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Kritik: The Irishman von ZSSnake

ZSSnake | 17.11.2019

Hier dreht sich alles um die The Irishman von ZSSnake. Tausch dich mit anderen Filmfans aus.

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22 Kommentare
1 2
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PaulLeger : : Moviejones-Fan
17.11.2019 20:55 Uhr | Editiert am 17.11.2019 - 21:00 Uhr
3
Dabei seit: 26.10.19 | Posts: 2.363 | Reviews: 17 | Hüte: 264

Und wieso ein Martin Scorsese in der heutigen Zeit gezwungen ist, ein solches Großwerk auf Netflix zu veröffentlichen.

Weil ein Studio, das 160 Mio reines Produktionsbudget für einen dreieinhalbstündigen, weitgehend actionfreien Gangsterfilm mit Darstellern, die seit zwei jahrzehnten keinen Box Office-Hit als Hauptdarsteller mehr hatten, bewilligt, nicht mehr ganz bei Trost wäre. Gehen wir mal von einem Gesamtbudget inkl. Marketingkosten von 250 Mio aus, dann hätte der Film an den Kinokassen ca. 500 Mio einspielen müssen, damit das Studio eine schwarze Null schreibt. Man muss sich nur die bis dato erfolgreichsten Filme von Scorsese anschauen um zu sehen, dass der Film sehr wahrscheinlich nicht mal in die Nähe dieser Summe gekommen wäre und dem Studio somit einen massiven Verlust beschert hätte.

Ich bin gegenüber den Kommerz über Kunst stellenden Hollywood-Studios auch eher kritisch eingestellt aber hier kann ich sie verstehen. Gerade für Paramount, welches den letzten Scorsese-Film Silence in die Kinos gebracht hat (und damit Verlust gemacht hat), sieht es derzeit finanziell nicht rosig aus, da hätte eine sichere Box Office Bomb wie The Irishman sogar der letzte Sargnagel für das Studio sein können.

Ich behaupte mal, dass Scorsese seinen Film von einem Hollywood-Studio finanziert bekommen hätte, wenn er die Kosten bei einem realistischen Budget für so einen Film angesetzt hätte. Ein Tarantino hat schließlich auch keine Probleme seine Filme, die nun auch keine sicheren Box Office-Hits sind, zu finanzieren, weil er für sie eben realistische Budgets ansetzt. Für 160 Mio hätte wohl auch kein Studio Once Upon A Time in Hollywood finanziert, für 90 Mio dagegen schon, genauso wäre es wohl auch bei The Irishman gewesen und ohne das Gimmick der digitalen Verjüngung wäre das auch machbar gewesen.

Du schreibst zwar, dass die Verjüngung hier alternativlos war, aber das überzeugt mich nicht. Funktioniert Der Pate 2 etwa nicht, weil Don Vito als junger Mann nicht von einem digital verjüngten Brando gespielt wird? Goodfellas, Es war einmal in Amerika, all diese Epen haben sich mit Make-Up-Arbeit und jüngeren Darstellern beholfen und ich sehe nicht wie ihre Qualität daduch irgendwie geschmälert worden wäre. Wenn The Irishman tatsächlich so großartig ist wie du beschreibst und was ich dir durchaus glaube, dann hätte der Ansatz mit jüngeren Darsteller bzw. Make-Up den Status als Meisterwerk auch nicht gefährden können. Andersrum gesagt: Wenn der Film wirklich dieses Gimmick benötigt, um als Meisterwerk zu gelten, dann ist er eher keins.

Gerade von jemandem, der sich in letzter Zeit derart als große Instanz zur Rettung des Kinos aufgespielt hat, hätte ich eigentlich erwartet, dass er gefälligst seinen Worten nach handelt und diese Kröte des Verzichts auf ein kostspieliges Gimmick schluckt, um den Film in die Kinos bringen zu können statt mit der Veröffentlichung bei Netflix die größte Bedrohung für die Kinokultur zu unterstützen, denn die ist - anders als er uns weismachen möchte - nämlich nicht Marvel, sondern Netlix. So ist Marty, dessen Filme ich sehr schätze, leider extrem scheinheilig.

