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Mank

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Userkritik von Nothing-is-Written

Mank Kritik

Mank Kritik
23 Kommentare - 01.02.2021 von Nothing-is-Written
In dieser Userkritik verrät euch Nothing-is-Written, wie gut "Mank" ist.
Mank

Bewertung: 2.5 / 5

Hollywood referiert über Hollywood. Anders ausgedrückt: Das Lieblingsthema der Traumfabrik schlechthin findet wieder einmal dankbaren Nährboden für eine Geschichte. Nach unzähligen Ausflügen in die Welt der Stars und des Glamours wagt sich fast unmittelbar nach Tarantinos Once Upon A Time in Hollywood nun mit David Fincher ein weiterer A-Lister in dieses selbstreflexive Metier vor. Für dieses Vorhaben hat er sich mit einem für ihn ganz besonderen Drehbuch bewaffnet…

Was lässt sich mit David Finchers filmhistorischen Deutungsversuch über einen der größten Juwelen der klassischen Hollywood-Ära sagen? In erster Linie muss betont werden, dass Mank wenig überraschend ein Exkurs über die klassische Zeit Hollywoods um 1930/1940 darstellt. Judy Garlands Rolle im Zauberer von Oz oder Scarlett O´Haras Mimenspiel in Vom Winde verweht sind dabei in etwa ebenso von Interesse, wie die selbstbewusste Inszenierung der Drehteams und Filmvorstände in exquisiten Kostümen bei schwerem Zigarrenrauch. Geschildert wird eine Geschichte über einen Kreativen, der sich mit reichlich Alkohol über seine Schreibblockaden hinwegtröstet und in grimmigen Erinnerungen an seinen Einstand und andere biografische Höhepunkte im Filmgeschäft zu schwelgen scheint. Das schnelllebige Alltagsgeschäft Hollywoods scheint ihn förmlich den Lebensdurst geraubt zu haben. Doch eine große Aufgabe wartet nun auf ihn: Youngstar und Lebemann Orson Welles drängt in das Filmbusiness und es bedarf eines guten, nein, eines herausragenden Konzeptes, mit dem er sich in die Herzen des zeitgenössischen Publikums und seiner scharfzüngigen Kritik spielt. Das Ringen mit der Zeit und den inneren Abgründen des Herman J. Mankiewicz beginnt…

Trailer zu Mank

Mit drehbuchartigen Verweisen auf die dargestellte Zeitperiode und das Setting werden so nacheinander Szenen inklusive Rückblenden komponiert, die den schwierigen Werdegang des Drehbuchautors Manks (Gary Oldman) mitsamt seines zugehörigen Arbeitsalltags reflektieren. Zweifellos stellt die versatzstückartige Handlungsstruktur einen durchaus interessanten Ausgangspunkt dar, um eine Geschichte über den Drehbuchautoren in Gang zu setzen. So zeigt sich darin jener erzählerischer Kniff, der bereits beim filmischen Vorbild Citizen Kane für Aufsehen sorgte. Durch Einbindung unterschiedlicher Quellen (etwa Freunde, Geliebte, Erzfeinde, Textquellen), die in der Handlung sondiert wurden, ließ sich ein filmisches Puzzle über einen fiktionalen Medienmogul entwerfen, das sich den Möglichkeiten des journalistischen Arbeitsumfeldes und dem Durst nach Wahrheit entzieht.

Als kinokanonisches Werk zählt Orson Welles Debutfilm Citizen Kane von 1941 für CineastInnen über kurz oder lang zum Pflichtprogramm. Wenigstens einmal, so sagt man, sollte man diesen Meilenstein der Filmgeschichte erlebt haben. Schaut man ihn dann mit heutigen Augen, ist die Enttäuschung zumeist endlos und das Unverständnis für die generalisierenden Jubelstürme scheint es ebenso zu sein. Zurecht lässt sich fragen: Wodurch lässt sich dieses Urteil legitimieren? Weshalb wird ausgerechnet dieser Film mit seiner zweifellos betagt anmutenden Ästhetik immer wieder als zeitlos gepriesen? Auf diese tiefschürfenden Fragen gibt es vielfältige Antworten, die durchaus auch in Mank Anklang finden…

