl, dass Himmler sich davon nicht abhalten lassen wolle und dass dieser Plot immer wichtiger werden wird.

4. Smith: Ja, davon ist auszugehen, aber das kann man auch weniger monoton rüberbringen.

Für mich hat sich Amazon zu stark in die Produktion eingemischt, die fähigen Showrunner durch Ja-Sager ersetzt und nun den Salat. Die Serie, welche potentiell was ganz Großes hätte werden können, wird dadurch vermutlich zu einer Randnotiz degradiert. Mal schauen, ob sie mit Staffel 4 vielleicht doch noch die Kurve kriegen, viel Hoffnung habe ich allerdings nicht

Dünyayi Kurtaran Adam
MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
04.07.2019 13:50 Uhr | Editiert am 04.07.2019 - 13:52 Uhr
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Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.395 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@MobyDick

1) An diesem blonden Widerstandskämpfer, der zu ähnlichen Methodiken wie die Faschisten greift und daher von Juliana erschossen wird, kann man sich natürlich mehr reiben als an Wyatt Price. Da gebe ich dir Recht.

3a) Dass "Jahr Null" im Vergleich zur vorherigen kulturellen Übernahme der USA durch die Nazis platter ausfällt, stimmt ebenfalls. Staffel 2 setzt das schon hintersinniger und subtiler um, siehe oben in meinem Review der vorletzte und vorvorletzte Absatz.

3b) Himmler wird weiterhin daran forschen lassen, das dürfte klar sein. Mal schauen, wohin das noch führen wird.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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