Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass das Ende von X-Men - Dark Phoenix im Zuge der Nachdrehs umgestrickt wurde - ursprünglich soll es viel von The First Avenger - Civil War gehabt haben, erklärte Regisseur und Drehbuchautor Simon Kinberg erst kürzlich. Cyclops-Darsteller Tye Sheridan geht noch etwas mehr ins Details.
Charles Xavier (James McAvoy) und Scott Summers, also Cyclops, sollten sich an die Vereinten Nationen wenden, um dem Präsidenten mitzuteilen, dass Aliens angreifen und Jean Grey (Sophie Turner) gefangen genommen haben. So in der Art, meint Sheridan. Dann sei eine riesige Schlacht zwischen den Wachen des UNO-Hauptquartiers und Jean entbrannt, bei der sich herausstelle, dass all die Wachen Skrulls sind. Scott werde bei diesem Kampf in den Brunnen vor dem Gebäude geworfen, und Jean schwebe heran und wehre die Skrulls ab, bevor sie ins Weltall entschwinde. Sie verabschiede sich quasi von Scott und Charles. Und danach wäre alles vorbei gewesen, schätzt Sheridan.
Deadline kann bestätigen, dass man von einem eher intimen Endkampf - Jean (sollte auch in einer Fassung sterben, was jedoch nicht gut aufgenommen wurde), Scott und Charles gegen Jessica Chastains Vuk - abgekommen ist, nachdem das Testpublikum offenbar den Wunsch geäußert hatte, am Ende alle X-Men-Helden gemeinsam kämpfen zu sehen. Dass das Ende abgeändert wurde, weil es Captain Marvel zu ähnlich war, stimmt nicht. Niemand bei 20th Century Fox und aus dem Umfeld der Dark Phoenix-Produktion hatte irgendwelche Informationen darüber, wie sich Captain Marvel gestalten würde, bevor der Film veröffentlicht wurde. In diesen Dingen liegen mehrere der Probleme begraben, die nun dafür sorgen, dass X-Men - Dark Phoenix ein Verlust von 100 bis 120 Mio. $ droht.
Diese Probleme fangen schon bei X-Men - Apocalypse an, dem von den Kritikern verrissenen Vorgänger, der einen faden Nachgeschmack hinterlassen hat. Zu Beginn sollte X-Men - Dark Phoenix auch nicht nur ein Film werden - ein Zweiteiler war geplant. Erst spät in der Vorproduktion entschied sich das Studio dagegen, und Kinberg war flexibel genug, um das Drehbuch umzuschreiben. Allerdings soll es sich als schwierig erwiesen haben, die Filmadaption der beliebten "Dark Phoenix Saga" (nach X-Men - Der letzte Widerstand ja schon die zweite, und auch dort war Kinberg beteiligt) richtig hinzukriegen. Kinberg durfte den Film machen, den er machen wollte, und obwohl Fox die Möglichkeit gehabt hätte, einen erfahreneren Regisseur zu wählen, tat man es nicht. Als man dann beschloss, dass es vielleicht doch eine gute Idee wäre, Kinberg zu beaufsichtigen, war es bereits zu spät und die Produktion zu weit vorangeschritten.
Aus den Nachdrehs fürs "Ganzes-Team-Ende" resultierte die erste Verschiebung, von Anfang November 2018 auf Mitte Februar 2019. Doch die Nachdrehs sind nicht an allem schuld - bei X-Men - Dark Phoenix sollen sie sogar kürzer ausgefallen sein als bei X-Men - Erste Entscheidung, X-Men - Zukunft ist Vergangenheit und X-Men - Apocalypse. Die PR- und Marketingabteilungen von Fox haben ebenfalls ihren Teil zum Floppen des Films beigetragen. So sollte X-Men - Dark Phoenix nie ein Sommer-Blockbuster sein, sondern immer abseits der Hauptsaison erscheinen. Und vor Captain Marvel, um der erste Marvel-Film mit weiblicher Hauptfigur zu werden. Dann wurde der Kinostart erneut verschoben, auf den jetzigen Termin am 6. Juni - und das zwei Tage, nachdem im zweiten Trailer noch dick und fett der 14. Februar genannt worden war. Nicht nur verwirrte dies die Fans, es vermittelte auch den Eindruck, dass hier gewaltig etwas faul ist.
X-Men - Dark Phoenix nach Captain Marvel und Avengers - Endgame starten zu lassen, schadete der Resonanz noch mehr. Und das Marketing betreffend: Vor dem Hintergrund der sich anbahnenden Fox-Übernahme durch Disney soll das reinste Chaos geherrscht haben. Alle waren abgelenkt, viele wussten nicht Bescheid (zum Beispiel über die Kino-Konkurrenzfilme wie Pets 2), Führungskräfte kamen und gingen, und die Filmemacher hatten in unterschiedlichen Marketing-Meetings mit unterschiedlichen Leuten zu tun. Als die Übernahme dann unter Dach und Fach gebracht wurde, konnte Disney nicht mehr viel retten - das Marketingmaterial für die CinemaCon Anfang April etwa war schon an Ort und Stelle.