Montana Sacra - Der heilige Berg (1973)

Weiter geht es in der Jodorowsky Retrospektive, und so langsam macht sich das Gefühl breit, dass seine Version von "Dune" vielleicht der faszinierendste, extravaganteste Science-Fiction Film der Geschichte geworden wäre. Es wäre außerdem ein ziemliches Episodenstück geworden, holprig erzählt und vollgestopft mit den irren Bilder, die im Kopf des Regisseurs herumspuken. Möglicherweise der fantastischste, am besten aussehende Flop der Filmgeschichte. Ich kann es den Produzenten jedenfalls nicht verdenken, dass die den Stecker gezogen haben, nachdem sie "El Topo" und "The Holy Mountain" gesehen haben. Irgendwie auch wieder schade, die ersten zwei Drittel des Filmes sind ein extrem unterhaltsames Trommelfeuer aus satirischen Blasphemien, die Religionen und Institutionen schleifen. Teilweise subtil, teilweise das genaue Gegenteil davon, aber man kann nicht bestreiten, dass Jodorowsky eine bestimmte Vorstellung hatte, wie es war zeigt, und dies durchgezogen hat. Im besten Fall sind diese Zusammenstellungen gut auf den Punkt gebracht, im schlimmsten Fall immer noch schrill genug, um einen etwas zum nachdenken zu bringen.

Leider kann der Film diesen anarchistischen Antrieb nicht komplett durchziehen. Ähnlich wie bei "El Topo" ist das wieder ein Potpourri aus religiösen und spirituellen Versatzstücken und Cross-overs, aber sobald sich die Gruppe an Auserwählten um die Figur des Meisters (natürlich gespielt von Jodorowsky selber) gefunden hat, wird das episodenhafte zur Falle. Der Mangel an Fokus wird zum Problem, und der Film plätschert in unklare Gewässer, statt wie groß angekündigt irgendeine Erkenntnis zu bringen. Die Stärke der Bilder wird auch verwässert, die Tableaus, die am Anfang noch so stark im Kopf blieben, werden zunehmend albern (ich sage nur "Leoparden-Kopf-Brüste") und konfus. Da hilft auch das die berühmte vierte Mauer brechende Ende nur wenig, dass fast schon verzweifelt "Ich bin KUNST!" zu schreien scheint.

Empfehlen würde ich den Film trotzdem, am besten im Doppelpack mit "El Topo". Halt nicht für den Familienabend mit den Großeltern.

@ luhp92

"Falls du die Dokumentation "Jodorowsky´s Dune" noch nicht gesehen hast, wäre es jetzt wohl an der Zeit."

Das ich die gesehen habe ist der Grund, warum ich mir seine Filme gerade anschaue ;)

Zum LSD: er wollte "Dune" ja so drehen, dass der Film wie ein LSD Trip ist. Denke man braucht bei seinen Filmen die Drogen nicht mitbringen.

@ MB80

Hab den endlich nachgeholt, erstaunlich wie unterschiedlich wir den sehen.

Leider kann der Film diesen anarchistischen Antrieb nicht komplett durchziehen. Ähnlich wie bei "El Topo" ist das wieder ein Potpourri aus religiösen und spirituellen Versatzstücken und Cross-overs, aber sobald sich die Gruppe an Auserwählten um die Figur des Meisters (natürlich gespielt von Jodorowsky selber) gefunden hat, wird das episodenhafte zur Falle.