MJ-Pat
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Parzival : : Kakashi
17.11.2019 21:13 Uhr
0
Dabei seit: 24.11.15 | Posts: 8.005 | Reviews: 56 | Hüte: 425

@PaulLeger

Viele meiner Gedanken in Worte gefasst. Dafür gibts den 2. Hut heute von mir. laughing

Zur Kritik:

Toll geschrieben und steigert meine Lust, den Film zu sehen, auch wenn ich nicht das geringste Interesse an dem Film habe, die Laufzeit viel, viel zu lang ist und das Genre so gar nicht meins ist...zudem hat sich Scorsese nicht gerade beliebt bei mir gemacht in letzter Zeit...dennoch hab ich vor, einige seiner Werke mal zu schauen.

Vielleicht nehme ich mir The Irishman zu Weihnachten vor, mal sehen.

Link zu meinem Letterboxd-Profil /// (ehem. FlyingKerbecs)

MJ-Pat
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ZSSnake : : Expendable
17.11.2019 22:54 Uhr
1
Dabei seit: 17.03.10 | Posts: 8.957 | Reviews: 184 | Hüte: 618

@PaulLeger:

Ich meinte die Frage auch eher so "wie weit ist das Kino gekommen, dass so ein Film im Kino nicht mehr das nötige Geld einspielen würde?". Warum der nicht im Kino gelandet ist, war mir schon klar. Aber trotzdem danke nochmal für die ausführliche Erläuterung.

Was die Gimmickhaftigkeit angeht: Ja klar, man könnte sicher mit Make-Up arbeiten, aber hier bin ich tatsächlich mal auf der Schiene, das ich denke: Wenn man diese Art Technik derartig genial in einen Film implementieren kann, ist das für mich auf nem ähnlichen Level wie Camerons T-1000-Flüssigmetall-Idee Anfang der 90er. Einfach ein Werkzeug, welches es ermöglichte diese Darsteller in verschiedenen Äras zu zeigen und das alles innerhalb eines Films.

@FlyingKerbecs:

Danke erstmal ^^

Ich selbst mag Mafiafilme nicht besonders und habe nie Der Pate oder Goodfellas gesehen, obgleich ich natürlich um ihren Stellenwert als Meilensteine der Kinogeschichte weiß. Einfach nicht mein Genre...Aber ich hab mich darauf eingelassen, allein weil er eine Aura der Endgültigkeit hatte. Wir werden diese Darsteller unter Regie von Scorsese wohl nie mehr sehen. Ob wir sie überhaupt in einem Film dieses Kalibers nochmal sehen können/werden ist mehr als fragwürdig. Entsprechend war es eine Art Filmfan-Obligation den im Kino sehen zu wollen. Die Zeit geht sehr gut um und der Film ist die Zeit auch absolut wert. Aber ich verstehe, wenn die Lautzeit abschreckt.

"You will give the people of Earth an ideal to strive towards. They will race behind you, they will stumble, they will fall. But in time, they will join you in the sun, Kal. In time, you will help them accomplish wonders." (Jor El, Man of Steel)
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PaulLeger : : Moviejones-Fan
17.11.2019 22:57 Uhr | Editiert am 17.11.2019 - 23:00 Uhr
0
Dabei seit: 26.10.19 | Posts: 2.363 | Reviews: 17 | Hüte: 264

@FlyingKerbecs

Dankeschön. Hast du bislang noch gar keinen Film von Scorsese gesehen?

@ZSSnake

Okay, damit hast du natürlich vollkommen Recht. Wobei es solche Filme schon immer schwer hatten und selten große finanzielle Erfolge wurden, Scorsese galt auch in den 80ern schon als Kassengift.

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
17.11.2019 23:46 Uhr | Editiert am 18.11.2019 - 00:17 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.411 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@PaulLeger
"statt mit der Veröffentlichung bei Netflix die größte Bedrohung für die Kinokultur zu unterstützen, denn die ist - anders als er uns weismachen möchte - nämlich nicht Marvel, sondern Netlix."

An dieser Stelle muss ich mal einhaken. Wenn man sich die aktuelle Gleichförmigkeit des Hollywood-Blockbusterbereichs anschaut, da immer mehr Blockbuster die MCU-Formel kopieren, dann kannst du Marvel da nicht aus der Gleichung nehmen. Und den Umstand, dass kreative Filmschaffende (nicht nur Scorsese) verstärkt zu den Streamingdiensten (nicht nur Netflix) abwandern, hat sich das Hollywood-Kino eben selbst herangezüchtet.

Wenn man sich pro Jahr die finanziell erfolgreichsten Filme anschaut, da finden sich fast ausschließlich nur noch Franchisefilme. Gerade der (verdiente) Erfolg von "Joker" zeigt ja, dass es fast nicht mehr anders geht.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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PaulLeger : : Moviejones-Fan
18.11.2019 01:03 Uhr
2
Dabei seit: 26.10.19 | Posts: 2.363 | Reviews: 17 | Hüte: 264

@luhp92

Ich weiß nicht so recht, die Blockbuster (nicht nur von Marvel) laufen doch ganz gut, dieses Kinojahr wird wieder Box Office-Rekorde pulverisieren. Ob Franchise oder nicht wäre eine andere Diskussion, die hier nicht reinpasst, da The Irishman kein Blockbuster ist.

Problematisch ist eher, dass mittelgroße, anspruchsvolle Produktionen wie The Irishman, immer seltener in die Kinos kommen. Da sehe ich aber keinen großen Zusammenhang zum MCU. Die Leute, die früher in diese Filme gegangen sind, bleiben denen heutzutage nicht fern, weil sie stattdessen in MCU-Filme gehen, sonst wäre das früher auch schon der Fall gewesen.

Mega-Blockbuster hat es nämlich schon immer gegeben, damals waren es halt Star Wars, Indiana Jones, Herr der Ringe oder Harry Potter, jetzt eben das MCU. Der Unterschied zu damals sind aber die Streamingdienste, die dafür sorgen, dass viele Leute heute überwiegend zu Hause bleiben und lieber eine hochwertige Serie oder einen Film auf Netflix streamen, statt für einen mittelgroßen Film, der für die breite Masse keinen Eventcharakter hat, ins Kino zu gehen.

Die Studios züchten ein bestimmtes Filmangebot nicht aus eigenem Antrieb heran, sondern reagieren auf die Nachfrage. Wie ZSSnake schon schrieb, letztlich liegt es am Publikum anspruchsvolle Filme zu finanziellen Erfolgen zu machen. Hätten Scorseses letzte Filme mehr als 500 Mio eingespielt, würden Studios auch kein Problem damit haben ihm sein neues Projekt für 160 Mio zu finanzieren, aber so ist es nun mal leider nicht.

Am Ende ist es eine Mischung aus fehlendem Interesse bei weiten Teilen des Publikums, Risikoscheu bei den Hollywood-Studios und mangelnder Kompromissfähigkeit des Regisseurs, die dafür gesorgt hat, dass The Irishman keine großflächige Kinoauswertung bekommt. Wie immer man den jeweiligen Anteil dieser drei auch gewichten mag, Marvel hat damit noch am wenigsten zu tun.

MJ-Pat
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Parzival : : Kakashi
18.11.2019 07:05 Uhr | Editiert am 18.11.2019 - 07:07 Uhr
0
Dabei seit: 24.11.15 | Posts: 8.005 | Reviews: 56 | Hüte: 425

@PaulLeger

Komplett hab ich noch keinen seiner Filme gesehen. Von z.B. Shutter Island oder Departed hab ich Teile gesehen und die waren zugleich die vermutlich größten Spoiler der jeweiligen Filme...daher hätte ich bei den beiden Filmen allein schon weniger Lust sie zu sehen, weil ich weiß, wie sie ausgehen.^^

@ZSSnake

Geht mir genau so. Und wie du werd ich mich auf ein paar Filme einlassen, auch wenn die Lust nicht besonders groß ist, sie zu schauen.^^

@PaulLeger

Wieder die vollste Zustimmung meinerseits. Wir denken bzgl dieses Themas gleich, das gefällt mir. smile

Link zu meinem Letterboxd-Profil /// (ehem. FlyingKerbecs)

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Silencio : : Moviejones-Fan
18.11.2019 09:12 Uhr
2
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

PaulLeger:

"Die Leute, die früher in diese Filme gegangen sind, bleiben denen heutzutage nicht fern, weil sie stattdessen in MCU-Filme gehen, sonst wäre das früher auch schon der Fall gewesen"

Es wächst allerdings auch keine Generation nach, die Nicht-Franchisefilme erfolgreicher macht. Woran das liegt, da müssen wir mutmaßen...

"Mega-Blockbuster hat es nämlich schon immer gegeben, damals waren es halt Star Wars, Indiana Jones, Herr der Ringe oder Harry Potter, jetzt eben das MCU. Der Unterschied zu damals sind aber die Streamingdienste, die dafür sorgen, dass viele Leute heute überwiegend zu Hause bleiben und lieber eine hochwertige Serie oder einen Film auf Netflix streamen, statt für einen mittelgroßen Film, der für die breite Masse keinen Eventcharakter hat, ins Kino zu gehen."

Dazu muss man aber sagen, dass die Industrie für rückläufige Zahlen die Schuld immer woanders gesucht hat: das Radio, der Fernseher, der VHS-Rekorder etc. Letztendlich haben DA die Probleme aber nie gelegen.
Generell halte ich das für eine sehr einseitige Ansicht: man darf nicht vergessen, dass die Studios den Kinos auch arge Knebelverträge aufzwingen, die die Konkurrenz aus den Sälen zwingen soll. Willst du den neuen "Star Wars" zeigen (was du willst, weil der dir ja garantiert mehr Geld bringen wird als "Krebsdrama 3: jetzt wirds richtig traurig"), musst du den x-Wochen auf y-Leinwänden halten, wo z% der Spielzeiten halten muss UND du musst [nächster Disney-Film] schon zusagen. Auf die Art kann "Überraschungskonkurrenz" ja kaum noch anwachsen.

Abgesehen davon ist der "Eventcharakter" ja nicht auf Effektfilme festgelegt, einer der ersten Blockbuster war ja "Der Pate", wo die Leute ja tatsächlich um mehrere Häuserblöcke angestanden haben.

"Die Studios züchten ein bestimmtes Filmangebot nicht aus eigenem Antrieb heran, sondern reagieren auf die Nachfrage."

Ganz so einfach funktioniert (Film-)Marktwirtschaft aber nicht, das Angebot folgt nicht automatisch auf die Nachfrage. Da findet ja eher eine Austauschbewegung statt, die die "Schuld" ja auf beiden Seiten verankert. Persönlich denke ich, dass das Shock and Awe-Marketing, das den Zuschauer an jeder Ecke anlocken soll, einen relativ großen Einfluss hat: wer auf jeder verdammten Zewa-Rolle für Wochen Yoda sieht, der wird sich wahrscheinlich, wenn der Hang dazu schon besteht, in den neuen "Star Wars"-Film locken lassen. Es wird ja von Werbeunternehmen gezielt darauf hingearbeitet, in dir/mir/dem Typen an der Ecke ein Verlangen nach Star Wars/Marvel/Die Glücksbärchis zu erzeugen.

"Am Ende ist es eine Mischung aus fehlendem Interesse bei weiten Teilen des Publikums, Risikoscheu bei den Hollywood-Studios und mangelnder Kompromissfähigkeit des Regisseurs, die dafür gesorgt hat, dass The Irishman keine großflächige Kinoauswertung bekommt. Wie immer man den jeweiligen Anteil dieser drei auch gewichten mag, Marvel hat damit noch am wenigsten zu tun."

Ob ich dem Scorsese da mangelnde Kompromissfähigkeit vorwerfen würde, weiß ich nicht mal: indem er den "konventionell" gedreht hätte, wäre das ja ein komplett anderer Film. Ohne den schon gesehen zu haben (heute oder morgen gehts ins Kino...), würde mich bei Scorsese nicht wundern, wenn in der Machart auch eine Aussage zu finden ist. Denn seine Filme waren ja immer auch Reflexionen aufs Medium. Und das würde ja verloren gehen, würde man da auf Make Up, unterschiedliche Darsteller für die verschiedenen Altersstufen usw. zurückgreifen. Vielleicht ist das einmal ein Film, der GENAU SO gemacht werden musste. ;)

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

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PaulLeger : : Moviejones-Fan
18.11.2019 15:29 Uhr
0
Dabei seit: 26.10.19 | Posts: 2.363 | Reviews: 17 | Hüte: 264

@Silencio

Dazu muss man aber sagen, dass die Industrie für rückläufige Zahlen die Schuld immer woanders gesucht hat: das Radio, der Fernseher, der VHS-Rekorder etc. Letztendlich haben DA die Probleme aber nie gelegen.
Generell halte ich das für eine sehr einseitige Ansicht: man darf nicht vergessen, dass die Studios den Kinos auch arge Knebelverträge aufzwingen, die die Konkurrenz aus den Sälen zwingen soll. Willst du den neuen "Star Wars" zeigen (was du willst, weil der dir ja garantiert mehr Geld bringen wird als "Krebsdrama 3: jetzt wirds richtig traurig"), musst du den x-Wochen auf y-Leinwänden halten, wo z% der Spielzeiten halten muss UND du musst [nächster Disney-Film] schon zusagen. Auf die Art kann "Überraschungskonkurrenz" ja kaum noch anwachsen.

Sicher gibt es selten eine einzelne Erklärung aber gerade das Aufkommen des Fernsehens als Massenmedium Ende der 50er Jahre hat doch für einen deutlichen Abfall der Kino-Besucherzahlen gesorgt, die seitdem nie wieder das Niveau der ersten Jahrhunderthälfte erreicht haben. Da kann man den Einfluss des Fernsehens eigentlich nicht negieren. Das Kino konkurriert mit anderen Angeboten um die Freizeitgestaltung der Menschen, je weniger Konkurrenzangebote es gibt, umso besser gehts den Kinos. Streaming sehe ich da als eine ähnlich große Zäsur wie das Fernsehen in den 50ern, weil es den Leuten ein ähnliches Produkt bietet wie der Kinobesuch, aber deutlich bequemer und günstiger.

Auch damals hat die Industrie auf die neue Konkurrenz hauptsächlich mit aufwändigen Blockbustern, die zu der Zeit eben zumeist monumentale Historienepen waren, reagiert, das Ganze ist also nicht neu. Nachdem Ben Hur ein Riesenhit wurde, hat plötzlich jedes Studio monumentale Sandalenfilme gedreht, heute eifern alle dem Marvel-Erfolg nach. Wenn es analog zu damals zu einer Blockbuster-Übersättigung kommt, entsteht vielleicht ja auch erneut eine Bewegung wie New Hollywood.

Das mit den Knebelverträgen ist ein richtiger Punkt, den man den Studios und da vor allem Disney vorwerfen muss.

Abgesehen davon ist der "Eventcharakter" ja nicht auf Effektfilme festgelegt, einer der ersten Blockbuster war ja "Der Pate", wo die Leute ja tatsächlich um mehrere Häuserblöcke angestanden haben.

Damals war das noch so, wobei Coppola da wirklich das Glück hatte, die Filme genau zum richtigen Zeitpunkt zu machen. 10 Jahre später erlitt Leone mit seinem Gangsterpos eine heftige Bruchlandung, 1990 wurde Goodfellas ein Flop, das Zeitfenster, in dem Gangsterfilme zu Blockbustern werden konnten, war extrem kurz und Coppola hat es genau getroffen.

Heute scheint es ohne Effekte bzw. vielmehr ohne Franchise-Bezug kaum noch zu gehen, zumindest sind das die einzigen Big Budget-Produktionen, wo man im Vorfeld halbwegs sicher mit einem Erfolg rechnen kann, alles andere ist risikobehaftet. Einzige Ausnahme im Blockbuster-Bereich ist wohl Nolan, dessen Name inzwischen so eine Marke ist, dass er schon fast als Franchise durchgeht.

Wäre dein Vorschlag, dass die Studios das Publikum quasi zu anspruchsvollerer Kost erziehen sollen, indem sie mehr Originalstoffe mit hohen Budgets produzieren ohne sicher sein zu können, ob dafür überhaupt eine Nachfrage besteht?

Ganz so einfach funktioniert (Film-)Marktwirtschaft aber nicht, das Angebot folgt nicht automatisch auf die Nachfrage. Da findet ja eher eine Austauschbewegung statt, die die "Schuld" ja auf beiden Seiten verankert. Persönlich denke ich, dass das Shock and Awe-Marketing, das den Zuschauer an jeder Ecke anlocken soll, einen relativ großen Einfluss hat: wer auf jeder verdammten Zewa-Rolle für Wochen Yoda sieht, der wird sich wahrscheinlich, wenn der Hang dazu schon besteht, in den neuen "Star Wars"-Film locken lassen. Es wird ja von Werbeunternehmen gezielt darauf hingearbeitet, in dir/mir/dem Typen an der Ecke ein Verlangen nach Star Wars/Marvel/Die Glücksbärchis zu erzeugen.

Das mag den Erfolg der Mega-Blockbuster erklären aber welche Rückschlüsse zieht man daraus für Filme wie The Irishman? Auf die ist eine solche Marketingkampagne nicht anwendbar.

Bis auf wenige Ausnahmen, wo mehrere Faktoren glücklich zusammengekommen sind, haben solche Filme nie die ganz großen Summen eingespielt. Die einzige Möglichkeit, dass diese Filme weiterhin fürs Kino produziert werden, ist demnach sie in der Produktion möglichst günstig zu halten. Scorsese ist da doch eh noch in einer vergleichsweise komfortablen Lage, was würden da Leute wie Orson Welles sagen, die in den angeblich guten alten Zeiten von den Studios daran gehindert wurden ihre Vision auf die Leinwände zu bringen?

Meiner Meinung nach kann man daher auch einige der Filmemacher, die zu Netflix gehen, nicht ganz aus der Verantwortung nehmen. Mir kann keiner erzählen, dass Noah Baumbach für einen Film wie Marriage Story keinen Verleih gefunden hätte, der den ins Kino bringt. Allein durch den sicheren Oscar-Buzz für Driver und Johansson würde der bei seinem geringen Budget locker Gewinn einfahren. Aber wenn Netflix mit den dickeren Scheinen wedelt, dann verkauft er sich halt an die. Kann er ja machen, aber richtig scheinheilig wirds dann, wenn er oder Scorsese ständig davon reden man solle die Filme doch bitte im Kino gucken.

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MobyDick : : Moviejones-Fan
18.11.2019 16:03 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

PaulLeger

Alles in allem hat deine Argumentation hier und da Hand und Fuss, greift aber bei vielem einfach auch mal zu kurz:

1. Der Vergleich mit den Historienfilmen:

Ben Hur war bei weitem nicht der erste Film dieser Reihe, da gab es vor allem schon das Gewand (erster Technicolor oder Cinemascope Film der Geschichte, so genau weiss ich das nicht mehr) und Quo Vadis (Oscar für Ustinov). Ben Hur war meines Wissens der Höhepunkt.

Ob jetzt die Superheldenfilme unbedingt mit so einer kurzen Ära verglichen werden müssen oder doch eher mit dem Western, wird wohl aber die Zeit zeigen.

2. Das Zeitfenster der Veröffentlichung

Ja, der Pate kam genau zum richtigen Zeitpunkt, aber der mangelnde Erfolg eines Es war einmal in Amerika hat überhaupt nichts mit den 12 Jahren dazwischen zu tun, sondern eher damit, dass wir es in den USA mit einer extrem verstümmelten Version zu tun hatten, welche gerade mal 2 Std auf dem Buckel hatte und die gesamte Struktur des Filmes vernichtet war. In der Zwischenzeit hat sich der Film auch in den USA ein bißchen rehabilitieren können (soweit es für einen italienischen Film möglich sein kann). Für diese steile These meinerseits spricht übrigens auch, dass der deutlich spätere Untouchables ja ein Riesenhit wurde.

3. Kinoepochen an sich

Da mag ich dir nicht wirklich widersprechen, aber ich fürchte, dass ich die Sache tatsächlich doch etwas schwärzer sehe mittlerweile (vor 10 Jahren wäre ich noch auf deiner Seite gewesen). Das differenzierte Erzählen in epischer Form verlagert sich immer stärker ins Heimkino, sei es jetzt sowas wie Game of Thrones, The Wire, die Amazon Tolkien Serie oder was auch immer. Und selbst das intellektuell fordernde Kino läuft mittlerweile über diese Kanäle. Man spricht nicht von ungefähr vom Goldenen Zeitalter des Fernsehens. Das was früher als New Hollywood gefeiert wurde, wurde ja von zweien seiner Vorreiter komplett zu Grabe getragen (Spielberg und Lucas). Der wenig erfolgreiche Versuch, das wieder zu beleben anhand von frechem Independent Kino etwa Anfang bis Mitte der 1990er Jahre durch die Tarantino-Welle und Sundance hat sich ja sukzessive überlebt. Hinzu kommt, dass die fernseher Zuhause einfach auch immer größer werden, so dass man ins Kino tatsächlich immer häufiger in irgendwelche "Event-Filme" geht. Was jetzt der Event sein soll, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Für eine Zeit lang galt ja ein neuer DiCaprio Film auch als Event, siehe den doch unwahrscheinlichen Erfolg von Revenant beispielsweise. Aber selbst ein John Wick musste sich erst über drei Filme zu einem Event entwickeln. Ich fürchte mit der derzeitigen Qualität, die man Zuhause geboten kriegt, muss schon was ganz gravierendes passieren, damit sich sowas wie ein enues New Hollywood überhaupt etablieren kann. Da kann das Superheldengenre vielleicht in 5-10 Jahren abebben, aber dann kommt sicherlich wieder irgendwas Neues (Young Adult ist ja auch schon vorbei). Wer weiss, vielleicht kommt der Sandalenfilm wieder. Aber ich denke nicht, dass die normalen Filme von einst noch eine größere Daseinsberechtigung mehr erfahren werden. Und wenn, dann hauptsächlich als Franchise: Bond, Poirot, Marvel, DC, Star Trek, Star Wars, Fast and Furious, Jumanji, Wick, Jurassic, Avatar. Und immer wird sich das Rad irgendwie neu erfinden müssen, damit da was bei rum kommt - siehe beispielsweise die neuerlichen Mißerfolge von ST und Terminator!

4. Marriage Story

Doch, ich denke, dieser Film hätte es schwer gehabt, einen Verleih zu bekommen, trotz großem Drehbuch und trotz der Schauspieler. Johanson hat zuletzt einen Flop nach dem anderen rausgebracht und Driver ist nunmal abseits seiner SW Rolle ein Independent Darsteller. Selbst der Don Quijpote Film (übrigens ein extrem unterschätzter Gilliam!) ist ja trotz jahrzehntelanger Werbetrommel unrühmlich untergegangen. Die Zeiten, in denen Kramer gegen Kramer Leute ins Kino ltsten sind nunmal vorbei. Schau dir nur den letztjährigen Roma an. Glaubst du ernsthaft, dass dieser Film genauso hätte von einem normalen Studio grünes Licht bekommen hätte? Und nur, um diesen gedankengang abzuschliessen, mit der Zeit wird es auch auf den Streamingdiensten immer schwerer werden, solche Filme produziert zu bekommen, da durch die viel größere Konkurrenzsituation nun sehr viel genauer auf die Produktionen geschaut werden wird. Solche Filme wie Mute oder Roma wird man auch in 5-10 Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen. DEnn Streaming wird dann auch Teil des Old Hollywood werden - nur halt für Zuhause...

Dünyayi Kurtaran Adam
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MobyDick : : Moviejones-Fan
18.11.2019 16:26 Uhr
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Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

ZSsnake:

Wollte nicht unhöflich sein, werde deine Kritik erst lesen, wenn ich dazu komme den Film gesehen zu haben, daher also noch kein Kommentar zu deiner Höchstwertung - ich gehe aber sehr stark davon aus, dass wir uns auf ähnlichem Terrain bewegen sollten...

Dünyayi Kurtaran Adam
MJ-Pat
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ZSSnake : : Expendable
18.11.2019 17:20 Uhr
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Dabei seit: 17.03.10 | Posts: 8.957 | Reviews: 184 | Hüte: 618

@MobyDick:

Kein Thema, verstehe ich. Ob man am Ende ne gute 9,5 abwertet und ne 9 draus macht oder sich mal traut die 10 zu zücken ist sicherlich diskutierbar. Aber ich denke immer noch über den Streifen nach und überlege sogar, die 3 1/2 Stunden Kino diese Woche ein zweites mal mitzunehmen.

"You will give the people of Earth an ideal to strive towards. They will race behind you, they will stumble, they will fall. But in time, they will join you in the sun, Kal. In time, you will help them accomplish wonders." (Jor El, Man of Steel)
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PaulLeger : : Moviejones-Fan
18.11.2019 19:30 Uhr
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Dabei seit: 26.10.19 | Posts: 2.363 | Reviews: 17 | Hüte: 264

@MobyDick

1. Richtig, aber die große Welle und damit die Eintönigkeit kam erst ab Beginn der 60er, während die 50er neben den vereinzelten Monumentalfilmen noch genügend andere Produktionen hervorgebracht haben. