Bewertung: 2 / 5
Arthur Curry hat ein Problem: als Sohn eines Leuchtturmwärters und der atlantischen Königin Atlanna gehört er nirgendwo richtig dazu. Als sein Halbbruder, der aalglatte Orm, unter einem Vorwand die Welt der Menschen angreift, versucht die atlantische Prinzessin Mera den abweisenden Arthur zu überreden, mit ihr nach Atlantis zu reisen, damit dieser dort seinen rechtmäßigen Platz auf dem Thron einnimmt und den drohenden Krieg im Keim erstickt. Denn als Atlannas erstgeborener Sohn steht es eigentlich Arthur zu über Atlantis zu regieren. Doch in Atlantis angekommen, muss Arthur gegen seinen Bruder eine schreckliche Niederlage einstecken - dies zu allem Übel auch noch vor den Augen der atlantischen Bevölkerung, die ihn deshalb als ernsthaften Herrscher nicht mehr akzeptieren kann. Da kann nur noch der Dreizack des einstigen Königs Atlan helfen: dieses alte Artefakt gilt seit Ewigkeiten als verschollen und nur der wahre König von Atlantis vermag es, dieses wiederzubeschaffen. Arthur und Mera begeben sich auf ein weltumspannendes Abenteuer, um den drohenden Krieg zwischen Menschheit und Atlantis zu verhindern...
Manchmal will ein Film alles sein: Fortsetzung und Franchiseneuausrichtung, Throwback und moderner Superheldenfilm, Starvehikel und getreue Verfilmung, dramatisch und komödiantisch, die Liste ließe sich noch wesentlich weiter ausführen. Manchmal erschafft man so einen ambitionierten Film. Manchmal dreht man aber auch „Aquaman“. James Wans neuester Film ist ein Wust an disparaten Teilen, die nie ganz ineinandergreifen wollen, der allenfalls von Moment zu Moment, aber nie übergreifend, funktionieren mag. Zu sehr verschuldet man sich dem Augenblick, ohne die Rechnung mit der gesamten Laufzeit begleichen zu können. Exemplarisch hierfür dürfte die erste Sequenz mit dem erwachsenen Arthur Curry sein.
Trailer zu Aquaman
Nach einem Prolog, der uns die verbotene und tragische Liebe zwischen Arthurs Eltern und nach einem kurzen Zeitsprung Arthurs Einsamkeit in der Menschenwelt zeigt, befinden wir uns auf einem russichen U-Boot, das gerade von Piraten überfallen wird. Rettung für die Besatzung kommt in Form von Arthur, der mit purer Kraft das Boot an die Wasseroberfläche hieft und die Piraten anschließend vermöbelt. Was in der Theorie eine gute Sequenz sein könnte, wirkt allerdings durch wilde tonale Schwankungen äußerst ungeschickt. Denn einerseits will Wan uns mit Momoas Körperlichkeit beeindrucken und uns einladen, uns auf ihn zu projizieren, andererseits will er auch ernsthaftes Drama und moralische Ambivalenz in der Erschaffung des Bösewichts Black Manta finden. Nun stapft Momoa in bester Schwarzenegger-Manier durch das U-Boot, Wan ist sich später nicht zu schade „Phantom Kommando“ zu zitieren, während Mantas Vater ihm, also Manta, in einem der ersten Anfälle von gestelzter Exposition erzählt, warum die Männer in Mantas Familie Piraten sind – was eng mit der schlechten Behandlung afroamerikanischer Veteranen nach dem Zweiten Weltkrieg verknüpft ist. Spätestens, wenn Arthur Mantas Vater dann mit einem zynischen Spruch im sinkenden U-Boot zurücklässt (er kann sich jedoch glücklicherweise selbst vor dem Ertrinken retten - indem er sich in die Luft jagt), darf man fragen, was für einen Typen der Film einem eigentlich als Helden verkaufen will. Natürlich sind beide Elemente für sich genommen nicht von Grund auf schlecht, in ihrer gemeinsamen Präsentation so dicht beieinander sind sie jedoch nicht nur äußerst fragwürdig, sie passen schlicht und ergreifend nicht zusammen. Wunscherfüllung oder ernsthaftes Drama, eins von beidem, Herr Wan!