Für mich war das Ende klar der stärkste Teil des Films, diese Episoden zu Beginn fand ich als inkohärente Aneinanderreihung viel zu plump, hat mich des Öfteren an Monty Python erinnert, nur halt in weniger lustig. Als die Gruppe vorgestellt wurde, hatte der Film dann endlich einen roten Faden und im Kontext haben die absurden Ideen für mich dann viel besser funktioniert. Fand auch, dass gerade das Finale auf der Insel unvergessliche Bilder produziert hat, wenn auch nicht zwingend die Leoparden-Kopf-Brüste.^^

PaulLeger:

Ich kann dazu leider nicht mehr viel sagen, nach 1,5 Jahren hat sich der Film bei mir leider relativ schnell verflüchtigt... ich weiß noch, dass in irgendeiner Szene jemand einen goldenen Scheißhaufen gelegt hat, und am Anfang war eine Szene in einer "Fabrik" die in eine ähnliche Richtung ging. Also empfehlen würde ich den Film weiterhin, aber halt eher als Kuriosität ;)

@ MB80

Kuriosität trifft es gut. Ich glaub der Film und auch "El Topo" haben stark von der Zeit profitiert, in der sie rauskamen. Das Zielpublikum dürfte den damals zu 90% mit LSD zugedröhnt geschaut haben, so erklär ich mir auch den Kultstatus, denn nüchtern betrachtet muss ich sagen, dass Jodorowsky filmisch von Leuten wie Bunuel oder Lynch ein gutes Stück entfernt ist. In den letzten Jahren hat dann noch die beweihräuchernde "Dune"-Doku Jodorowskys Status als vermeintliches Genie gefestigt, so dass er jetzt mMn zu Unrecht häufig mit den beiden in einem Atemzug genannt wird.

PaulLeger:

"In den letzten Jahren hat dann noch die beweihräuchernde "Dune"-Doku Jodorowskys Status als vermeintliches Genie gefestigt, so dass er jetzt mMn zu Unrecht häufig mit den beiden in einem Atemzug genannt wird."

Also mein Eindruck von seinen Filmen war irgendwie jedesmal, dass da nocht etwas an Schliff fehlte. Lynch wird ja gerne vorgeworfen, es würde einfach nur improvisieren, was aber nicht stimmt, Lynch macht sich ja extrem viele Gedanken bei seinen Filmen (was Impros ja nicht ausschließt...), und Jodorowsky scheint dagegen oft einfach auf die Leinwand zu knallen, was ihm einfällt. Das kommt datsächlich auch gut bei der genannten Doku rüber, wo er ja alle möglichen wirren Gedanken zum Projekt äußert ohne das Buch je gelesen zu haben. Ich mochte die Doku sehr, habe die glaube ich im Forum auch angepriesen, muss aber sagen, nachdem ich mit ein paar seiner Filme angesehen habe: das hätte auch ein größeres Desaster werden können, als die Version vom Lynch (jetzt nur noch Alan Smithee). Nichtsdesdotrotz hätte ich den natürlich gerne gesehen...

Das Artwork Book, mit dem er damals die Studie Bosse überzeugen wollte, war letztes Jahr übrigens bei Christies in Auction, und ging deutlich unter geschätztem Wert über den Tisch. Vielleicht ist die ganze Geschichte im Nachhinein auch einfach ein wenig über-hyped.

@ MB80

Hm, steh ich da gerade aufm Schlauch oder du?^^ Für mich ist der erzielte Preis deutlich höher als die Schätzungen, das sind doch mehr als 2,5 Millionen statt 35.000?

Ja narrativ lassen seine Filme viel zu wünschen übrig. Ich denke mal sein Film hätte sehr wenig mit Herberts Roman zu tun gehabt. Muss zwar nicht zwingend schlecht sein, aber ich weiß nicht ob man die Vorlage in ein episodisches Kuriositätenkabinett ohne roten Faden verwandelt sehen möchte.

PaulLeger:

Ich glaube ich stehe auf dem Schlach, die benutzen anscheinend immer ein ",". Aber dann muss ich mich auch nicht ärgern, dass ich nicht mitgeboten habe Könnte schwören, als ich damals nachgeschaut habe waren das die angesprochenen 2,6k, aber gut, schön für den Verkäufer.

Das "episodische Kuriositätenkabinett" haben wir ja eigentlich schon mit der zweiten Hälfte von Lynchs Film bekommen, und der ist hart nicht gut mMn. Da bin ich schon sehr froh um die Version von Villeneuve, die ohne die Erklär-Bärin Irulan aus dem Off auskommt.