Bewertung: 2.5 / 5
Hollywood referiert über Hollywood. Anders ausgedrückt: Das Lieblingsthema der Traumfabrik schlechthin findet wieder einmal dankbaren Nährboden für eine Geschichte. Nach unzähligen Ausflügen in die Welt der Stars und des Glamours wagt sich fast unmittelbar nach Tarantinos Once Upon A Time in Hollywood nun mit David Fincher ein weiterer A-Lister in dieses selbstreflexive Metier vor. Für dieses Vorhaben hat er sich mit einem für ihn ganz besonderen Drehbuch bewaffnet…
Was lässt sich mit David Finchers filmhistorischen Deutungsversuch über einen der größten Juwelen der klassischen Hollywood-Ära sagen? In erster Linie muss betont werden, dass Mank wenig überraschend ein Exkurs über die klassische Zeit Hollywoods um 1930/1940 darstellt. Judy Garlands Rolle im Zauberer von Oz oder Scarlett O´Haras Mimenspiel in Vom Winde verweht sind dabei in etwa ebenso von Interesse, wie die selbstbewusste Inszenierung der Drehteams und Filmvorstände in exquisiten Kostümen bei schwerem Zigarrenrauch. Geschildert wird eine Geschichte über einen Kreativen, der sich mit reichlich Alkohol über seine Schreibblockaden hinwegtröstet und in grimmigen Erinnerungen an seinen Einstand und andere biografische Höhepunkte im Filmgeschäft zu schwelgen scheint. Das schnelllebige Alltagsgeschäft Hollywoods scheint ihn förmlich den Lebensdurst geraubt zu haben. Doch eine große Aufgabe wartet nun auf ihn: Youngstar und Lebemann Orson Welles drängt in das Filmbusiness und es bedarf eines guten, nein, eines herausragenden Konzeptes, mit dem er sich in die Herzen des zeitgenössischen Publikums und seiner scharfzüngigen Kritik spielt. Das Ringen mit der Zeit und den inneren Abgründen des Herman J. Mankiewicz beginnt…
Trailer zu Mank
Mit drehbuchartigen Verweisen auf die dargestellte Zeitperiode und das Setting werden so nacheinander Szenen inklusive Rückblenden komponiert, die den schwierigen Werdegang des Drehbuchautors Manks (Gary Oldman) mitsamt seines zugehörigen Arbeitsalltags reflektieren. Zweifellos stellt die versatzstückartige Handlungsstruktur einen durchaus interessanten Ausgangspunkt dar, um eine Geschichte über den Drehbuchautoren in Gang zu setzen. So zeigt sich darin jener erzählerischer Kniff, der bereits beim filmischen Vorbild Citizen Kane für Aufsehen sorgte. Durch Einbindung unterschiedlicher Quellen (etwa Freunde, Geliebte, Erzfeinde, Textquellen), die in der Handlung sondiert wurden, ließ sich ein filmisches Puzzle über einen fiktionalen Medienmogul entwerfen, das sich den Möglichkeiten des journalistischen Arbeitsumfeldes und dem Durst nach Wahrheit entzieht.
