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Kritik: Green Room von Silencio

Silencio | 11.04.2018

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5 Kommentare
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eli4s : : Moviejones-Fan
11.04.2018 18:29 Uhr
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Dabei seit: 22.02.12 | Posts: 2.700 | Reviews: 31 | Hüte: 115

Ich stimme dir natürlich zu, dass man Saulnier aufgrund seiner ersten beiden Filme auf jeden Fall im Auge haben sollte. Inszenatorisch ist Green Room der pure Wahnsinn. Wie er diese Unmengen an Spannung aufbaut, ist außergewöhnlich. Mir war es tatsächlich fast zu viel im Kino und da ich den Film allerdings inhaltlich nicht so stark sehe, wie du, fand ich die ausufernde Gewalt einfach so schockierend und den Film im Zuge dessen einfach nur deprimierend. Und Patrick Stewart fand ich in seiner Rolle gar nicht überzeugend, seine Dialoge teilweise sehr gekünstelt (wobei ich dazu sagen muss, dass ich die deutsche Fassung gesehen habe).

"Doch zuerst passiert etwas interessantes: sobald die Band ihre eigenen Songs spielt, gewinnt sie die Zustimmung der versammelten Nazis. Wenn wir nur hart genug rocken, scheint die Message zu sein, können wir die Faschisten besiegen."

Das ist nebenbei ein interessanter Punkt und eine interessante Perspektive. Ich hätte das nämlich andersrum gesehen. Dadurch, dass die Nazis die selbe Musik mögen, heißt das ja nicht, dass sie damit auch ihre Einstellung ändern oder eben inhaltlich zustimmen.
Vielmehr sehe ich hier die Gefahr, dass die Szene korrumpiert und die Grenzen schwammig wird.

Ich bin selbst auch Sympathisant der Punk/Hardcore Szene, auch wenn ich jetzt nicht tief drin bin, wie andere die ich kenne. Da hatte ich auch mal mit Leuten Diskussionen über so ein Thema. dass es ja durchaus ein Problem ist, wenn man den Unterschied nicht mehr offensichtlich erkennen kann. Weil die mir auch gesagt haben, vom Sound her, vom Look kann man es teilweise kaum unterscheiden und dass es dann natürlich hin und wieder auch mal Krach gibt, wenn da da solche Leute auf den Shows auftauchen. Während dem Studium hatte ich sogar mal erwägt eine Arbeit über die Ästhetik dieser Szene(n) zu schreiben.
Gerade beim Hardcore, wo man dann vom Text oft eh nichts mehr versteht, habe ich da mal ein zwei Musikvideos verglichen, die von der politischen Einstellung her vollkommen auseinander gingen - wenn man es denn wusste - aber eben sonst zumindest für den Laien, kein Unterschied mehr erkennen ließen.

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Silencio : : Moviejones-Fan
11.04.2018 19:12 Uhr
0
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.416 | Reviews: 54 | Hüte: 289

@eli4s:

"Mir war es tatsächlich fast zu viel im Kino und da ich den Film allerdings inhaltlich nicht so stark sehe, wie du, fand ich die ausufernde Gewalt einfach so schockierend und den Film im Zuge dessen einfach nur deprimierend"

Kann ich verstehen, im Kino wäre mir das unter Umständen auch zu viel gewesen. Der geht schon sehr schonungslos mit seinen Charakteren um. Das machte den aber auch so effektiv, da kann jedem wirklich alles passieren.

"Das ist nebenbei ein interessanter Punkt und eine interessante Perspektive. Ich hätte das nämlich andersrum gesehen. Dadurch, dass die Nazis die selbe Musik mögen, heißt das ja nicht, dass sie damit auch ihre Einstellung ändern oder eben inhaltlich zustimmen."

Dazu lädt der Film auch ein, wenn der Messerstecher sagt, er hätte seine Tat zum Song der Aint Rights begangen. Andererseits ist eine von Sams Lonely Island-Bands eben Slayer, die nen mexikanischen Sänger haben und von einem Juden produziert wurden. Ich kann mir schon vorstellen, dass der Messerstecher als Beispiel von "Er versteht es nicht" herhalten soll. Gerade weil "Nazi Punks Fuck Off" so eine wichtige Stellung im Film einnimmt, wo es ja genau darum geht.

