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Forderungen an die Politik

Offener Brief unabhängiger deutscher Filmverleiher

Offener Brief unabhängiger deutscher Filmverleiher
21 Kommentare - Sa, 03.10.2020 von Moviejones
Die Folgen der Corona-Krise für die deutsche Filmbranche sind gravierend. Wir veröffentlichen den offenen Brief von über 30 deutschen Verleihfirmen über die aktuelle Lage und mit Forderungen an Politik und Filmförderungen.

Offener Brief unabhängiger deutscher Filmverleiher

Es ist eine gute Nachricht, dass den Kinos in der Corona-Krise von BKM, FFA und den Länderförderern zum jetzigen Zeitpunkt bereits mehr als 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wurden. Diese Gelder sind zum Teil schnell und unbürokratisch geflossen. Ohne diese Förderungen und Billigkeitsleistungen wäre das Überleben vieler Kinos nicht möglich gewesen.

Doch die Hilfe für die Kinos wurde von den Verantwortlichen bei BKM, FFA und Länderförderern nicht zu Ende gedacht. Es fehlt bis heute die Gesamtsicht auf die Filmwirtschaft und Filmkultur und deren Repräsentanten. Der Kulturort Kino ist ein wichtiges Glied der Filmwirtschaft. Verkürzt man aber im Wesentlichen alle Bemühungen auf diesen einen Ort, werden Filmwirtschaft und Filmkultur insgesamt geschädigt. Hierdurch würde letztlich auch der Kulturort Kino, trotz aller gut gemeinten Förderung, in Mitleidenschaft gezogen. Ohne Filme kein Kino.

Bereits in der Vergangenheit lagen die wirtschaftlichen Risiken eines Filmstarts weitgehend auf den Schultern der Verleiher. Wir starten Filme mit hohem finanziellem und persönlichem Engagement. Dieses Risiko hat sich durch die pandemiebedingte Reduzierung der Sitzplätze vervielfacht. Dennoch sind wir in Vorleistung gegangen. Ohne uns hätten insbesondere die Arthousekinos, die im Fokus der Rettungsbemühungen stehen, seit der Wiedereröffnung der Kinos kein attraktives Filmangebot zu bieten.

Wir alle starten diese Filme in dem Bewusstsein, dass in diesen besonderen Zeiten nur noch ein kleiner Teil der Besucherzahlen möglich ist, die vor Corona möglich waren. Dies liegt nicht nur an den Platzbeschränkungen, sondern auch an der Zurückhaltung des Publikums. Massive Umsatzrückgänge sind die Folge, unter denen alle Verleiher, Produzenten und Kinobetreiber zu leiden haben.

Die Filmbranche ist eng verknüpft – weder startet die Wertschöpfung im Kino noch endet sie dort. Dies ist ein fundamentales Problem, auf das wir seit Beginn des Corona-Lockdowns im März immer wieder aufmerksam gemacht haben und das durch eine reine Risikopufferung althergebrachter Verleihförderung nicht gelöst wird. Die Konsequenz, die wir nun am Markt erleben, sind regelmäßige Startverschiebungen auf 2021 und danach oder gar der Verzicht auf Kinostarts zugunsten von Streaming-Angeboten.

In Deutschland wurden für die Bereiche der Kino- und der Produktionsförderung pragmatische Lösungen gefunden und neue Förderinstrumente aufgesetzt. Für den zentralen Bereich des Filmverleihs haben sich FFA und BKM jedoch entgegen unserer Expertise dazu entschieden, nur auf Fördermodelle aus der Zeit vor Corona zurückzugreifen. Eine Mittelaufstockung der alten Modelle ist aber zur Lösung der aktuellen Aufgaben ungeeignet, denn:

  • Das Modell ausschließlich projektbezogener Förderung in Abhängigkeit von oftmals subjektiv geprägten Förderentscheidungen wird den Herausforderungen in der derzeitigen Situation nicht gerecht. Eine übergreifende strukturelle Unterstützung, in Anlehnung an die Förderung der Filmtheater, wäre hier zielführend.
  • Die vorhandenen Förderinstrumente der BKM kommen ausschließlich deutschen Filme zugute, bei der FFA erweitert um deutsche Koproduktionen. Unsere Aufgabe besteht aber darin, die Kinos mit einem attraktiven und vielfältigen Filmprogramm zu versorgen: Kino ist ein Tor zur Welt. Mit ausschließlich deutschen Filmen lässt sich kein attraktives Programm kuratieren. Aus diesem Grund ist die Vergabe von Fördermitteln an die Kinos ja auch nicht an das ausschließliche Abspiel deutscher Filme gebunden.