Citizen Kane ist für den nach wie vor anhaltenden Trend der Biopics insofern wegweisend gewesen, als dass eine Figur skizziert wird, die je nach Perspektive gleichermaßen von heroischen Werten (Pathos, Erfindergeist) als auch abscheulichen Abgründen (Sucht nach Liebe und Anerkennung, Größenwahn) gekennzeichnet scheint. Vermehrt sind moderne Biopics im Gegensatz dazu vor allem eines: Imagefilme. Schaut man sich aktuelle filmische Biografien an, etwa über Steve Jobs (Danny Boyles Steve Jobs) oder die Hip-Hop-Formation N.W.A (Gary F. Grays Straight Outa Compton), dann fällt auf, dass man seine Koryphäen selten zu dekonstruieren versucht und sie stattdessen auf ein unerreichbares Podest stellt. Sämtliche menschliche Makel werden durch die Schilderung einer Erfolgsgeschichte beseitigt, um das Visionäre solcher Figuren nicht zu stark anzukratzen. All das geschieht unter der Maßgabe der auratischen Wirkung, die von solchen Figuren auszugehen scheint. Ein Blick hinter diese Fassade wird dadurch zusehends erschwert, weil die Biografien einzig auf die Erfolgsmomente hin ausgerichtet werden. Wenn es auch durchaus funktionabel und wirkungsvoll anmutet, ist das im Kern eigentlich eine feige und einfältige Art, sich mit historischen Figuren der Populärkultur zu befassen, versucht man doch die Möglichkeit einer kritischen Distanz zu nivellieren und das Publikum dadurch zu vereinnahmen. Die ungeschönte Herangehensweise muss man im Falle von Finchers Mank lobend hervorheben. Oldmans Interpretation des Mank gibt ein wenig schmeichelhaftes Bild von dieser Personalie ab und wirkt gerade deshalb lebensnäher.

Die brillierende Kollaboration aus dem von Oldman gespielten Mank und seiner Sekretärin Rita Alexander (Lily Collins) sowie filmische Funfacts ändern am banalen Eindruck ebenso wenig wie der im damaligen Zeitkolorit schwelende Soundtrack, die aufwendigen Kulissen sowie zugehörige Kamera- und Montagetechniken. Dieser Film hat nichts über das Meisterwerk Citizen Kane und seine Entstehungsumstände mitzuteilen, was über Anekdoten und Kalauer hinauskommt.

Bedingt durch das dröge Drehbuch kommt Oldmans anerkennungswürdiges Schauspiel als abgekämpfter Drehbuchautor Herman J. Mankiewicz zu keiner Zeit über den Status des verkannten Zynikers und Systemkritikers hinaus. Der Alkohol als gleichvoll gehaltvolle Metapher wie Triebfeder für das kreative Delirium sowie die schwierige Beziehung zu seinem ungleich erfolgreicheren, geleckten Bruder Joseph L. Mankiewicz (Tom Pelphrey) kokettieren mit dem Bild des genialen Schreibers in einer Art und Weise, die man trotz ihrer Raffinesse als gewollt umschreiben könnte. Natürlich dürfen einige wenige, aber umso lohnendere, Auftritte des großen Orson Welles nicht fehlen. Als geradezu unheimlich muss man hierbei Tom Burkes Nachahmung des Habitus mitsamt der typischen Bariton-Stimme des jungen Aufsteigers betiteln. Ob nun historisch akkurat oder nicht, sei dahingestellt. Wichtiger ist jedoch, dass aus diesem spannungsreichen Gefüge inklusive einer schier unmöglich zu bewältigenden Mammutaufgabe eines überzeugenden Drehbuchentwurfs keinerlei tiefere Ebene herausgekitzelt wird.

Die angesprochenen Reminiszenzen kann man in Mank dennoch mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen. Beispielsweise die imposante Kulisse bei dem politischen Tischgespräch in William Hearsts persönlichen Xanadu. So scheint diese doch exakt an den größenwahnsinnigen Einrichtungsstil von dessen vermeintlichen Filmdouble Charles Foster Kane angepasst.

