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Kritik: Mank von Nothing-is-Written

Nothing-is-Written | 01.02.2021

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23 Kommentare
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Nothing-is-Written : : Moviejones-Fan
05.02.2021 13:46 Uhr
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Dabei seit: 04.01.21 | Posts: 303 | Reviews: 2 | Hüte: 46

@luhp92

Mir gefallen diese klassischen Biopics ehrlich gesagt immer weniger, weil ich mir dann denke, dass es da filmisch in Bezug auf die Widersprüche viel mehr zu evaluieren gäbe, als den bloßen Werdegang der Person. Den kann man ja überall nachlesen. Genau das möchte ich nun im Fall von Steve Jobs demnächst einmal tun, um mich dem Film dann vielleicht noch einmal von einer anderen Seite zu widmen. Vielleicht kommt dann der Geistesblitz, dass das ein interessanterer und scharfsinnigerer Film ist, als von mir dargestellt.

Mich stört die oft typische Manier der Biopics. Vielleicht schaue ich aber auch nur die falschen Filme und hege in der Hinsicht darüber hinaus einen speziellen Geschmack? Das möchte ich nicht bestreiten. Ich sehne mich wohl mehr nach der Darstellung des Konflikts, solche Personalien filmisch zu bannen. Quasi bin ich damit mehr am experimentellen Ansatz interessiert, als an einem bekömmlichen Produkt. Filmische Mittel können in diesem Zusammenhang so viel zu einer differenzierten Betrachtungsweise beitragen. Bei Orson Welles Cititzen Kane wurde das genial gelöst: Befrag 5 verschiedene Personen über jemand bestimmten. Je nachdem, in welcher Beziehung sie zu demjenigen Menschen stehen, wirst du vielleicht 5 ganz verschiedene Geschichten hören. Wer hat dann Recht? Biopics geben zu oft vor, dass sie die "richtige Wahrheit" besitzen. Das ist so ermüdend wie falsch. Da fehlt mir das selbstreflexive Moment. Sowohl das, der gewählten ästhetischen Mittel als auch der intellektuellen Selbstbefragung des Kunstschaffenden und ihres Drehteams...

Etwas in der Richtung von Birdman hätte mir persönlich ehrlicherweise deutlich mehr zugesagt. Geschmäcker und Erwartungen sind da verschieden und oft entstehen genau dadurch Konflikte. Siehe etwa Literatur- und Videospielverfilmungen.

Ich werfe mal ein absoultes Extrembeispiel in den Ring: Bronson von Nicolas Winding Refn. Diese Idee empfand ich als wirklich interessant für ein Biopic. Die theatralische Inszenierung durch eine alternative Persona von Tom Hardys Figur. Das hatte etwas Schizophrenes und Vereinnahmendes und wirkte auf mich aufgrund der Künstlichkeit des Rahmens äußerst anziehend in Bezug auf einen Biographien-Film. Da ging es nicht um Akkuratesse und psychologische Einsichtnahme, sondern um das Spiel mit der Selbstinszenierung einer solchen Personalie. Das passt zu der Idee eines sensationslüsternen Gewaltverbrechers

Man hätte das durchaus in Bezug auf die quasi religiöse Thematik der sogenannten "Apple-Jünger" übertragen können. Jobs war ja auch äußerst kalkulierend theatralisch auf den Effekt seiner Vorträge bedacht (die Präsentation des W-Lan bleibt mir wohl auf ewig im Gedächtnis). Warum nicht einen ähnlichen Rahmen wählen, um das zu reflektieren?

(Ich wäre wohl kein guter Drehbuchautor. Diese lose Idee kann man mit Sicherheit wunderbar zerpflücken. Es sollen wirklich nur lose Gedanken darüber sein, wie man die Thematik um einen der größten popkulturellen Figuren des Tech-Business anders hätte reflektieren können. Das wäre durchaus auch in würdevoller Art und Weise möglich. Trotzdem bin ich mir bewusst, dass das vielleicht zu gewollt und überspitzt in Bezug auf den analytischen Geschäftsmann Jobs wäre.)

