Man kann über Zack Snyder und seine typischen Stilelemente bestimmt vieles sagen, aber ein unfreiwilliges (wahrscheinlich) fiel mir beim sehen von „Watchmen“ diesmal auf: Es gibt immer eine Szene, die so albern, so „turn it up to 11“ corny ist, dass man kurz den Film vergisst und einfach freudig mit kichern muss. Das war etwa die Szene in dem sehr gut ansehbaren „300“, in der Xerxes versucht Leonidas zu verführen. Das war die lächerliche Trainings-Montage in dem grenzwertig nicht-ansehbaren „Batman v Superman“. Und diesmal war es die bescheuerte „Sex im Eulenschiff“ Szene, aus deren musikalischer Untermalung ich mir den Titel für die Kritik gebastelt habe.
„Ich habe es versucht..“ ist wohl die beste Beschreibung für Snyders Versuch, Alan Moores inzwischen renommiertes Graphic Novel aus den achtzigern als Film zu adaptieren.
Trailer zu Watchmen - Die Wächter
Denn hier ist das Problem mit „Watchmen“ von 2009: es ist eine der Vorlage gegenüber außergewöhnlich gewissenhafte Verfilmung, und dadurch eine schwache Adaption und mit Sicherheit kein guter Film.
Macht keinen Sinn? Doch doch, Moment.
Kleiner Exkurs: wir vergleichen hier zwei Medien, ein Buch und einen Film. Bücher konsumieren wir für gewöhnlich über mehrere Stunden, wenn nicht Tage oder Wochen, und dasselbe gilt für so opulente Graphic Novels, die ja nicht umsonst inzwischen „Novels“ heißen. Ein Buch wird regelmäßig weggelegt, um eine Pause zu machen, weshalb eine episodenhafte Erzählstruktur unproblematisch ist oder dem Werk sogar mehr tiefe geben kann. Die Zeit muss man sich auch nehmen, denn weil wir uns nur auf das Wort verlassen müssen, muss detailliert erzählt werden. Hier ist der vielleicht größte Unterschied zum Film: so etwas wie eine Gemütsschwankung kann im Film mit einem Reaction Shot auf das Gesicht und einem kleinen Trick wie einer angespielten Melodie oder Spiel mit der Beleuchtung in zwei Sekunden vermittelt werden. Solche Tricks hat geschriebener Text nicht, da kann schon mal ein ganzer Absatz nötig sein (bei Thomas Mann wären das dann direkt vier Seiten). Aus der Not wird beim Buch aber eine Tugend, weil man eigentlich unendlich Zeit hat, kann man sich diese auch nehmen, um ganze Welten zu erbauen. Kann Film auch, indem er diese einfach zeigt, aber ich würde sagen eine ausufernde Beschreibung ist durchaus „reicher“ als ein paar Sekunden „Vistas“. Das hat Gründe, und die haben direkten Einfluss auf die Struktur von Filmen. Nicht umsonst liegen die meisten Filme immer noch in dem Rahmen 90-120 Minuten (Tendenz seit ein paar Jahren wieder steigend), weil das einfach unsere Aufmerksamkeitsspanne ist. Also muss man beim Film ein paar Dinge beachten, wie man das, was als Text auf Papier steht, visuell schlüssig und zeit-effektiv darstellt, und die Aufmerksamkeit des Zuschauers hält. Die „10 Minuten Regel“ zum Beispiel spielt hier auch eine Rolle, die besagt, dass man in den ersten 10 Minuten den Zuschauer gefangen haben muss, sonst hat der Film schon verloren. Die Kunst ist frei, und diese zu brechen ist jedermanns Recht, aber dies sind gute Daumenregeln, um sein Publikum auch zu erreichen.
Was uns zurück zu „Watchmen“ bringt... Der Film startet zumindest in meinen Augen durchaus stark, der Mord am Comedian wird als stylische Actionsequenz inszeniert, die effektiv in diesem Mysterium mündet, welches den Kern der Handlung bildet: Wer ist der Mörder, der dem Opfer offensichtlich bekannt war, und warum wurde die Tat begangen? Das ist tatsächlich ein gutes Beispiel für effektive Adaption, denn der langsame Start des Buches wurde leicht verändert, um die Aufmerksamkeit zu sichern.