Wenn Kulturstaatsministerin Monika Grütters, wie vor kurzem auf der Filmkunstmesse Leipzig, die Filme Systemsprenger und Parasite hervorhebt, müssen wir sie daran erinnern, dass die Herausbringung eines Films wie Parasite von deutschen Verleihfördermitteln ausgeschlossen ist. Und wenn FFA-Vorstand Peter Dinges bei der gleichen Veranstaltung zum wiederholten Male die Ansicht äußert, eine erhöhte Förderquote bei der Herausbringung deutscher Filme käme auch der Herausbringung internationaler Filme zugute, muss man diese Aussage mindestens kritisch hinterfragen.

Um der eklatanten Abwärtsspirale schwindender Kinozuschauer, verschobener Filmstarts und reduzierter Verleihbudgets entgegenzuwirken, braucht es Mut und Expertise. Beides hat die bisherige Ausgestaltung des BKM-Programms "Neustart Kultur" bisher vermissen lassen. Wir wollen nicht akzeptieren, dass die bisher begangenen Fehler erst im Nachhinein evaluiert werden, um dann die nicht mehr reparablen, strukturellen Schäden für die gesamte Kinobranche zu begutachten.

Wir unabhängigen Verleiher wollen starke Filme in die Kinos bringen, um den Stellenwert, den das Kino beim Publikum genießt, weiterhin zu ermöglichen! Wir wollen das Publikum begeistern und dazu bewegen, das Sofa zu verlassen und endlich wieder ins Kino zu gehen! Wir wollen weiterhin Produzenten verlässliche Partner sein und auch in Zukunft neue Projekte mit finanziellem und personellem Engagement ermöglichen!

Wir fordern deshalb dringend Gespräche zur Rettung der Kino- und Verleihbranche, mit dem Ziel, neue und angemessene Modelle zu entwickeln, die es der Filmwirtschaft ermöglicht, diese noch lange nicht ausgestandene Krise zu überleben. Eines dieser Modelle kann konkret die Einführung einer der französischen Referenzförderung entsprechenden Förderung sein, welche das CNC innerhalb weniger Wochen umgesetzt hat und das Anreize für Verleiher schaffte, Filme mit großem Zuschauerpotential auch unter den derzeitigen prekären Bedingungen zu starten. Der Erfolg dieser Notfall-Referenzförderung ließ sich eindrücklich beim Vergleich der aktuellen französischen und deutschen Kino-Besucherzahlen ablesen.

Die 14 Millionen Euro aus dem Paket "Neustart Kultur", die als Unterstützung für den Verleih Produktionen von Produktionen mit deutscher Beteiligung zugesagt wurden, sind ein erster Schritt. Jedoch ist das ausschließliche Festhalten an den althergebrachten Förderinstrumenten nicht zielführend. Es braucht darüber hinaus zusätzliche Mittel sowie eine Unterstützung in Anlehnung an das erfolgreiche französische Modell. Nur so sind wir Verleiher aktuell überhaupt in der Lage dazu, das immense Risiko von Neustarts einzugehen, und es nicht den internationalen Studios gleichzutun, die viele Filme auf 2021 verschieben.

Es geht darum, schnelle und tatsächlich wirkungsvolle Hilfen bereit zu stellen, die der gesamten Wertschöpfungskette der Branche dienen. Es darf nicht sein, dass aus Mangel an Zeit oder Kenntnis zwar gut gemeinte, aber völlig unzureichende und ineffiziente Maßnahmen umgesetzt werden.

Es ist uns allen bewusst, dass es in einer Demokratie nicht immer einfach ist, schnell die richtigen Lösungen umzusetzen. Aber gerade hier zeigt sich die Stärke und die Fachkenntnis der Verantwortlichen, die bereitgestellten Mittel, auch effektiv einzusetzen und damit die Wiederbelebung der Kinos einzuleiten und die Vielfalt der Kultur zu schützen.
 