Den Jobs-Film mit Kutscher habe ich gesehen und lääängst vergessen. Ich glaube dass das so ein Film für einen verregneten Sonntag ist, wo man absolut nichts mit seiner Zeit anzufangen weiß. Mit anderen Worten: Ich lehne mich mal aus dem Fenster und sage: Du hast nichts verpasst. Auch den werde ich mir aber spaßichtshalber noch einmal schauen, um mir eine differenziertere Meinung zu bilden - zumindest teilweise. Ich komme bestimmt darauf zurück und erwähne unsere reichhaltige Diskussion im entsprechenden Kommentarbereich cool

Die Interpretation von Tron: Legacy klingt richtig cool und zynisch. Ich habe bisher nur Ausschnitte von den beiden Filmen gesehen und die habe ich bereits auf meiner Liste. Da werde ich hoffentlich irgendwann dazu kommen, sie zu schauen. Die Prioritäten liegen da aber zugegebenermaßen nicht sonderlich hoch (vielleicht ein Fehler?).

Adam McKay empfinde ich mit den von dir genannten Schwächen ebenfalls als schwierig aber auch unterhaltsam und geistreich. Er hat ein Händchen für kreative Inszenierungsweisen und kann selbst schwierige Zusammenhänge wunderbar leicht verständlich machen. Vielleicht sogar etwas zu einfach, weil die daraus resultierenden Probleme viel zu mannigfaltig scheinen, als dass sie von einzelnen Figuren in ihrer Gänze überblickt werden können. Mit der Zeichnung von gut-böse macht er es sich allerdings deutlich zu einfach. Das stimmt. Insbesondere, weil das wie von dir angesprochen eher die Wissensstände eines liberalen bis linken Publikum bedient, ohne auf die Belange der Gegenseite wertzulegen. Das ist recht einseitig. Bei Vice treffen diese Vorwürfe allerdings mehr zu, als bei The Big Short. Da gab es ja mehrere Rückenfiguren, die realtiv transparent über die Vorgehensweise reflektieren. Dass es darunter auch böse Bänker gibt, ist nun auch nichts neues. Im Gegensatz dazu war Craig Gillespies I, Tonya da schon von deutlich mehr Ambivalenz zu seinem sozio-ökonomischen Umfeld gekennzeichnet. Vor allem durch das spannungsreiche Spiel von White Trash vs. Upper Class und seiner mannigfaltigen Selbstwidersprüche.

Man muss aber auch sagen, dass es einem Regisseur wie McKay wohl auch um sorgfältige Recherche geht und die satirische Form ein probates Mittel darstellt, um die pervertierten ökonomischen Zusammenhänge ad absurdum zu führen. Ich finde in Anbetracht dieser Filme eher die Feststellung bedenklich, dass es keine systemischen Schranken für die Egomanie zu geben scheint. Aus wirtschaftspolitischer Sicht kann ich diese Zusammenhänge in Bezug auf das rücksichtslose Machtstreben der einzelnen Figuren jedenfalls bestens nachvollziehen, wodurch ich die Dämonisierung als nicht ganz so kritisch einordnen würde. Für mich legen die Beiträge eher den Finger in die Wunde der brüchigen Regulierungsmöglichkeiten und des fehlenden Veränderungsstrebens.

Von der Serie zu Parasite habe ich auch gelesen. Ich halte bereits die Grundidee, eine Serie daraus zu machen, für nicht so toll. So wie der Film gestrickt war, hat doch alles gepasst. Da brauche ich nicht die mittellose Familie Smith, die in Übersee genau das Gleiche wie im Film bei den reichen Millers veranstaltet. Außer vielleicht, man bringt eine weitere Note hinein und transzendiert noch das Rassismusthema dazu. Da böte sich ein interessanter Konflikt an, der etwas über die amerikanische Gesellschaft verriete, das im Original nicht angesprochen wurde. Da wäre ich aber eher für einen Film. Scorseses The Departed empfinde ich beispielsweise als sehr interessant in Bezug auf Infernal Affairs. So übersetzt man die Grundidee angemessen, ohne in einer bloßen Kopie zu versacken.