In der Tat muten die Entstehungsgeschichte und die Drehumstände von Mank geradezu fantastisch, passender noch, theatralisch an. Die liebevolle Geschichte um den Sohn, der das Erbe des verstorbenen Vaters antritt und aus dem vorhandenen Drehbuch ein romantisierendes Loblied auf das Hollywood vergangener Tage anstimmt, übernimmt freilich ihr Übriges und erweist der Marketing-Abteilung von Netflix einen Bärendienst. Allerdings wird mit diesen exzellenten Voraussetzungen in Mank nichts ähnlich intellektuell Herausragendes vollzogen, das über bloße nostalgische Selbstversessenheit und handwerklich eindrucksvolles Schauspiel hinwegtäuscht.

Schwer wiegt die Last, dass man trotz umfangreichen filmhistorischen Wissens und ästhetischen Gespürs nicht imstande scheint, den damaligen Klassikern der Zunft neue Sinneindrücke abzuverlangen, geschweige denn an diese anzuschließen. Herausgekommen ist dabei ein schwelgerisches Werk in schwarz/weiß-Optik mit bedeutungsschwanger veredelter Rauschpatina. Effektvoll montierte Filmfehler inklusive. Natürlich wurde das Szenario nicht auf Originalfilmmaterial gebannt, sondern mit entsprechenden Filtern auf ursprünglich hochaufgelösten Digitalbildern. Laut Aussagen Finchers blieb von dem Film gerade einmal noch ein ¼ der ursprünglichen Bildqualität übrig. Das könnte man durchaus als törichte Augenwischerei bezeichnen.

Unerträglicher scheint bei alledem aber, dass dem Film jegliche Raffinesse fehlt, die Orson Welles Werk in all seiner prächtig ausgefeilten Manier so berühmtberüchtigt machte. Allen voran wäre die Theatralik, mitsamt ihrer reizvollen Gesprächseinstiege und deren sphärische Rückblenden in die Vergangenheit hervorzuheben. Ebenso wenig findet sich bei Mank auch nur der Hauch einer übergeordneten Idee, was mit der Tiefenschärfe und den dadurch entstehenden Bildebenen anzufangen sei. Welles war es mit derlei stilistischen Mitteln gelungen, die Bildsprache Hollywoods auf den Punkt zu bringen und gilt damit gleichzeitig als Zenit der klassischen Ära Hollywoods. Man muss diesen Film aus heutiger Sicht keinesfalls auf ein unangefochtenes Podest stellen, wie es manche KritikerInnen tun. Wohl aber sollte man die durchaus vorhandene Komplexität der dickensschen Tragik und der aufgezeigten Reflexion über das Medienbusiness sowie dessen kapitalistische Strukturen nachvollziehen, um die Tragweite des Drehbuchs und der filmästhetischen Mittel verstehen zu können. Auch wenn es natürlich den heutigen Zuschauenden ungemein schwerfallen dürfte, sich in die Rolle eines damaligen Publikums und seiner tagesaktuellen Probleme hineinzuimaginieren: selbst der klägliche Versuch hilft ungemein!

So bleibt der fade Eindruck haften, dass Fincher und sein Team dieses Werk wohl als narzisstischen Selbstläufer ansahen. Ein Film, der die kreative Bewältigung des von KritikerInnen wohl gepriesensten Films aller Zeiten aufgreift? All das auch noch durch den Geist eines höchst funktionablen, verkannten Trunkenbolds erschaffen? Das schreit geradezu nach Ruhm, Ehre und Oscar-Gold! Leider ist das Ergebnis deutlich weniger beeindruckend. Der Film schleppt sich ebenso zahnlos und müde, wie Oldmans zwar gekonnt nuanciertes, aber abgekämpftes Schauspiel über eine Laufzeit von mehr als zwei unerträglich langen Stunden.

Im Falle Manks hat man es mit dem filmischen Nostalgiefaktor in seiner banalsten und einfältigsten Art zu tun. Nämlich mit einem solchen, der die filmischen Mittel als Zitat benutzt, ohne ein Verständnis für den kunstvollen Gehalt dieser Ästhetik zu besitzen, geschweige denn diese für das Publikum zu plausibilisieren. Wahrlich, hier strömt keine Magie, denn mit all den Darbietungen verfolgt man weder das aufrichtige Interesse, noch besitzt man das künstlerische Gespür, über den Status einer Jahrmarktsattraktion hinauszukommen. So ziemlich jedes halbwegs anerkannte Buch über den einstigen Status Quo der damaligen Filmindustrie verschafft einen reichhaltigeren und unterhaltsameren Eindruck über die dargestellte Periode und seiner schillernden Figuren.