Als kinokanonisches Werk zählt Orson Welles Debutfilm Citizen Kane von 1941 für CineastInnen über kurz oder lang zum Pflichtprogramm. Wenigstens einmal, so sagt man, sollte man diesen Meilenstein der Filmgeschichte erlebt haben. Schaut man ihn dann mit heutigen Augen, ist die Enttäuschung zumeist endlos und das Unverständnis für die generalisierenden Jubelstürme scheint es ebenso zu sein. Zurecht lässt sich fragen: Wodurch lässt sich dieses Urteil legitimieren? Weshalb wird ausgerechnet dieser Film mit seiner zweifellos betagt anmutenden Ästhetik immer wieder als zeitlos gepriesen? Auf diese tiefschürfenden Fragen gibt es vielfältige Antworten, die durchaus auch in Mank Anklang finden…
Citizen Kane ist für den nach wie vor anhaltenden Trend der Biopics insofern wegweisend gewesen, als dass eine Figur skizziert wird, die je nach Perspektive gleichermaßen von heroischen Werten (Pathos, Erfindergeist) als auch abscheulichen Abgründen (Sucht nach Liebe und Anerkennung, Größenwahn) gekennzeichnet scheint. Vermehrt sind moderne Biopics im Gegensatz dazu vor allem eines: Imagefilme. Schaut man sich aktuelle filmische Biografien an, etwa über Steve Jobs (Danny Boyles Steve Jobs) oder die Hip-Hop-Formation N.W.A (Gary F. Grays Straight Outa Compton), dann fällt auf, dass man seine Koryphäen selten zu dekonstruieren versucht und sie stattdessen auf ein unerreichbares Podest stellt. Sämtliche menschliche Makel werden durch die Schilderung einer Erfolgsgeschichte beseitigt, um das Visionäre solcher Figuren nicht zu stark anzukratzen. All das geschieht unter der Maßgabe der auratischen Wirkung, die von solchen Figuren auszugehen scheint. Ein Blick hinter diese Fassade wird dadurch zusehends erschwert, weil die Biografien einzig auf die Erfolgsmomente hin ausgerichtet werden. Wenn es auch durchaus funktionabel und wirkungsvoll anmutet, ist das im Kern eigentlich eine feige und einfältige Art, sich mit historischen Figuren der Populärkultur zu befassen, versucht man doch die Möglichkeit einer kritischen Distanz zu nivellieren und das Publikum dadurch zu vereinnahmen. Die ungeschönte Herangehensweise muss man im Falle von Finchers Mank lobend hervorheben. Oldmans Interpretation des Mank gibt ein wenig schmeichelhaftes Bild von dieser Personalie ab und wirkt gerade deshalb lebensnäher.
Die brillierende Kollaboration aus dem von Oldman gespielten Mank und seiner Sekretärin Rita Alexander (Lily Collins) sowie filmische Funfacts ändern am banalen Eindruck ebenso wenig wie der im damaligen Zeitkolorit schwelende Soundtrack, die aufwendigen Kulissen sowie zugehörige Kamera- und Montagetechniken. Dieser Film hat nichts über das Meisterwerk Citizen Kane und seine Entstehungsumstände mitzuteilen, was über Anekdoten und Kalauer hinauskommt.
Bedingt durch das dröge Drehbuch kommt Oldmans anerkennungswürdiges Schauspiel als abgekämpfter Drehbuchautor Herman J. Mankiewicz zu keiner Zeit über den Status des verkannten Zynikers und Systemkritikers hinaus. Der Alkohol als gleichvoll gehaltvolle Metapher wie Triebfeder für das kreative Delirium sowie die schwierige Beziehung zu seinem ungleich erfolgreicheren, geleckten Bruder Joseph L. Mankiewicz (Tom Pelphrey) kokettieren mit dem Bild des genialen Schreibers in einer Art und Weise, die man trotz ihrer Raffinesse als gewollt umschreiben könnte. Natürlich dürfen einige wenige, aber umso lohnendere, Auftritte des großen Orson Welles nicht fehlen. Als geradezu unheimlich muss man hierbei Tom Burkes Nachahmung des Habitus mitsamt der typischen Bariton-Stimme des jungen Aufsteigers betiteln. Ob nun historisch akkurat oder nicht, sei dahingestellt. Wichtiger ist jedoch, dass aus diesem spannungsreichen Gefüge inklusive einer schier unmöglich zu bewältigenden Mammutaufgabe eines überzeugenden Drehbuchentwurfs keinerlei tiefere Ebene herausgekitzelt wird.
Die angesprochenen Reminiszenzen kann man in Mank dennoch mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen. Beispielsweise die imposante Kulisse bei dem politischen Tischgespräch in William Hearsts persönlichen Xanadu. So scheint diese doch exakt an den größenwahnsinnigen Einrichtungsstil von dessen vermeintlichen Filmdouble Charles Foster Kane angepasst.
In der Tat muten die Entstehungsgeschichte und die Drehumstände von Mank geradezu fantastisch, passender noch, theatralisch an. Die liebevolle Geschichte um den Sohn, der das Erbe des verstorbenen Vaters antritt und aus dem vorhandenen Drehbuch ein romantisierendes Loblied auf das Hollywood vergangener Tage anstimmt, übernimmt freilich ihr Übriges und erweist der Marketing-Abteilung von Netflix einen Bärendienst. Allerdings wird mit diesen exzellenten Voraussetzungen in Mank nichts ähnlich intellektuell Herausragendes vollzogen, das über bloße nostalgische Selbstversessenheit und handwerklich eindrucksvolles Schauspiel hinwegtäuscht.
