Bewertung: 2 / 5
Von Zeit zu Zeit gibt es Filme, die ich trotz völlig objektiv vorhandener Qualitäten einfach bitterböse abstrafen muss. Zum einen, weil ich der Meinung bin, dass sie entweder viel zu gut in der Öffentlich keit bewertet sind, oder einfach auch eine falsche Message verbreiten. Und zum anderen weil ich dann die gesamte Filmografie des Regisseurs ansehe und da eine gravierende Fehelntwicklung ausmache, die dann schließlich in diesem einen Film kulminiert. Für alle, die es interessiert, der vorliegende Film ist für sich gesehen völlig in Ordnung und verdient wahrscheinlich redlich seine 7-8 Punkte, sogar bei mir. Aber es gibt so viele Elemente, die dieser Film so grundlegend, so elementar entweder falsch angeht oder einfach nur falsch macht, dass er jetzt eine meiner bösesten Kritiken spendiert bekommen wird. (Und ich spreche hier jetzt nicht First Contact - Böse, was absolut subjektiv war, sondern Oberlehrerböse!)
Im Grunde genommen erzählt Trantino hier die parallele Geschichte von zwei Freunden im sich gerade etablierenden New Hollywood, einer ein Schauspieler auf dem absteigenden Ast, und der andere sein Freund und Stund-Double, sowie der Erlebnisse der sich gerade als Starlett etablierenden Sharon Tate. Und im Hintergrund wabert immer die Gefahr der Manson-Familie, welche tatsächlich die hochschwnagere Tate und ein paar ihrer Freunde eines Nachts bestialisch ermordete.
Trailer zu Once Upon a Time... in Hollywood
Erst einmal zum Guten:
Der Film ist grandios besetzt, bis in die kleinsten Nebenrollen, er sieht wunderbar und toll aus, hat einen phänomenalen Score und wie fast immer bei Tarantino auch immer zum richtigen Moment die richtigen musikalischen Zeitgeisteinsprengsel.
Hinzu kommt eine grandiose Zeitdokumentation des Übergangs Old vs New Hollywood und wie alles irgendwie zu dieser Zeit miteinander oberflächlich koexistieren kann. Doch unter der Oberfläche sind diverse Risse immer offensichtlicher.
Und es ist eine mehr als doppelbödige Geschichte über den Verlust der Unschuld.
Wenn man es hierbei belassen würde, wären wir ganz weit oben in einer Art moderner tarantinoesker "La Dolce Vita".
Doch Tarantino belässt es eben nicht hierbei. Und er geht dabei sehr weit, aber eben entweder nicht weit genug, oder zu weit, aber irgendwie den falschen Weg. Das ist sowohl inhaltlich, filmtechnisch als auch ideologisch gemeint.
Schwierig es genau zu definieren, aber versuchen wir uns mal einer kurzen Analyse:
Erst einmal die Oberflächlichkeiten: Tarantino zitiert sich selbst, als gäbe es kein morgen, so ist sein bisher immer recht dezent gehaltener Fussfetisch diesmal fast schon auf eine überdimensionierte Phallus-Symbol-Größe herangewachsen, dass es schon fast stört.
Dann haben wir eine extrem oberflächliche Abhandlung über Sharon Tate, welche lediglich durch Margot Robbies Charisma irgendwie interessant zu wirken in der Lage ist. Im Prinzip sagt der Film rein gar nichts über die Person aus, was irgendwie Mehrwert hätte: Sie ist so hübsch, dass sogar Steve McQueen scharf und rattig auf sie ist, und sie ist eine aufstrebende junge Schauspielerin, die halt gerade mit dem hottest Director in Town zusammen ist. Man kann sagen, dass sie eine herzensgute Person gewesen sein könnte, doch man könnte genauso gut sagen, dass sie einfach so sehr auf der Sonennseite des Lebens zu sein scheint, dass sie einfach fahrlässig ist. So oder so, kein richtiger Mehrwert - es sei denn man steht auf schwarze Sohlen.