"I have been watching my life. It’s right there. I keep scratching at it, trying to get into it. I can’t." "MAD MEN" S02E12: THE MOUNTAIN KING

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Nothing-is-Written : : Moviejones-Fan
05.02.2021 14:08 Uhr
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@MobyDick

Ich glaube, dass wir uns gerade an dieser Detailfrage aufhängen, liegt daran, dass der Film ansonsten nicht so viel Substanz und Relevanz für unsere heutigen Sehgewohnheiten besitzt. Wie bereits geschrieben ist er nicht einmal in der Wahl der stilistischen Mittel sonderlich spannungsreich und interessant. Natürlich hängen wir uns dann auch sehr am kontroversesten Aspekt auf. Das ist zugegebenermaßen nicht das Hautproblem dieses Films. Wie gesagt ändert das nicht sonderlich viel am Urteil, sondern macht das Gesehene eher noch redundanter/tragischer, da nicht einmal hieraus ein Erkenntnisgewinn resultiert. Wozu aber dann das ganze Theater? Nostalgie ist ja ganz schön, aber er erreicht ja nicht einmal die Klasse und Raffinesse der damaligen Filme. Der Film scheint tatsächlich in allen Belangen aus der Zeit gefallen. Schade um das liebe Geld.

Vielen Dank für die Einladung in diesen reichhaltigen Themenbereich. Davon habe ich bereits mitbekommen und zwei-drei überaus interessante Reviews von dir gelesen. Das Themengebiet ist klar mit vielen diskussionswürdigen und schwierigen historischen Zusammenhängen versehen. Ich finde es richtig stark, dass du dich thematisch da so hineingearbeitet und entsprechend viele Rezensionen verfasst hast.

Der Vergleich mit One Night in Miami passt für mich zumindest insofern, da dieser Film sehr deutlich macht, dass es um eine fiktionalisierende Gesprächskonstellation und die zugehörige Reflexion bestimmter zeitgenössischer Umstände geht. Thematisch bedingt ist das natürlich an ein weitaus tiefgreiferendes Anliegen gekoppelt, das Menschen bis heute verfolgt. Rassistische Ressentiments sind nicht im Ansatz abgeschlossen und der Diskurs darüber kocht gerade so richtig hoch. Die Geschichte Manks und seine kreative Zuschreibung kann man im Gegensatz zu der dort vorliegenden soziologischen Fallhöhe getrost als nette Randnotiz für einige Nerds abtun. Dieser im Kern redundante Vergleich sollte keinesfalls der Abwiegelung der rassistischen Tendenzen und der ereignisreichen Historie um dieses schwerwiegende Thema dienen. Das verbittet sich selbstverständlich. Es ging mir rein um den kreativen Ansatz.

"I have been watching my life. It’s right there. I keep scratching at it, trying to get into it. I can’t." "MAD MEN" S02E12: THE MOUNTAIN KING

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PaulLeger : : Moviejones-Fan
05.02.2021 17:16 Uhr
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Dabei seit: 26.10.19 | Posts: 2.354 | Reviews: 17 | Hüte: 263

@ MobyDick

Da du meine Kritik gelesen hast, weißt du ja, dass ich dem Film trotzdem eine gute Bewertung gegeben habe, ergo hat dieser Punkt meine qualitative Einstufung des Films nicht großartig beeinflusst. Und auch Nothing-is-Written führt doch viel gravierendere Punkte für seine Wertung an als diesen, daher diskutieren wir hier also lediglich einen Aspekt, der die qualitative Einordnung des Werks nicht groß beeinflusst. Dennoch finde ich, dass man diesen Aspekt thematisieren kann und vielleicht sogar muss.

Nun ist die Urheberschaft eines Drehbuchs sicherlich kein Ding, wegen dem man einen großen Aufriss machen müsste und gerade "Mank" dürfte als Nischenfilm ohnehin nur ein kleines Publikum haben (was sich allerdings ändern könnte, wenn er den Oscar für den besten Film erhalten sollte, denn dann dürften viele Netflix-Nutzer, die den Film bislang links liegen gelassen haben, ihn aus reiner Neugier mal anklicken, zumal Netflix den Film dann sicher ganz prominent auf der Startseite platzieren würde). Und der Großteil der Zuschauer wird das, was Fincher ihnen hier auftischt, für die Wahrheit halten, eben weil der Film eine wahre Geschichte präsentiert und sich dabei bewusst historisch gibt.

Und in Fake News-Zeiten finde ich es mit einer "so what?"-Einstellung da nicht getan. Hier darf man den Einfluss, den Filme auf die Meinungsbildung haben, nicht unterschätzen. Um mal ein ungleich problematischeres, weil ein bedeutenderes Thema behandelndes Beispiel zu nehmen: Es ist belegt, dass in den 90ern sehr viele Menschen das von Oliver Stone in "JFK" zusammenfantasierte Verschwörungsgeschwurbel für die Wahrheit hielten und das wohl bis heute noch tun. Mit Geschichtsbüchern beschäftigt sich nach der Schule kaum noch jemand, einen Stargespickten Hollywoodfilm sehen da schon deutlich mehr Leute. Und Stone vertritt seine Thesen ja wirklich überzeugend und zieht gekonnt alle Register der Manipulationsklaviatur, die ihm das Medium Film zur Verfügung stellt, unter propagandistischen Gesichtspunkten macht er glatt Eisenstein Konkurrenz, also wer kann es dem Durchschnittsfilmgucker verdenken?