Mank Bewertung
Bewertung des Films
510

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23 Kommentare
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Nothing-is-Written : : Moviejones-Fan
04.02.2021 15:26 Uhr | Editiert am 04.02.2021 - 15:29 Uhr
0
Dabei seit: 04.01.21 | Posts: 303 | Reviews: 2 | Hüte: 46

@luhp92

Vielen lieben Dank für deine wirklich ausführliche und differenzierte Schilderung zum Sachverhalt um Steve Jobs und den zugehörigen Film. Es ist sehr interessant zu erfahren, wie unterschiedlich die Eindrücke und Meinungen diesbezüglich sein können.

Mir ging es nicht unbedingt darum, woher Jobs kommt, sondern wie sich das letztliche Resultat als "Hai" darbietet. Da war für mich zu wenig kritische Betrachtung im Spiel. Eben weil er ja aus einem bescheidenen Umfeld stammt, hätte man das aufgreifen können. Mir geht es also weniger um tatsächliche Charakterzüge. Die waren wahrscheinlich mitunter derart bei Jobs ausgeprägt oder allmählich antrainiert (interessante Fragestellung übrigens). Ich hätte mir da wohl eher eine dekonstruvistische Sicht auf diese Aspekte gewünscht. So überspitzt wie etwa bei The Wolf of Wall Street muss es natürlich auch nicht sein tongue-out Das würde wiederum würde auch nicht zur eher ernsten, analytischen Person Steve Jobs und seiner durchaus respektablen Entscheidungen und Unternehmensführung passen.

Der Vergleich mit den stilistischen Anleihen von Kubricks 2001 - A Space Odyssey ist mir persönlich leider nicht aufgefallen. Zumindest nicht, dass es in mir nachhallte. Das heißt aber keinesfalls, dass die nicht vorhanden sind und wäre ein sehr guter Einwand für meine Schilderung. Alex Garlands Tech-Serie Devs hatte etwa auch so eine audiovisuelle Ebene mit esoterischer Musik und erhabenem Colorgrading in Goldtönen, die das Szenario angriffen, es teilweise sogar ins lächerliche zogen. Das fand ich sehr gelungen für das Umfeld eines High-Tech-Unternehmens voller amoralisch agierender TechnikfanatikerInnen, wie sie in der Serie präsentiert werden.

Alles in allem sind bei deiner Kritik einige interessante Gedanken dabei, denen ich mich bei einer erneuten Sichtung des Films gern verstärkt zuwenden möchte. Darauf freue ich mich durch deine Einwände mehr als ich gedacht hätte! Bisher war das eher so ein Film, den ich nicht unbedingt wieder sehen mag. Vielleicht habe ich aber das ein oder andere Detail übersehen. Das möchte ebenso wenig bestreiten, wie meine zugegebenermaßen spezielle Erwartungshaltung in Bezug auf das "Wie wird Jobs als Persona durchlässig gemacht?". Die Sichtung ist obendrein auch nicht mehr ganz taufrisch. Ich kann mich aber sehr gut an meine Enttäuschung erinnern, weil ich mich sehr über dieses Projekt gefreut habe und der Unterteilung in drei Abschnitte äußerst zugetan war. Letztlich missfielen mir die mokierten Schwerpunkte und Irgendwie empfand ich selbst die Dreiteilung als halbgar. (Vielleicht ist das aber auch einer jener Filme, die mit weiteren Betrachtungen oder einer anderen Betrachtungsweise an Tiefe gewinnen?)