Tarantino ist ja schon seit Jahren eigentlich ein Mann, der sich gefühlt insgeheim wünscht, schwarz zu sein. Diesmal lebt er das onsofern aus, dass Bruce Lee einen in die Fresse dafür bekommt, dass er etwas gegen Muhammad Ali (Cassius Clay) sagt. (Kurzer Einschub: In diesem Fall ist es durchaus angebracht, dass der Mann mit Cassius Clay besprochen wird (Im Gegensatz zu der Prinz aus Zamunda), weil wir uns zeithistorisch genau an der Schwelle zur Akzeptanz dieses Namens befinden - das ist wirklich gut recherchiert seitens Tarantino!) Ganz ehrlich, diese Szene, die für so viel Trubel gesorgt hat, ist in der Tat einerseits problematisch, weil Lee als Witzfigur dargestellt wird, der zudem auch noch von einem Stuntman vermöbelt wird, andererseits ist dies nur eine Erinnerung einer Figur an die Situation, also kommen wir zu dem Punkt des unreliable, because subjective Narrator. Kann zutreffen, dann passt es wieder "irgendwie". Wie man sehen kann, Tarantino spielt hier diverse Elemente exemplarisch und souverän aus und glänzt regelrecht mit diesem Können. Vor allem wird das dadurch unterstrichen, dass Lee immer wieder in der Erinnerung verschiedener leute anders rüber kommt!
Ich frage mich gerade wie ich in diesem Review, das bisher fast nur aus Lob besteht, noch die Kurve kriegen will? Machen wir mal weiter...
Es ist auch immens wirkungsvoll, wie eine kleine Horrorfilmprämisse und Home Invasion Elemente benutzt werden, um sowohl Charles Manson einzuführen, als auch die Kommune einem näher zu bringen. Und immer wieder wird der Hippiekommunen-Aspekt brutal durchbrochen mit Prostitution (auf die eine oder andere Art) und kaputten Persönlichkeiten. Hier wird eine Spannungsschraube generiert und angezogen, welche allerdings dann doch ins Leere verläuft.
Und dann müssen wir noch über den Epilog sprechen, bevor zu dem "Hauptprunkstück" des Films kommen. Hier zeigt sich wieder einmal was für ein phantasievoller und grandioser ruhiger Erzähler Tarantino sein kann, wenn er es nur möchte. Das ist einfach nur zum mit der Zunge schnalzen.
Bis hierhin haben wir einen Film, der einfach auch als wirklich gut angesehen werden könnte und der kaum irgendwelche Wünsche offen lässt, einerseits eine Bestandsaufnahme, andererseits Kommentar und letztlich ein schelmenhaftes Charakterstück. Und wir könnten uns alle auf irgendwas zwischen 7-10 Punkten einigen.
Doch da haben wir diesen einen Knackpunkt im Film, der alles auseinanderreisst. Viele mögen meinen, das ist Tarantinos unverwechselbarer Stil, dass er jetzt anders an die Sache rangeht, um es zu würzen. Ich würde dem auch zustimmen, wenn ich nur drei bis 4 Filme von dem Mann gesehen hätte. Doch diese Art seines Geschichtenerzählens zieht sich wie ein roter Faden durch seine Filmografie. In den besten Momenten wirkt es dadurch elegant und verspielt, in den schlechteren Fällen zerbröselt sein Film in episodenhafte Einzelteile, die nicht organisch miteinander funktionieren.
In Serien, wo episodenhafte Erzählungen vorhanden sind, ist diese Spielerei sensationell und gut (siehe als Paradebeispiel die Serie Fargo!), aber in einem Film, der 2 Stunden lang zwei Tage in LA im februar 1969 beobachtet, nur um dann einen völlig beliebigen Cut von 6 Monaten zu machen und dann auch noch die letzten 6 Monate mit einer profanen Stimme nacherzählen zu lassen (jaja ich weiss, das ist alles gewollt stilisiert und soll wahrscheinlich die Serie FBI ein bißchen nachstellen), und diese dann auch noch inhaltlich für den etwas bewanderten Cineasten kläglich scheitern zu lassen, das ist schon der Ärgernis erster großer Schritt.