Leider geht es deutlich schwächer weiter. Aus irgendeinem Grund wird die Titelsequenz des Filmes oft als eine der stärksten Szenen von Snyder gelobt, dabei ist genau diese so symptomatisch dafür, was hier schief geht. Für Kenner des Buches ist das ein nettes Kaleidoskop durch diverse Szenen, die eigentlich in verschiedenen Falschbacks erzählt oder beschrieben werden. Aber eigentlich ist es gescheitertes „Worldbuilding“, man versetze sich einfach mal in eine Person, die die Vorlage nicht kennt. Diese Szenen machen zusammen wenig Sinn, die Figuren sind fast alle unbekannt und es besteht kaum Zusammenhang. Man kann erahnen, dass man sich hier in einer alternativen Zeitlinie befindet, aber im ganzen bringen uns diese Minuten wenig.
Und damit habe ich mir auch das erste Stichword geleistet, wo der Film scheitert: das „Worldbuilding“. Dies war eine der großen Stärken der Vorlage, hier hatten wir eine komplett gefüllte, detailliert ausgedachte alternative Welt, die sorgsam mit Erinnerungen, Flashbacks, Zeitungsartikeln, Tagebucheinträgen und sogar scheinbar nicht in die Haupthandlung passenden Comicgeschichten ausgebaut war. Und hier ist auch das Problem der „Adaption“, Snyder behält diese Struktur, natürlich in geschnittener Form, einfach bei. Aber, wie oben erläutert, was als Buch funktioniert, funktioniert nicht unbedingt als Film. Und so werden wir als Zuschauer damit gestraft, dass sich diese Charaktere, oft wichtigem Bindegewebes beraubt, von einem Tableau zum nächsten hangeln. Das ist weniger ein Film, als ein „Best of“ ikonischer Bilder aus dem Buch. Aggressiv auffällig wird dies, wenn man nach 70 oder 80 Minuten, also eine Zeit, wo andere Filme schon komplett fertig oder im dritten Akt sind, auf die Uhr schaut und bemerkt, dass wir immer noch damit beschäftigt sind, nötiges Hintergrundwissen zu befüllen, sich die eigentliche Handlung aber kaum bewegt hat. Durch seine Mutlosigkeit, das Material anzupassen, macht Snyder hier einen Spagat zwischen dem „worst of both worlds“: Die Handlung bewegt sich nicht, UND die Charaktere und Welt fühlen sich seltsam unvollständig und gleichzeitig auch überladen an. Sollte man einmal in den zweifelhaften Genuss gekommen sein, David Lynchs „Dune“ gesehen zu haben, ohne das Buch zu kennen, wird die Verwirrung verstehen, die bestimmt viele hatten. Ein Grund, warum der Film an den Kassen floppte.
Sei es Mutlosigkeit, oder sklavisches Festhalten am Originalformat, bei der Adaption zum Film ist Snyder gescheitert. Leider verschlimmert er dies noch bei der Inszenierung. Die Vorlage stieß das Tor zu ernsteren Comicgeschichten auf, aber im Kern war dies nur ein Aspekt. Die ausführlich durchdachte Welt, die Noir-Mystery Handlung, die moralischen Implikationen und der Fakt, dass sich Moore so hart mit Kostümhelden ins Gericht ging, waren die eigentlichen Erfolgsfaktoren. Snyder will dies umsetzten, daran liegt kein Zweifel, nur leider scheint er die falschen Schlüsse gezogen zu haben. Auch bei Überlänge bleibt von dieser durchdachten Welt und der Handlung wenig. Von der eigentlichen Bedrohung, einer atomaren Apokalypse, bleibt bis auf eine Kubrick-Anspielung (denn Snyder schaut auch Filme yall) wenig übrig, und der zentrale Antagonist wirkt seltsam deplatziert, denn Veidt hat viel zu wenig Screentime. Ohne treibende Kraft in der Handlung wird der Film schnell zäh, um das ganze zu verschlimmern besteht Snyder aber darauf, das ganze durch Monologe und Tagebucheinträge von Rorschach of all things in die Länge zu ziehen. Und dieses Einlagen, die im Kontext des Buches vielleicht noch Sinn machten, werden hier einfach zu selbstverliebtem, pompösen Gebabbel.