Die Erstunterzeichnenden dieses offenen Briefes sind:
 
Alamode Filmdistribution – Fabien Arséguel, Tobias Lehmann
Camino Filmverleih – Thomas Reisser, Marcus Machura
Cine Global – Daniel Ó Dochartaigh
déjà-vu film UG – Peter Stockhaus, Jutta Meier
Eksystent Filmverleih – Jakob Kijas
farbfilm verleih GmbH – Alexandre Dupont-Geisselmann, Reno Koppe
Film Kino Text – Jürgen Lütz
Filmpalette Köln oHG – Dirk Steinkühler
FILMPERLEN Filmverleih – Claudia Oettrich
FOUR GUYS Filmdistribution – D. Utz, M. Schwimmer, M. Rößler, E. Lluca
GMfilms – Michael Höfner
Grandfilm GmbH – Patrick Horn
Kinostar Filmverleih – Matthias Roesch, Michael Roesch, Kristian Kossow
Koch Media GmbH – Moritz Peters
Kurzfilm Agentur Hamburg e.V. – Alexandra Gramatke
Majestic Filmverleih GmbH – Benjamin Herrmann
MFA+ FilmDistribution e.K. – Christian Meinke
mindjazz pictures – Holger Recktenwald
Neue Visionen Filmverleih GmbH – Torsten Frehse, Sylvia Müller
Nordlichter Film – Daniel Karg
Pandora Film Medien GmbH – Björn Hoffmann
Piffl Medien GmbH – Hans-Christian Böse
Port au Prince Pictures GmbH - Jan Krüger, Jörg Trentmann
PRO-FUN MEDIA – Marc Putman
Prokino Filmverleih GmbH – Stephan Hutter
Rapid Eye Movies HE GmbH – Stephan Holl, Antoinette Köster
Real Fiction Filmverleih e.K. – Joachim Kühn  
RENDEZVOUS Filmverleih und Schwarz Weiss Filmverleih – Matthias Keuthen
Salzgeber & Co. Medien GmbH – Björn Koll
Tobis Film GmbH - Theo Gringel, Peter Eiff, Timm Oberwelland
Splendid Film GmbH – Dr. Dirk Schweitzer
Weltkino Filmverleih GmbH – Dietmar Güntsche, Michael Kölmel
Wild Bunch Germany – Marc Gabizon, Christoph Liedke
W-Film – Stephan Winkler
X Verleih AG – Leila Hamid, Martin Kochendörfer

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21 Kommentare
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Hanky : : Moviejones-Fan
05.10.2020 08:28 Uhr
0
Dabei seit: 26.05.16 | Posts: 781 | Reviews: 0 | Hüte: 26

@Raven13

Interessanter Kommentar, nur fehlt mir da ganz klar die deiner Meinung nach bessere Handlungsempfehlung. Ein Kommentar in dem es sich leider "mal wieder" etwas sehr einfach gemacht wird und so einiges auch einfach mal weggellassen wird...

Mess with the best die like the rest !

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LastGunman : : Moviejones-Fan
04.10.2020 16:33 Uhr
0
Dabei seit: 05.09.15 | Posts: 372 | Reviews: 1 | Hüte: 6

Corona ist also ein Fliegenfurz... wie sachlich!

Mit ein paar Aussagen stehst du ja gar nicht so falsch dar, Raven13, aber du verharmlost das Virus und die Pandemie einfach.

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Optimus13 : : Sith-Lord
04.10.2020 09:08 Uhr
0
Dabei seit: 09.08.16 | Posts: 1.849 | Reviews: 2 | Hüte: 112

@Raven13

PN ist unterwegs.

Chaos isn’t a pit. Chaos is a ladder.

MJ-Pat
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Raven13 : : Desert Ranger
04.10.2020 01:40 Uhr | Editiert am 04.10.2020 - 01:44 Uhr
0
Dabei seit: 13.02.16 | Posts: 7.210 | Reviews: 105 | Hüte: 638

@ Optimus13

"Es ist wichtig, die Pandemie zu bekämpfen und besonders Gefährdete zu schützen. Dazu kann und muss jeder beitragen."

Solche Aussagen kann ich nicht mehr hören. Klar ist es wichtig, gefährdete Menschen zu schützen, aber zu welchem Preis tun wir das aktuell? Zum Preis von tausenden von Jobs, von Milliarden von Steuergeldern und auf Kosten der Wirtschaft und der anderen Krankenhauspatienten und auch jedes einzelnen Bürgers.

