Mein Fazit bzw. meine Bewertung gehört eindeutig in die Schublade „Fankritik mit aufgesetzter Fanbrille“, daher kann ich über die vielen Schwächen des Films fast bedenkenlos hinwegsehen, weil der Film mich als Fan einfach trotzdem ziemlich begeistert hat. Die 181 Minuten vergingen wie im Flug. Endgame ist so vollgestopft mit Anspielungen, Szenenwechseln, Charakteren, Dialogen, Humor, Kämpfen, Handlungsorten und Emotionen, dass ich kaum weiß, worüber ich als erstes nachdenken soll. Der Film hat sehr viel Lob verdient, aber ebenso viel Schelte. Er reißt mich emotional mit, kratzt aber oft dennoch nur an der Oberfläche dessen, was möglich gewesen wäre. Außerdem bekommen leider nicht alle Helden ihre Würdigung und Screentime, die sie verdient hätten.
Was ich Avengers - Endgame vorwerfe, ist, dass er zum Teil Drama sein will, dies aber nicht gänzlich hinbekommt, weil der Film immer wieder einen Rückzieher in die Action und in den Humor macht, wenn Endgame gerade dabei ist, dramtisch zu Höchstform aufzulaufen.
Meiner Meinung nach hätte man aus Endgame zwei Filme machen sollen. Einen Film über die 5 Jahre nach Infinity War und die Planung der Findung einer Lösung. Dieser Film hätte sich auf alle Charaktere noch stärker fokussieren können und hätte den Zuschauer emotional noch viel tiefer hineinziehen können, sodass die Bindung zwischen Zuschauer und Charakteren viel stärker aufgebaut wird. Das wäre dann so eine Art Avengers-Drama gewesen, ohne viel Action, aber gerne drei Stunden lang. Der Fokus sollte auf den Charakteren und deren Gefühlen liegen, auf den Freundschaften und auf zerbrochene Freundschaften und auf den Abgründen, die sich seelisch durch die Verluste bei den Helden aufgetan haben, und weil sie sich selbst die Schuld an dem Versagen geben.
Der zweite Film hätte dann die Zeitreisen und die Endschlacht beinhaltet. So hätte man die Szenen in der Vergangenheit noch viel länger und ausführlicher behandeln können mit viel mehr Problemen in den anderen Zeiten, die erst einmal gelöst werden müssten, ähnlich wie bei Zurück in die Zukunft. Darüber hinaus hätte der Film dann die Siegesfeier nach der Endschlacht und die Rückkehr ins normale Leben behandeln können, mit allem Drum und Dran, Dankesreden der Zurückgekehrten, Entschuldigungen durch die Regierungen gegenüber Steve und Bucky, Trauerreden um die Verluste, Wiederfinden alter Freundschaften, usw.. Etwa 90 Minuten Zeitreisen und nochmal etwa 60 Minuten die Endschlacht und dann nochmal 30 Minuten Abschied / Siegesfeier / Dialoge mit den „Zurückgekehrten“.
Wenn ich nur daran denke, wie geil das hätte werden können und wie viel Potential hier verschenkt wurde, dann trauere ich darum. Der Höhepunkt von 22 Filmen hätte mehr verdient. Der Tod von Natascha, Tony, Vision, Loki und Gamora hätte viel mehr Dramatik verdient. Der Sieg über Thanos und die Heimkehr der Verlorenen hätte ebenfalls einen viel größeren Abschluss verdient. Stattdessen stehen am Ende alle nur stumm da und keiner redet mit dem anderen. Schade.
Eine endgültige Bewertung fällt mir recht schwer. Zuviel ist im Film passiert, um es nach einer Sichtung vollständig verarbeiten zu können. Gerne würde ich ihn direkt noch einmal sehen, um ein besseres Urteil vergeben zu können. Da ich solange aber nicht warten will, hier nur meine Bewertung:
Mit Blick auf die Schwächen und das verschenkte Potential im Drama-Bereich würde ich wohl eher nur maximal 6/10 Punkte vergeben.
Als Fan kann ich die wilde Achterbahnfahrt an Gefühlen und Emotionen und den Abwechslungsreichtum und den Fanservice aber nur geil finden und vergebe trotz der Schwächen 10/10 Punkte für ein geniales Erlebnis im Kino.
Die goldene Mitte ist also:
9/10 Punkte - Hoher Wiederschauwert