Ganz bitter wird es dann allerdings bei der Inszenierung der Charaktere. Diese waren eigentlich bedauernswerte, extrem fehlerhafte Individuen, und das bleiben sie zum Teil auch in der Verfilmung. Snyder kann scheinbar aber nicht ausblenden, wie „cool“ er dieses Buch und die entsprechenden Szenen findet, und scheint auch zu dem Schluss gekommen zu sein, „dunkel“ würde „erwachsen und ernsthaft“ bedeuten. Wie dem auch sei, er inszeniert ausgerechnet die Actionszenen, die im Buch klar im Hintergrund standen, mit großem Fokus auf Style und Gore. Auffällig wird dies vor allem bei dem Kampf in der Gasse und der Rettung aus dem brennenden Hochhaus, um zwei zu nennen. Snyder glorifiziert hier durch Hochglanz und Slow-Motion, was niemals glorifiziert werden sollte. Am aggressivsten wird dieser Irrweg bei der Betrachtung von Rorschach, der zunächst wie eine 1:1 Umsetzung aussieht, den Snyder aber trotzdem für einen „Badass“ zu halten scheint. Wie dem auch sein, er konnte scheinbar seinen inneren Teenager nicht kontrollieren, und so bekommt Rorschach nicht nur die Möglichkeit, bei einer eigentlich kleineren Szene im Gefängnis den harten Hund raus hängen zu lassen, zu allem Überfluss kriegt dieser erbärmliche Charakter, der eigentlich einsam und ohne großen Aufwind krepieren sollte, ein schönes SloMo Ende serviert, komplett mit einem Nite Owl, der lamentierend auf die Knie geht. Thema verfehlt!
Ohne die Kernthemen der Handlung und ordentliche Charakterisierung ist dies fast kein Film, es ist ein Storyboard der Momente, die Snyder als „cool“ empfand, das sich eben bewegt. Ich würde sogar soweit gehen zu sagen, dass man für diese Inszenierung, nämlich einfach das meiste so zu filmen, dass es wie im Buch aussieht, auch mit einem Filmstudenten hätte auskommen können. Das zeigt sich auch daran, wie flach und pedantisch alles gefilmt ist, was nicht genau so im Buch war.
Es ist aber nicht alles mies hier, beim Casting und den Schauspieler_innen kann der Film durchaus punkten. So ist Patrick Wilson etwa ein perfekt gewählter Dan Dreiberg (Nite Owl II), und besonders Jeffrey D. Morgan und Jackie E. Haley können als Comedian und Rorschach Punkte einfahren. Leider wird dies auch fast wieder ausbalanciert, denn Malin Akerman, die Laurie Jupiter spielt, eigentlich das emotionale Herz der Handlung mit den meisten Facetten, sieht gut aus, hat aber die schauspielerische Reichweite eines Holzklotzes. Und Matthew Goode als Adrian Weidt ist purer Camp, der in seiner Überheblichkeit die subtile Unauffälligkeit der Vorlage, die sogar Selbstzweifel hatte, überhaupt nicht trifft.
Und so sehr ich die servile Inszenierung platt gewalzt habe: schlecht sieht das ganze nicht aus.
Was wir am Ende haben, ist eine oberflächliche Action-Verfilmung für die Kenner des Buches, welche diese eigentlich gleichzeitig sofort auf die Palme bringen müsste wenn man mal über die Themen des Buches nachdenkt. Aber Kenner des Buches können wenigstens die offenen Stellen mit ihrem Wissen füllen, was Nicht-Kenner nicht können. Für diese wird der Film leider ein träges Abarbeiten von Szenen bleiben, immer wieder unterbrochen mit Flashbacks und pompösen Geschwurbel. Ich sollte wohlgemerkt erwähnen, dass ich mich auf die Kinoversion beziehe, und weder den „DC“ noch den „UC“ kenne. Da diese allerdings wohl nur noch mehr Material einschieben, ohne die Struktur oder Inszenierung zu ändern, sehe ich hier kaum eine mögliche Aufwertung.
Wenn man ganz leise hinhört, kann man beim Abspann übrigens ein Kichern hören. Das ist nicht der Comedian, das ist Terry Gilliam, der aus der Vorlage eine opulent Miniserie machen wollte, und nach dem Scheitern des Projektes des Buch als unverfilmbar erklärte. Mit nur einem Versuch würde ich die These nicht als bewiesen ansehen, aber so geht das auf jeden Fall nicht.