Ich finde es ja durchaus bezeichnend, dass wir an dieser Stelle eher über eine Randnotiz meines Beitrags schreiben, als über den eigentlichen Zielpunkt der Kritik. Das sagt, denke ich, viel über die Resonanz von Finchers Mank aus. Ehrlich gesagt hatte ich ursprünglich einige Bedenken, ob ich nicht zu harsch mit Fincher umspringe und wollte etwas demokratischer schreiben. Nach der offiziellen Kritik hier auf MovieJones juckte es mich dann aber doch in den Fingern, um ein anderweitiges Stimmungsbild abzugeben/zu bekommen. Eigentlich sollte das nur ein sehr kurzer Kommentar werden, bis mir dann doch wieder die zahlreichen störenden Details und Redundanzen an Mank bewusst wurden. Das besprochene politische Kolorit des Films empfinde ich nämlich als durchaus nichtssagend. Wenn es auch für eine interessante Gesprächskonstellation in den Reihen Hearsts sorgt.

Anscheinend treffe ich mit meiner Betrachtung bei euch den Nerv. Es ist beruhigend zu wissen, dass meine ernüchterte Sichtweise von anderen Menschen bestätigt wird und keine komplette Fehlinterpretation des Stoffes ursächlich dafür ist.

@eli4s

Herzlichen Dank für dein Lob. Das motiviert zum Weiterschreiben und Diskutieren. Ich empfinde die allermeisten Diskussionen, Gedanken und Einwände hier als richtig produktiv smile Vielleicht kannst du dem Film ja aber trotzdem genießen, weil für dich andere Schwerpunkte wichtig sind? Falls nicht, tu dir lieber The Artist von Michel Hazanavicius an. Der ist auch schwarz/weiß (im korrekten 4:3-Format!), hat mit Hollywood zu tun und ist im Gegensatz dazu wenigstens künstlerisch schöner Kitsch mit einem brillierenden Jean Dujardin und einer bezaubernden Bérénice Bejo surprised

"I have been watching my life. It’s right there. I keep scratching at it, trying to get into it. I can’t." "MAD MEN" S02E12: THE MOUNTAIN KING

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eli4s : : Moviejones-Fan
04.02.2021 14:01 Uhr
0
Dabei seit: 22.02.12 | Posts: 2.700 | Reviews: 31 | Hüte: 115

Habe den Film immer noch nicht gesehen und auch trotz dieser toll geschriebenen Kritik kaum Motivation. Kann zum Inhalt daher wenig sagen, möchte aber mal loswerden, dass mir deine Beiträge durchweg sehr gut gefallen, Nothing-is-written - gut, dass dein Name nicht Programm ist. Weiter so.

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
04.02.2021 13:00 Uhr | Editiert am 04.02.2021 - 13:01 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.340 | Reviews: 180 | Hüte: 634

@Nothing-is-Written

"Die Inszenierung von Jobs schien mir zu betont darauf hinauszulaufen, dass der (produktive) Egoismus und seine cholerische Art in unserer heutigen Gesellschaft fast notwendig zu sein scheinen, um kreativ und erfolgreich gegen das Establishment anzukämpfen. Dass aber die Persona Jobs mit diesen Handlungen und dem schieren Prestige letztlich genau diesem Umfeld zuzurechnen ist, wird von der Inszenierung ausgepart."

Steve Jobs entstammt aber ja nicht dem Establishment (anders als zum Beispiel Donald Trump als Sohn eines reichen Immobilienunternehmers), er hat sich das von klein auf selbst erarbeitet (Garagenfirma usw).

Der Egoismus und die cholerische Art waren entweder vorher schon seine Charakterzüge oder Steve Jobs hat sich diese angeeignet, um sich - nach Rückschlägen - in diesen Kreisen und gegenüber der Konkurrenz zu behaupten. Denn in einem sind wir hier uns ja einig, ohne Haifischdenken oder Ellenbogeneinsatz wirst du es als Unternehmer in der Wirtschaft nicht ganz nach oben schaffen und/oder dich dort nicht lange halten. Bill Gates und Mark Zuckerberg beispielsweise sind ja auch keine Kinder von Traurigkeit. Wenn der Film also nun Steve Jobs´ Aufstieg auf diese Weise zeigt, ist das ja schon ein Indiz dafür, dass Jobs vom Wesen her genau diesem Umfeld zuzurechnen ist.

"Einer kritischen Auseinandersetzung mit der von Jobs forcierten Firmenpolitik wurde ebenfalls nicht Auftrieb gegeben. Apple wird stattdessen geradezu lobpreisend als Gradmesser technologischen Fortschritts und zeitlosen Designs inszeniert."