Überhaupt dürfte „Aquaman“ eines der faulsten Drehbücher der letzten Jahre haben. Konflikte werden mit breitem Pinsel gezeichnet, die Charaktere werfen sich Expositionsdialoge um die Ohren, dass es nur so kracht und Dinge geschehen, weil sie in dieser Art Film nunmal geschehen müssen, ernsthaft dramatisiert werden sie aber nicht. Beispielhaft dafür können sowohl der Bösewicht Orm als auch die Liebesbeziehung zu Mera stehen. Orm hat eine vage ökologische Motivation, die er mit zwei Dialogzeilen mal eben mitteilt („Sie vergiften unsere Kinder!“), deren Grundlage wir aber nicht sehen. Der Film verstößt damit gegen einen der wichtigsten filmischen Grundsätze, nämlich Show, dont tell, und vertraut stattdessen darauf, dass dem Zuschauer das eigene wissen über Umweltverschmutzung ausreicht, um Orms Motivation selbst auszufüllen. Das kann allerdings nur bedingt funktionieren, weil der hinterlistige Orm, dem der Film hinterher übrigens eine Variation von „Heute gehört uns Atlantis, morgen die ganze Welt“ in den Mund legt, bereits anfangs beim Königstreffen einen Vorwand kreiert, um die Oberwelt mit Hilfe von Meras Vater angreifen zu können. Wir sollen ihm an dieser Stelle jedoch glauben, eine weitere Motivation gibt uns der Film nämlich nicht an die Hand, können es leider nicht, gerade weil das Drehbuch sich bemüht, ihm immer wieder Lügen in den Mund zu legen. So bleibt Orms Charakter diffus, ein kaum greifbarer Antagonist, der nicht mehr als ein bloßer Stolperstein auf Arthurs Weg zu seinem Schicksal ist. Wie wenig der Film sich mit Orm Mühe gibt, sieht man übrigens an seinem ersten Kampf mit Arthur, vor dem uns die Charaktere alle versuchen einzureden, dass Arthur diese Auseinandersetzung unmöglich gewinnen könnte, denn immerhin sei Orm ein ausgebildeter Krieger, der unter Wasser vollkommen in seinem Element ist. Als die Keilerei dann beginnt, sind beide ausgeglichene Kämpfer, Wan traut sich nie, seinen Helden ernsthaft unterlegen zu zeigen. Einzig Orms stärkerer Dreizack vermag es, den Kampf für diesen zu entscheiden. Was Doktor Freud wohl dazu gesagt hätte...
Auf der anderen Seite steht dann Mera, die natürlich in einem halbgaren Liebesdreieck zwischen Orm und Arthur steht (und die damit den Konflikt um die Mutter der beiden spiegelt, wo wir dann wieder bei Siggi Freud wären...), ohne mit einem der beiden auch nur irgendwie Chemie zu haben. Klar, mit Orm muss sie das nicht, ist sie ihm doch, wie es bereits Atlanna bei Orms Vater war, in einer arrangierten Ehe versprochen, auf die sie eigentlich wenig Lust hat, aber zumindest mit Arthur sollte sie irgendwas verbinden, das über „Dieser Film braucht einen B-Plot“ hinausgeht. Stattdessen halten beide mal kurz Händchen, schauen sich ein bisschen hohl in die Augen und schon enden wir bei einem der unverdientesten Filmküsse der letzten Jahre. Was die beiden letztendlich zusammenführt, da kann der mitdenkende Zuschauer nur raten. Abseits von ihrer Beziehung zu Arthur hat sie dannd doch einen kleinen Alibi-Charakterbogen, den der Film innerhalb weniger Minuten abfrühstückt. Anscheinend kann man nämlich über Jahrzehnte internalisierte Verachtung gegenüber der Menschheit mit zwei Unterhaltungen und dem Besuch eines sizilianischen Marktes überwinden. Dass der Film sich dabei noch an dämlichstem fish out of water-Humor versucht, ignorieren wir hier mal besser. Auf der anderen Seite muss man sich natürlich fragen, was man von einem Film erwarten soll, der Szenen regelmäßig mit einem lauten Knall unterbricht, weil er außer „auf die Fresse“ keine anderen Konflikte kennt, die er interessant verpacken könnte.
Wie inkonsequent das Drehbuch ist, merken wir aber vor allem an Arthur selbst, der zwischen leicht vertrotteltem Machocharme und kompetentem Helden gefangen ist. Mal werfen ihn ein paar Maschinengewehrkugeln durch ein U-Boot, dann lassen sie ihn mal völlig kalt, ganz wie das Drehbuch es braucht. Diese zynische Sorglosigkeit, die Filmemacher werden sich gedacht haben, dass das schon keinem auffallen werde, zieht sich durch den gesamten Film. Später gibt Arthur mal zu, gar nicht gewusst zu haben, dass „Pinocchio“ ein Buch sei, er habe schließlich nur den Film gesehen (weiß Mera überhaupt, was ein Film ist?), kann dann aber hinterher natürlich römische Herrscher und Feldherren anhand von Statuen zuordnen. Alles ist recht, um die eh schon dünne Plotte künstlich nach vorne zu hieven.
Handwerklich ist das alles meist ganz ordentlich, auch wenn der Green Screen-Einsatz in einigen Szenen mehr als offensichtlich ist. Gerade die Szenen in der Wüste und in Sizilien werfen die Frage auf, ob die Darsteller überhaupt gleichzeitig am Set waren – oder ob es überhaupt ein Set gab. Hinzukommen Wans Kamera und Montage, die kaum einen Moment der Ruhe zulassen. Da wird alle paar Sekunden zwischen Darstellern hin- und hergeschnitten, die Kamera gleitet meist selbst in Momenten, in denen eigentlich Ruhe herrschen sollte. Denn der Zuschauer soll sich ja bloß nicht langweilen, alles muss auf maximale visuelle Wirkung ausgelegt sein. Immerhin besteht ja das ernsthafte Risiko das Publikum ans Smart Phone zu verlieren...
Man mag „Aquaman“ nach „Batman v. Superman“ vielleicht für einen Schritt in die richtige Richtung halten, aber das macht ihn nicht automatisch zu einem guten Film. Dafür braucht man bei WB anscheinend Patty Jenkins...