Was ich an der Szene so interessant finde, ist, dass sie die Gewalt im Moshpit grundlegend anders inszeniert. Das ist in Zeitlupe, das ist stilisiert, fast schon ein bisschen andächtig. Genau das ist ja, was für viele in der Szene auch den Reiz des Pits ausmacht: man kann zusammen mal alles rauslassen, man braucht kein anderes Ventil mehr.

Das Thema der Grenzaufweichung ist momentan generell sehr heiß diskutiert. Gerade was die Metal Szene angeht, beobachte ich in den letzten Jahren, wie immer mehr "fragwürdige" Ansichten in die Szene geschmuggelt werden und da Anklang finden. Fand ich vor Jahren noch undenkbar, heute werden "Grauzone"-Bands abgefeiert, weil sie eben derbe Sachen sagen.

Gerade was du da über Begegnungen bei Konzerten sagst, ist eine ziemlich wahre Sache. Deswegen fand ich die "Sprich mit denen nur nicht über Politik"-Szene (genau wie die "Ich hatte halt Ärger mit Ausländern") so treffend: das hat man alles schon gesehen. Gerade in der Ecke, wo ich herkomme, gab es einige, die gelegentlich mal Lager gewechselt haben. Eben weil die Musikszenen so eng beeinander sind. Aber das ist von der rechten Seiten auch genau so gewollt, das kann man ja aktuell bei den Nipstern sehen.

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
11.04.2018 20:20 Uhr | Editiert am 11.04.2018 - 20:21 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.340 | Reviews: 180 | Hüte: 634

Einer der ganz wenigen Horror-/Terrorfilme, bei denen ich oft kurz davor stand, den Film abzubrechen. Diese Art der Gewaltdarstellung deckt sich nicht mit meinem Horrorgeschmack - zu gewalttätig, zu viel für meine Nerven.

Siehe auch "Kill List" von Ben Wheatley und das Regiedebut "Fremd in der Welt" von Saulnier-Schauspieler Macon Blair.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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Silencio : : Moviejones-Fan
12.04.2018 12:07 Uhr
0
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.416 | Reviews: 54 | Hüte: 289

@luhp:

Versteh ich vollkommen, sowas ist echt nicht für jeden. Spricht allerdings auch irgendwie für die Effektivität des Films.

Bei jeder anderen Herangehensweise wäre der Saulnier aber dem Thema irgendwie nicht gerecht geworden, denke ich.

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

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MB80 : : Black Lodge Su
14.07.2019 16:27 Uhr
1
Dabei seit: 01.06.18 | Posts: 2.909 | Reviews: 44 | Hüte: 261

Gestern endlich gesehen, und mit der Kritik kann ich so konform gehen. Das ist tatsächlich ein Film bei dem alles fein zusammen läuft, und der auch noch was zum Nachdenken anbietet.

"Gerade eine wirklich böse Armwunde springt dem Zuschauer wegen des Rot/Grün-Kontrastes förmlich entgegen. Dabei achtet Regisseur Saulnier allerdings stets darauf, die teils drastische Gewalt nicht selbstzweckhaft einzusetzen."

Einer der großen Pluspunkte des Filmes, der ihn so unangenehm und gleichzeitig überzeugend macht. Er schafft es tatsächlich, nebenher die Gruppendynamik dieser Gruppe aufzudröseln, die eigentlich nur Gewalt respektiert und bei der Gewalt fest in der Hierarchie verankert ist, sodass die Gewalt im Film nicht nur Splatter Schlock ist.

"Für Anton Yelchin war dies leider der letzte Film, der zu seinen Lebzeiten erschienen ist. Viel zu früh gestorben, zeigt er in „Green Room“, dass eine große Karriere vor ihm gelegen hätte."

RIP Punk-Rock Chekov, ein echter Verlust.

Zum Thema Grenzverwischung (eli4s, Silencio): Ich habe ja diese Hypothese (Achtung, wieder so ein hot take), dass Menschen, die in einem problematischen Umfeld aufwachsen und/oder nicht akzeptiert werden, einfach von der Gruppe radikalisiert werden können die am direktesten für sie greifbar ist, um ihren Frust loszuwerden. Ob das dann rechte oder linke Extremisten sind oder Islamisten ist relativ wurscht... Und so hatte ich die "Trance" Szene im Moshpit und die Musik als verbindendes Element auch durchaus verstenden.

Der Film würde sich bei mir auch so bei 4/4.5 oder B+ einpendeln. Perfekten Score hätte es gegeben wenn sie über den Credits "Nazi Picard Fuck Off!" gespielt hätten tongue-out

"Fanatical legions worshipping at the shrine of my father’s skull."

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