Kritik: Hard Candy von meisterlampe1989

Ich habe Hard Candy nicht gesehen, aber nach deinem Text fühlte ich mich an Extremities aus dem Jahr 1986 erinnert. Relativ ähnlich jedoch ohne Kinder in der Handlung.

Sehe ich nach wie vor anders. Der Film wird ja vor allem gelobt, weil das Machtverhältnis eben nicht auf Augenhöhe ist, sondern gänzlich umgedreht wird. Und damit verbunden, was passiert, ist das natürlich eine Rachefantasie.

Außerdem glaube ich, dass der Film beliebig ist, weil er das bestätigt, was man sowieso schon vorher davon halten würde. Ich beschäftige mich schon lange mit dieser Lynchmob-Mentalität im Internet und ich will auch gar nicht alles wiederholen, was da so geschrieben wird... an den Eiern aufhängen ist noch das Harmloseste. Es kann mir keiner erzählen, dass dieses Publikum hinterfragt, ob es richtig ist die Figur von Patrick Wilson zu kastrieren.

Wenn man dafür sensibilisiert ist, erkennt man natürlich auch, dass die Figur von Elliot Page zu weit geht. Aber ich glaube, dass diese Gruppe in der Minderheit ist.

Dass schreibe ich als jemand, der selber schon Moddrohungen erhalten hat, einztig und allein, weil ich auf Facebook mal eben in so einen Kommentarbereich geschrieben habe, dass ich es zutiefst erschütternd finde, dass Menschen heutzutage noch so eine Mob-Mentaliät in sich tragen. Wahre Geschichte. Ich sei selbst pädophil, man sollte mich töten und foltern und im Wald verscharren etc..

meisterlampe1989

Ich weiss ehrlich nicht, was ich von dieser Kritik in Kombination mit deinen Erlebnissen anfangen soll. Die Kritik finde ich gerechtfertigt und richtig, und gar nicht so kontrovers, aber dann daraus einen vokalen Teil der Gesellschaft anzuprangern, halte ich im Kontext der Filmkritik, die an und für sich auch noch recht kurz ist, für etwas zu prominent platziert.

Dass du recht hast, dass wir in einem Rechtsstaat leben, dass Lynchjustiz eigentlich nicht mehr gehen sollte, das steht ja ausser Frage. Aber die Frage danach, dass ein Film gewisse Gewaltphantasien des Publikums bedient, ist ja im Prinzip jedem Actionfilm inhärent, ohne dass die Zuschauer gleich Monster sein müssen. Selbst in Zurück in die Zukunft gibt es arabische Terroristen und ich würde den Film jetzt nicht als islamfeindlich einstufen.

Da sehe ich es ähnlich wie TiiN und sein Vergleich zum farrah Fawcett Streifen: Irgendwie gemeint, nicht gut umgesetzt

@MobyDick

"Ich weiss ehrlich nicht, was ich von dieser Kritik in Kombination mit deinen Erlebnissen anfangen soll."

Ich finde wenn man so extrem auf eine bestimmte Sache abhebt wie ich, kann es nur hilfreich sein zu erläutern, wie ich zu dieser Position gekommen bin. Und das hat mit den genannten persönlichen Erlebnissen zu tun.

@luhp92

Ja, schon. Zumindest in diesem Fall. Der Regisseur muss doch schlau genug sein um zu wissen, dass die Mehrheit der Zuschauer bei diesem Thema sofort extrem emotionalisiert ist und keine Ambivalenz zulassen wird. Somit unterstelle ich ihm bewusst in Kauf zu nehmen, dass sich eine nicht geringe Menge eher daran aufgeilt, was mit Patrick Wilson geschieht, als zu hinterfragen, ob das mit humanistischen Werten, dem Rechtsstaat oder mit einer modernen Ethik vereinbar ist.

Ich hatte beim Zusehen halt immer diesen Gedanken: Patrick Wilson spielt das Leid echt verdammt gut. Ich fand das schwer auszuhalten. Manche schreie sind markerschütternd. Während das bei mir funktioniert hat, werden das viele auch einfach ziemlich geil und befriedigend empfunden haben. Und bei dem Gedanken ekelt es mich.