Es wird hier nur zu offensichtlich, dass Tarantino generell keinen richtigen Erzählfluss zu generieren in der Lage ist. daher sind ja seine Filme immer in irgendwelche Kapitel unterteilt, selbst seine besten. Und ganz ehrlich OUATIH gehört stilistisch sicherlich zu seinen besseren Filmen, nur ist sein beschissener Krug desselben Stilwissens für mich nun so lange zum Brunnen getragen worden, bis er gebrochen ist.
Und das geht dann auch mit diesem ach so aberwitzigen, weil ach so unglaublichen Finale so weiter. In dem Moment wo man diesen alten Filmschnipsel mit Dicaprio und den nazi sah, muss jeder normale Filmgeek gewusst haben, dass ein bestimmtes Requisit noch Anwendung finden wird. Aber geschenkt. das kann man gerne noch als geschicktes Geschichtenerzählen abtun. Auch die Situation, die schließlich eskaliert (ich sage nur Hund, Dose, Teufel), ist so spannend und absurd, dass es zum Bersten wäre. Wenn das Endresultat nicht so von vornherein für Tarantinokenner offensichtlich wäre. Auch dass die eine Hippiebraut, dann durch die gegend krakelt, als handele es sich bei ihr um eine abstruse Ren and Stimpy Folge in Fleisch und Blut, mit extrem offensichtlicher Bedienung an dem Underground-Kult-Film "Auf Leisen Sohlen kommt der Tod" und dem Altmann-Klassiker "Der Tod kennt keine Wiederkehr", macht die Situation wirklich grotesk übersteigert, aber auch irgendwie vorhersehbar und dann immer noch nicht organisch zum ganzen passend.
Hinzu kommt eine extrem störende Komponente, die zwar einerseits nur das wiedergibt, was DiCaprio empfindet, weil er auf dem absteigenden Ast ist, und die Hippies mit seinem Niedergang identifiziert, aber Tarantino distanziert sich von dieser Gesinnung nicht nur nicht adäquat genug, er spielt ihr auch noch weiter zu, indem er die Hippies, die er zeigt, eigentlich alle auch irgendwie mit verteufelt. Da sind wir wieder in den erzkonservativen Zeiten des Prä-New-Hollywood angelangt und der Kreis schließt sich - wenn auch in diesem fall sicherlich recht ungewollt.
An und für sich hätten wir einen sehr guten Film, wenn es sich um den vierten bis sechsten Film von Tarantino handeln würde. Doch dem ist ja nicht so. Tarantinoi verzettelt sich in Belanglosigkeiten, Floskeln, Ressentiments, und zeitlich inadäquater Wiedergabe des Italonarrativs. Er zitiert genüßlich vor sich hin, frönt seinen Fetischen, nimmt sich die Zeit, seinen eigenen Kommentar Leuten in den Mund zu legen, und scheitert an seiner Königsdisziplin: dem eleganten Verquirlen verschiedener genreversatzstücke und Episoden zu einem organischen Ganzen.
Ich weiss, ich bin alleine auf weiter Flur, aber ich finde den thematisch sehr ähnlich gelagerten Bad Times at el Royale trotz deutlich (sehr deutlich) unterlegenem Finale als Großes, ganzes und auch als intelligenten Slowburner Tarantinos Egovehikel um meilen voraus!
Gute erste zwei Stunden, die an gepflegter Belanglosigkeit kaum zu überbieten sind, ein schlechter Übergang zu einem späteren Zeitpunkt, inkl. zwar bewusst aber immer noch lächerlichem Voiceover, sowie ein zwar furioses aber sehr stark plagiiertes Finale mit einem sehr schönen Epilog, machen einen extrem, inhomogenen Film aus, der auch noch extreme ideologische Probleme an den Tag legt.
Wie gesagt an und für sich 7-8 Punkte, aber das ganze stört mich so ungemein - auch wenn ich wahrscheinlich gerade über diesen Film ganze Bücher schreiben könnte - dass ich einfach nicht umhin kann und dem Film seine sauer verdienten 4 Punkte geben muss.
Ich kann nicht anders! Ich muss!