Im Übrigen wäre da mal eine Neubewertung von "JFK" aus heutiger Sicht im Zeichen von QAnon und Co. interessant. Vielleicht ja was für dich nachdem du deinen Rassismus-Zyklus abgeschlossen hast? wink

Wie schon erwähnt ist der Fall "Mank" da natürlich weniger gravierend, aber daran, dass eine neue Generation an Filminteressierten dazu erzogen wird, Welles für einen Scharlatan zu halten, der das Genie Mankiewicz ausgenutzt hat, kann man sich denke ich schon zurecht stören.

Langer Rede kurzer Sinn: dein Versuch, die Diskussion um historische Ungenauigkeiten zu verbieten, wurde hiermit abgelehnt tongue-out

@ luhp92

Kann mich nur erinnern, dass in "Steve Jobs" Archivmaterial eines Interviews von Arthur C. Clarke vorkam, aber den genauen inhaltlichen Bezug weiß ich auch nicht mehr.

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PaulLeger : : Moviejones-Fan
05.02.2021 17:25 Uhr
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Dabei seit: 26.10.19 | Posts: 2.354 | Reviews: 17 | Hüte: 263

@ Nothing-is-Written

Vorweg: Zu "One Night in Miami" kannst du deine Gedanken ja im dortigen Kommentarbereich hinterlegen, dort hab ich auch schon einen Kurzkommentar abgegeben, dann hätten wir wenigstens eine der Diskussionen hier in den passenderen Bereich ausgelagert, hier sprengen wir gerade ja so ein wenig den Rahmen.^^

Mit deiner Netflix-Kritik rennst du bei mir offene Türen ein. Leider merke ich an mir schon allmählich, dass man sich mittlerweile schon fast mit der Unvermeidlichkeit dieser Entwicklung arrangiert hat. Daher hab ich mich auch gar nicht mehr groß mit dem ins Auge stechenden Widersinn, eine Ode an das Kino beim Totengräber desselben zu veröffentlichen, beschäftigt. Als Scorsese sich an Netflix verkauft hat, hab ich hier noch hitzige Diskussionen über dessen Scheinheiligkeit geführt, mittlerweile bin ich da fast schon abgestumpft, wenn der nächste Filmemacher das Kino verrät. Aber schön, wenn du in der Hinsicht die Fahne hochhältst, ich werde versuchen in der Hinsicht auch wieder meine Resignation abzuschütteln und mit neuem Elan in den Windmühlenkampf zu ziehen.^^

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Nothing-is-Written : : Moviejones-Fan
05.02.2021 17:40 Uhr | Editiert am 05.02.2021 - 18:01 Uhr
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Dabei seit: 04.01.21 | Posts: 303 | Reviews: 2 | Hüte: 46

@PaulLeger

Das mit One Night in Miami ist definitiv ein passender Einwand. Eigentlich sollte das wirklich nur eine kleine Randnotiz sein, ich merke aber, dass sowas natürlich auch erklärungsbedürftiger ist und somit vielleicht gar nicht so zielführend für die Diskussion. Ich beteilige mich da die Tage im passenden Bereich gern. Da fällt mir eine ganze Menge dazu ein...

Das mit der sterbenden Kinokultur im Zusammenhang mit Streaming ist wirklich ein nerviger Aspekt. Amazon macht das ja bei seinen Eigenproduktionen auch liebend gern, in dem vorab eine Animation eines "Amazon-Studios-Kinos" gezeigt wird. Völliger Blödsinn, der mich aufrichtig an deren Feingefühl zweifeln lässt. Grad wenn es nischige Filme sind, schauen die ja eher kino-affine Menschen, die diese Entwicklung kritisch betrachten. Entsprechend würde es mich richtig freuen, wenn du (wieder) als leidenschaftlicher Verfechter der Kinokultur in Erscheinung trittst. Apathie bedeutet, dass man sich abgefunden hat. Das darf man nicht zulassen. Von kritischen Menschen bei den grassierenden Tendenzen und Trends gibt es zu wenige laughing Ich bin etwa jemand, der physische Medien nach wie vor sehr sehr doll schätzt. Das können viele andere Menschen nur schwer nachvollziehen.