Hm, ich fand schon, dass eine Kritik am Silicon Valley und am von Jobs vorgelebtem Technikwahn deutlich wird. Immer mal wieder blitzt Stanley Kubriks technologiekritischer "2001 - A Space Odyssey" auf, ein Werk, das Steve Jobs als Schurken empfindet. Das ist ja schon bezeichnend. Genaueres kann ich dazu gerade leider nicht schreiben, dazu müsste ich mir den Film nochmal anschauen.

"Das letzte Bild ist oftmals entscheidend dafür, wie wir etwas (in dem Fall eine Person) bewerten. Das ist explizit auch bei Geschichten ein interessantes psychologisches Phänomen. Stichwort: Selektive Wahrnehmung."

Durchaus ein interessantes Phänomen, ja. Im Fall von "Steve Jobs" dominiert für mein Emfpinden aber so sehr die Egomanie und Tyrannei gegenüber den eigenen Mitarbeitern, dass dieses Bild durch die Endszene mit der Tochter nicht verzerrt wurde.

"Darüber hinaus empfand ich die Darbietung von Michael Fassbender allgemein erschreckend routiniert, ja geradezu blutleer. Da weiß ich aber tatsächlich nicht, ob nicht vielleicht der echte Steve Jobs tatsächlich so war"

Ich fand die so hervorragend, dass Fassbender geradezu mit der realen Person verschmolzen ist und ich mir keinen anderen Schauspieler als Steve Jobs vorstellen kann^^ Nach dem Anschauen 2016 habe ich mich etwas in die Rezeption aus seinem privaten und beruflichen Umfeld eingelesen, Steve Wozniak war ja sogar Beratur für den Film. Die Charakterisierung scheint im Großen und Ganzen akkurat gewesen zu sein.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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ProfessorX : : Moviejones-Fan
03.02.2021 11:00 Uhr
0
Dabei seit: 17.05.14 | Posts: 932 | Reviews: 1.017 | Hüte: 42

Kann ich so nur unterschreiben! Ein selbstverliebtes, langatmes Trauerspiel. Hat nichts von dem Fincher, den ich so schätze und reiht sich ein in die Kategorie der nichtssagenden Biopics der letzten Jahre. Oldman hat vielleicht gute Chancen auf den Oscar (warum auch immer), aber im Endeffekt, war es nichts. Völlig beloanglos und teilweise auch übergdeutetes Werk.

Consider that a divorce!

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Nothing-is-Written : : Moviejones-Fan
02.02.2021 12:37 Uhr | Editiert am 02.02.2021 - 15:29 Uhr
0
Dabei seit: 04.01.21 | Posts: 303 | Reviews: 2 | Hüte: 46

Vielen lieben Dank schon einmal für das positive Feedback von euch beiden smile

@TiiN

Insgesamt bin ich gespannt, wie die Oscars dieses Jahr über die Bühne gehen und welche Haltung man zu der Entwicklung einnimmt, dass so gut wie keine "echten" Kinofilme im letzten Jahr gezeigt werden konnten. Eigentlich ist das ein idealer Nährboden für die in den letzten Jahren von der Academy sträflich missachteten Streaming-Anbieter. Dieser unvermeintliche Tiefschlag dürfte den Traditionalisten alles andere als schmecken.

Ich gehe davon aus, dass Oldmans Spiel oder das Dekor den KritikerInnen ausreichen wird, um dem Film den ein oder anderen Award zu geben. Denn auch in den technischen Kategorien wird er wohl neben Tenet ein heißer Kandidat für die Trophäen sein...

@luhp92

Ich verstehe, dass man in Bezug auf den Boyle-Beitrag zum Leben Steve Jobs anderer Meinung sein kann. Der grundsätzlichen Kritik am Groß der aktuellen Biopics dürfte die andere Gewichtung dieses einzelnen Films sicherlich keinen Abbruch tun.

Zur näheren Erläuterung, weshalb ich gerade diesen Film als ein passendes Beispiel für die angesprochene Imagefilm-Problematik empfinde:

Die Inszenierung von Jobs schien mir zu betont darauf hinauszulaufen, dass der (produktive) Egoismus und seine cholerische Art in unserer heutigen Gesellschaft fast notwendig zu sein scheinen, um kreativ und erfolgreich gegen das Establishment anzukämpfen. Dass aber die Persona Jobs mit diesen Handlungen und dem schieren Prestige letztlich genau diesem Umfeld zuzurechnen ist, wird von der Inszenierung ausgepart.