Schwer wiegt die Last, dass man trotz umfangreichen filmhistorischen Wissens und ästhetischen Gespürs nicht imstande scheint, den damaligen Klassikern der Zunft neue Sinneindrücke abzuverlangen, geschweige denn an diese anzuschließen. Herausgekommen ist dabei ein schwelgerisches Werk in schwarz/weiß-Optik mit bedeutungsschwanger veredelter Rauschpatina. Effektvoll montierte Filmfehler inklusive. Natürlich wurde das Szenario nicht auf Originalfilmmaterial gebannt, sondern mit entsprechenden Filtern auf ursprünglich hochaufgelösten Digitalbildern. Laut Aussagen Finchers blieb von dem Film gerade einmal noch ein ¼ der ursprünglichen Bildqualität übrig. Das könnte man durchaus als törichte Augenwischerei bezeichnen.
Unerträglicher scheint bei alledem aber, dass dem Film jegliche Raffinesse fehlt, die Orson Welles Werk in all seiner prächtig ausgefeilten Manier so berühmtberüchtigt machte. Allen voran wäre die Theatralik, mitsamt ihrer reizvollen Gesprächseinstiege und deren sphärische Rückblenden in die Vergangenheit hervorzuheben. Ebenso wenig findet sich bei Mank auch nur der Hauch einer übergeordneten Idee, was mit der Tiefenschärfe und den dadurch entstehenden Bildebenen anzufangen sei. Welles war es mit derlei stilistischen Mitteln gelungen, die Bildsprache Hollywoods auf den Punkt zu bringen und gilt damit gleichzeitig als Zenit der klassischen Ära Hollywoods. Man muss diesen Film aus heutiger Sicht keinesfalls auf ein unangefochtenes Podest stellen, wie es manche KritikerInnen tun. Wohl aber sollte man die durchaus vorhandene Komplexität der dickensschen Tragik und der aufgezeigten Reflexion über das Medienbusiness sowie dessen kapitalistische Strukturen nachvollziehen, um die Tragweite des Drehbuchs und der filmästhetischen Mittel verstehen zu können. Auch wenn es natürlich den heutigen Zuschauenden ungemein schwerfallen dürfte, sich in die Rolle eines damaligen Publikums und seiner tagesaktuellen Probleme hineinzuimaginieren: selbst der klägliche Versuch hilft ungemein!
So bleibt der fade Eindruck haften, dass Fincher und sein Team dieses Werk wohl als narzisstischen Selbstläufer ansahen. Ein Film, der die kreative Bewältigung des von KritikerInnen wohl gepriesensten Films aller Zeiten aufgreift? All das auch noch durch den Geist eines höchst funktionablen, verkannten Trunkenbolds erschaffen? Das schreit geradezu nach Ruhm, Ehre und Oscar-Gold! Leider ist das Ergebnis deutlich weniger beeindruckend. Der Film schleppt sich ebenso zahnlos und müde, wie Oldmans zwar gekonnt nuanciertes, aber abgekämpftes Schauspiel über eine Laufzeit von mehr als zwei unerträglich langen Stunden.
Im Falle Manks hat man es mit dem filmischen Nostalgiefaktor in seiner banalsten und einfältigsten Art zu tun. Nämlich mit einem solchen, der die filmischen Mittel als Zitat benutzt, ohne ein Verständnis für den kunstvollen Gehalt dieser Ästhetik zu besitzen, geschweige denn diese für das Publikum zu plausibilisieren. Wahrlich, hier strömt keine Magie, denn mit all den Darbietungen verfolgt man weder das aufrichtige Interesse, noch besitzt man das künstlerische Gespür, über den Status einer Jahrmarktsattraktion hinauszukommen. So ziemlich jedes halbwegs anerkannte Buch über den einstigen Status Quo der damaligen Filmindustrie verschafft einen reichhaltigeren und unterhaltsameren Eindruck über die dargestellte Periode und seiner schillernden Figuren.