Edit: Deinem scharfsinnigen Kommentar zum Fake-News-Sachverhalt und der resultierenden Signalwirkung auf andere DrehbuchschreiberInnen und einem unreflektierteren Publikum kann ich nur beipflichten. Ich wollte das ursprünglich ähnlich schreiben, allerdings wollte ich nicht schon wieder so moralisierend rüberkommen. Der Sachverhalt um JFK ist ein gutes Beispiel um aufzuzeigen, welche Blüten eine solche Herangehensweise treiben kann. Da hilft es im Nachhinein wenig zu sagen, dass das ja bloß Fiktion sei. Die Bilder hallen stärker nach als jeder Kommentar dazu...

"I have been watching my life. It’s right there. I keep scratching at it, trying to get into it. I can’t." "MAD MEN" S02E12: THE MOUNTAIN KING

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
06.02.2021 16:00 Uhr | Editiert am 06.02.2021 - 16:12 Uhr
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Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.396 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@Nothing-is-Written

"Mir gefallen diese klassischen Biopics ehrlich gesagt immer weniger, weil ich mir dann denke, dass es da filmisch in Bezug auf die Widersprüche viel mehr zu evaluieren gäbe, als den bloßen Werdegang der Person."

Biopics, die sich als Abfilmen eines Wikipediaartikels verstehen, reizen mich auch immer weniger. Den Churchill-Film mit Gary Oldman hatte ich mir zum Beispiel zu Beginn vorgemerkt und wollte mir den eigentlich ansehen, habe mittlerweile aber die Lust daran verloren. Aus diesem Grund gefiel mir an "Steve Jobs", dass Aaron Sorkin und Danny Boyle sich für den experimentellen Ansatz mit den drei Ereignissen/Kapiteln und dem "Birdman"-artigen Blick hinter die Kulissen entschieden, um sich Steve Jobs auf diese Art zu nähern. Aber gut, da unterscheidet sich unsere Wahrnehmung wohl etwas, wenn für dich der "Birdman"-Ansatz nicht stark genug verfolgt wurde.

Ich bin nicht der größten Fan von "Bronson" (der arbeitete sich für mich zu sehr daran ab, ein moderner "A Clockwork Orange" zu sein), aber ja, dieser Ansatz für ein Biopic war schon ziemlich interessant.

"Man hätte das durchaus in Bezug auf die quasi religiöse Thematik der sogenannten "Apple-Jünger" übertragen können."

Amüsanterweise findet sich genau dieses Szenario in "Iron Sky: The Coming Race", da hat sich innerhalb der Gesellschaft auf dem Mond eine Elektrotechnik-Religion entwickelt, die deutlich auf die Apple-Gemeinschaft abzielt. War ziemlich witzig. Das könnte man durchaus zu einem abendfüllenden Film ausweiten beziehungsweise man hätte damals für "Steve Jobs" einen solchen Ansatz hätte wählen können, da bin ich bei dir.


Zu "Tron" und "Tron Legacy":

Der erste Film ist ein archaischer Low-SciFi-Fantasyfilm, quasi "Conan" und "Star Wars" in einer virtuellen und rein animierten Welt. Gefiel mir gut, mehr als ein atmosphärisches B-Movie ist das jetzt aber nicht. "Tron Legacy" hat den Ruf, ein audiovisuell genialer Actionfilm zu sein, was er auch ist, aber der Ruf wird dem Film meiner Meinung nach nicht gerecht. Abseits der Apple-Microsoft-Metaebene arbeitet der Film auch viel mit der Beziehung zwischen Schöpfer und Schöpfung (Gott Mensch, Mensch Computerprogramm) aus Basis des altgriechischen und christlichen Glaubens Das im Detail auszuformulieren würde hier jetzt den Rahmen sprengen, gerne kannst du dazu meine Spoiler-Analyse lesen, falls du magst.

https://www.moviejones.de/kritiken/tron-legacy-kritik-4746.html


"Er hat ein Händchen für kreative Inszenierungsweisen und kann selbst schwierige Zusammenhänge wunderbar leicht verständlich machen."

