Bewertung: 3 / 5
Träumen wir nicht alle davon, dem Tod zu entrinnen? Und wenn schon nicht ewig leben, dann doch wenigstens ein paar hundert Jahre mehr erleben zu dürfen, am besten bei guter Gesundheit? Das ist die Idee hinter Tarsem Singhs Self/less - Der Fremde in mir, dem spannende philosophische Fragen zugrundeliegen - zumindest bis zu dem Moment, in dem die Action das Ruder an sich reißt.
Damien Hayes (Ben Kingsley) hat als New Yorker Investor über Jahrzehnte hinweg ein unfassbares Vermögen angehäuft. Doch all das Geld kann ihn vor dem nahen Ende nicht retten und so nimmt der unheilbar an Krebs Erkrankte die Dienste einer geheimen Organisation in Anspruch. Diese kann das Bewusstsein von Personen, die nicht sterben wollen, in junge Körper transferieren und so erwacht Damien nach der Prozedur als Mittdreißiger und lebt von nun an als Edward (Ryan Reynolds) in New Orleans. Edward wird eingetrichtert, sich regelmäßig an die nötige Medikation zu halten, da ansonsten Halluzinationen die Anpassung erschweren können. Halluzinationen, die sich überraschend real anfühlen - und ihn bald erkennen lassen, dass sein Körper nicht so synthetisch entwickelt wurde wie ihm die Organisation weismachen will...
Trailer zu Self/less - Der Fremde in mir
Self/less Kritik
Es schlagen zwei Herzen in unserer Brust. Das eine sieht einen passablen Actionthriller mit einem Mann auf der Flucht, der hinter das Geheimnis einer obskuren wissenschaftlichen Organisation kommt und um sein Leben fürchten muss. Das andere sieht in Self/less - Der Fremde in mir die vertane Chance, einen wirklich scharfsinnigen Psycho-Thriller mit philosophischer Brillanz zu kreieren; denn wenn ein Thema erschreckend und intelligent zugleich ist, dann doch wohl über Theorien des ewigen Lebens und Szenarien selektiver Evolution! Doch Tarsem Singh (The Fall, Spieglein Spieglein) geht den einfachen Weg, den absehbaren Weg und vergibt der Kinolandschaft damit einen eventuell hochgradig intelligenten Beitrag.
Grundsätzlich ist Self/less - Der Fremde in mir spannend inszeniert und gerade mit Kingsley zu Beginn ausdrucksstark besetzt, auch wenn wir uns gewünscht hätten, die pure Verzweiflung Damiens mehr zu spüren. Und auch wenn wir Ryan Reynolds sympathisch finden, ist der Darsteller für uns wieder die Schwachstelle eines Films. Man kann sagen, dass die begrenzte Mimik zumindest nicht davon ablenkt, dass wir uns doch auf Damiens Bewusstsein im Kopf von Edward konzentrieren sollten, aber das wäre eine Ausrede, denn andere populäre Schauspieler hätten die Rolle sicherlich intensiviert. An seiner Seite die doch recht unbekannte Natalie Martinez (End of Watch), ab deren Auftauchen erahnt wird, wohin die Reise geht. Dahingehend ist Self/less - Der Fremde in mir zu absehbar, zwar mit kleinen Abweichungen vom Weg kurz vorm Finale, aber dennoch zu simpel. Hinzu kommt, dass die Actionsequenzen zwar ordentlich inszeniert sind, aber doch ziemlich blutleer daherkommen - man kann sagen, steril wie Reynolds Mimik.
Das wirkliche Manko ist unserer Ansicht nach aber das verschenkte Potential interessanter Ideen. Ideen, die in Filmen wie Der Mann, der zweimal lebte besser präsentiert wurden und selbst in antiken Serien wie Erben des Fluchs schon vorkamen. Allein so manche philosophische Frage ist schon spannend genug: Woher käme tatsächlich das "Rohmaterial"? Wohin würde eine Welt steuern, in der nur wenige Gutbetuchte und Menschen ohne Skrupel immer und immer wiedergeboren werden können? Und was geschieht mit uns, wenn einige wenige Personen jahrhundertelang Wissen akkumulieren und damit den Todgeweihten abseits finanzieller Vorsprünge auch intellektuell weit voraus sind? Die Liste kann fortgesetzt werden, zeigt aber schon jetzt, womit sich Self/less - Der Fremde in mir lieber nicht auseinandersetzt. Wir möchten Singh dabei gar nicht vorschreiben, welcher Fokus für ihn der richtige sein soll, aber verdeutlichen, dass einiges mehr aus dem Stoff hätte herausgeholt werden können. Und insofern scheint es schon, dass der Regisseur und das Studio die Falschen waren, die eine philosophisch überaus reizvolle Idee nur ausschlachten, weil sie sie nicht wissen, wie damit umzugehen ist.
Self/less Fazit
Wir tendieren zwischen 2,5 und 3 Hüten und entscheiden uns für die bessere Wertung, da Singh den eingeschlagenen Weg recht konsequent verfolgt. Self/less - Der Fremde in mir ist ein solider Actionfilm mit tieferen Ansätzen, die für unseren Geschmack aber leider nicht der Fokus im Film sind, sondern bloß eine Nuance. Wir hoffen, dass dieses wirkliche spannende Thema nicht auf Jahre auf der großen Leinwand verbrannt ist - doch dahingehend werden die Meinungen der Zuschauer abhängig von der Erwartung auch auseinandergehen.