Wenn die Sicherheit und Gesundheit jedes einzelnen so wichtig ist, weshalb wird dann in anderen Bereichen nicht ebenso viel getan? Beispiele:

  • An Kreb sterben immer noch viel mehr Menschen als an Corona. Hätte man die hunderten von Milliaraden Euros in die Krebsforschung gesteckt statt in die Corona-Maßnahmen, könnte man evtl. Millionen Menschen von Krebs heilen.
  • Würde man das Geld in den Klimaschutz, Naturschutz, die Nachhaltigkeit und saubere Energien investieren, könnte man ebenfaslls Millionen von leben retten, dazu noch das Leben der Tierwelt und das Klima schützen, unsere Zukunft! Was ist dagegen bitte Corona? Ein Fliegenfurz!
  • Warum lässt man immer noch zu, dass Zigeretten frei verkauft werden, wo sie doch für Millionen Tote verantwortlich sind?
  • Warum lässt man immer noch zu, dass in jedes Nahrungsmittel Zucker hinzugefügt wird, obwohl Zucker Krankheiten herovorruft, die weitaus schlimmer sind als Corona?
  • Warum lässt man immer noch zu, dass betrunkene Leute Auto fahren dürfen? Es kann doch in der heutigen Zeit nicht so schwer sein, in ALLE Autos ein Atemalkoholprüfgerät einzubauen. Außerdem soltle man vor jeder Fahrt seinen gültigen Führerschein verifizieren lasss. Online-Banking gibt es seit Jahrzehnten, aber ein Kartenlesegerät ins Auto einzubauen, das ist ja soooo schwer. Vernetzt und mit unnützer Technik vorllgestopft sind die Autos ohnehin bereits, weshalb also keine automatische Führerscheinkontrolle?
  • Warum werden Mörder, Kindesvergewaltiger und dergleichen Leute vom Gesetz immer noch geschützt oder gar freigesprochen? Ist das Leben der Kinder etwa nicht genauso schützenswert wie ein 80-jähriger Risikopatient?
  • vieles mehr

Sorry, wer meint, zum Schutz vor einem "kleinen" Virus wie Corona Milliarden von Geldern und tausende von Jobs zu opfern, wäre richtig, der setzt die Prioritäten völlig falsch. Da gbit es Dinge, die vielfach wichtiger sind, aber ignoriert werden.

Abgesehen davon: Risikogruppen mussten auch schon VOR Corona besonders geschützt werden. Vor Pilzinfektionen, vor Grippen, vor Kälte, vor Zugluft, etc. Was ist denn an Corona anders? Die Chance, dass ein gesunder Mensch daran stirbt, ist extrem gering. Und Risikogruppen sind IMMER gefährdet. Täglich sterben zehntausende Menschen, viele davon an Dingen, die man genauso gut verhindern kann wie Corona. Aber NUR gegen Corona werden solch enorme Maßnahmen ergriffen. Warum?

Ein Zauberer kommt nie zu spät. Ebenso wenig zu früh. Er trifft genau dann ein, wenn er es beabsichtigt.

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Optimus13 : : Sith-Lord
03.10.2020 19:04 Uhr
0
Dabei seit: 09.08.16 | Posts: 1.849 | Reviews: 2 | Hüte: 112

Es ist wichtig, die Pandemie zu bekämpfen und besonders Gefährdete zu schützen. Dazu kann und muss jeder beitragen.

Dennoch kann es nicht sein, dass das Kino beinahe schon vorsätzlich geschädigt wird und viele, vor allem kleinere Kinos das nicht überleben. Ein Kino meiner Region wurde bereits von einer größeren Kette aufgekauft, und mein Stammkino hat erst heute, bedingt durch die erneute Verschiebung von James Bond, die Stimme gegen den Umgang mit den Kinos erhoben.

Mir graut davor, was mit dieser Branche in Zukunft passieren könnte. Der Trend geht ohnehin schon immer mehr zu Streaming und VoD, immer mehr weg vom Kino und vom physischen Medium. Mir als jemand, der diesem Hobby mit sehr viel Leidenschaft nachgeht, tut das sehr, sehr weh.

Ich habe nicht die Macht und auch nicht das Wissen, keine Idee, dem Problem zu begegnen. Nach meiner Kenntnis (die auf Aussage meines Stammkinos beruht) ist es bisher zu keiner einzigen Corona-Infektion in einem Kino europaweit (!) gekommen. Das ist per se eine gute Nachricht. Es muss ein Weg gefunden werden, Infektionen so gut wie möglich zu verhindern, gleichzeitig aber ein Kulturgut wie das Kino zu schützen und zu wahren.

Chaos isn’t a pit. Chaos is a ladder.

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
03.10.2020 16:55 Uhr | Editiert am 03.10.2020 - 16:56 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.380 | Reviews: 180 | Hüte: 634

Mit der Kritik an der deutschen Filmförderungspolitik legt der Brief den Finger in die offene Wunde. Dieses System schadet der deutschen Filmkunst mehr, als es ihr hilft, und gehört dringend reformiert.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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