Auf "Vice" mag das zutreffen, "The Big Short" bedient sich aber schon diverser fachchinesischer Begriffe, ohne diese zu erklären oder sie in einen Kontext zu setzen. Das dürfte für Finanz- und Hedgefonds-Laien schwer bis nicht verständlich sein (zu denen ich mich selbst auch zähle). Da fehlt in meinen Augen die Finesse in der Auseinandersetzung mit dem Thema.

Satire als Form der Kritik und des Ad Absurdum Führens ist definitiv legitim, dagegen wollte ich jetzt auch nichts sagen. Ansonsten wäre es auch scheinheilig, da ich gleichzeitig "The Wolf of Wall Street" ziemlich feiere^^ Der Unterschied besteht für mich darin, dass "The Wolf of Wall Street" das rücksichtslose Machtstreben kritisiert und lächerlich macht, gleichzeitig aber auch eine Verbindung zwischen dem kleinen Mann und den reichen Fondsmanagern und Spekulanten herstellt. Anhand Jordan Belforts Werdegang wird geschildert, dass dieser Übergang von der einen "Klasse" in die andere fließend ist. Zudem wird geschildert, dass die Fondsmanager und Spekulanten darauf angewiesen sind, dass der kleine Mann an den kapitalistischen Traum glaubt und den Finanzgurus Glauben schenkt. Der Finanzguru im Film wird ja ausgerechnet von Jordan Belfort persönlich gespielt und das Kameraauge (Kinopublikum) nimmt die Position des Guru-Publikums ein. Das "Wir und die anderen" gibt es in "The Wolf of Wall Street" nicht, bei "The Big Short" sieht es meiner Meinung nach anders aus.

Zustimmung zu "I, Tonya".

Bei der "Parasite"-Serie ist, wenn ich recht informiert bin, noch nicht sicher, ob das einfach nur ein Remake mit zwei US-Familien wird oder ob es sich dabei um eine Erweiterung des südkoreanischen Films handelt, welche die größeren Systemzusammenhänge thematisiert. Beides wurde in News immer mal wieder genannt, Letzteres würde mir besser gefallen.

"Internal Affairs" habe ich noch nicht gesehen, das Scorsese mit "The Departed" den Fokus dann aber auf Boston und auf die US-irische Mafia legt, gefiel mir ebenfalls.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
06.02.2021 16:39 Uhr
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Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.396 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@PaulLeger

Da legst du im Bezug auf heutige Zeiten bei "JFK" genau den Finger in die Wunde. In Zeiten des Internets sind Verschwörungstheorien nochmals populärer geworden. Ich habe "JKF" vor drei Jahren zum ersten Mal gesehen und habe den Film als hervorragenden Thriller sehr genossen, weil ich den Realitätsrattenschanz dieses Verschwörungsszenarios erfolgreich ausblenden konnte. Ich kann aber jeden verstehen, dem sich hier die Zehennägel hochrollen.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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MobyDick : : Moviejones-Fan
08.02.2021 11:35 Uhr
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Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

PaulLeger

Keine Sorge, ich habe noch andere Themen, denen ich mich widmen kann, bevor ich mich sowas wie JFK widme wink

Aber da du so schön fragtest: ich habe JFK tatsächlich in meiner Schulzeit gesehen, und es war damals schon extrem klar für mich, dass es diesen Film in dieser Art so nur geben konnte, da Costner (von dem ich übrigens genau einen Film für gelungen halte!) mit seinem Der mit dem Wolf tanzt das ganz große Ding abgeschossen hatte. Ich habe mich damals bei Sichtung so über diesen Film geärgert, dass ich ihn mir danach nie wieder angeschaut habe und auch nicht vorhabe, es wieder zu tun. Gefühlt war das eine wirre Auflistung von krudesten Behauptungen, die nie untermauert wurden, aber das war auch gar nicht nötig, denn Costner als aufrechter Amerikaner mit Gewissen wird schon recht haben, so kam es natürlich auch zum länsgten Plädoyer in einem Film aller Zeiten. das waren damals 3 vergeudetet Std meines Lebens, und jetzt wo ich noch weniger Restlebenszeit habe, werde ich den teufel tun und mich mit sowas auseinandersetzen, da doch lieber 4 Std den Sendeschluss mit Bernd das Brot anschauen wink

Ich hoffe ich konnte helfen :-D ?

Dünyayi Kurtaran Adam
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