Hätte man die menschlichen Fehler Jobs nicht zumindest angedeutet, wäre die Biografie zerrissen worden, weil man schließlich um die tatsächlichen Aussetzer dieses Mannes weiß. Bei diesem Film vermute ich daher fast eine Art Selbstschutz vor mahnenden Stimmen. Einer kritischen Auseinandersetzung mit der von Jobs forcierten Firmenpolitik wurde ebenfalls nicht Auftrieb gegeben. Apple wird stattdessen geradezu lobpreisend als Gradmesser technologischen Fortschritts und zeitlosen Designs inszeniert. Den Stellenwert hat sich Apple durch kluges Marketing und hohe Produktstandards freilich redlich erarbeitet, doch ein wenig Dekonstruktion dieses Images hätte schon sein dürfen.

Besonders störte mich aber die Herangehensweise an den problembehafteten Umgang mit seiner Tochter, bei der die Story mit einem versöhnlichen Vater-Tochter-Happy-End geschlossen wurde. Das letzte Bild ist oftmals entscheidend dafür, wie wir etwas (in dem Fall eine Person) bewerten. Das ist explizit auch bei Geschichten ein interessantes psychologisches Phänomen. Stichwort: Selektive Wahrnehmung.

Darüber hinaus empfand ich die Darbietung von Michael Fassbender allgemein erschreckend routiniert, ja geradezu blutleer. Da weiß ich aber tatsächlich nicht, ob nicht vielleicht der echte Steve Jobs tatsächlich so war, wie es manche Kritiken zum Film im Feuilleton erwägen.

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TiiN : : Goldkerlchen 2019
01.02.2021 21:10 Uhr
0
Dabei seit: 01.12.13 | Posts: 8.994 | Reviews: 173 | Hüte: 605

Eine gute und sehr ausführliche Kritik. Ich bin gespannt wie Hollywood, insbesondere die Oscars, auf Mank reagieren werden.


MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
01.02.2021 18:10 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.340 | Reviews: 180 | Hüte: 634

Perfekt, dem ist zu "Mank" nichts mehr hinzuzufügen.

"Steve Jobs" würde ich persönlich aber rausnehmen, zeigt der Film neben dem visionären Genie schließlich auch die Egomanie des Apple-Gründers.

Wenn schon ein Fincher-Biopic, dann "The Social Network".

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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Nothing-is-Written : : Moviejones-Fan
01.02.2021 17:13 Uhr
2
Dabei seit: 04.01.21 | Posts: 303 | Reviews: 2 | Hüte: 46

Zur besseren Einordnung für den Zugang (inklusive einer für die Filmkritik unpassenden Anekdote):

Persönlich hege ich stets ein aufrichtiges Interesse an jedem neuen Film von David Fincher. Würde jemand voller Inbrunst sagen, dass die Beiträge von ihm nicht vor Potential strotzen, der Kraft und Schönheit des Kinos mit teilweise subversiven Mitteln Auftrieb zu verleihen, er würde sich meinem Empfinden nach diskreditieren. Mit zumindest einem seiner vielfältigen Filme kann sich wohl so gut wie jeder filmliebende Mensch arrangieren - wenn er nicht sogar mehrere oder gar alle überschwänglich lobt. Tatsächlich bin ich selbst ein großer Fan mehrerer Filme von ebendiesem Regisseur. Sieben oder auch Gone Girl genießen bei mir ein exzellentes Ansehen. Fight Club hat mich in jungen Jahren erstmals bewusst fragen lassen, wieso filmische Mittel wie die Kameraarbeit, die Musik und der Schnitt mich so nachhaltig beeindrucken. Ab diesem Zeitpunkt wollte ich mehr über dieses einzigartige Medium erfahren und nie mehr die Augen und Ohren davon abwenden. Deshalb verfügt dieser Regisseur über einen besonderen Status in meiner Biografie. Trotzdem ist natürlich auch ein solcher Künstler nicht vor eventuellen Fehlgriffen gefeit…

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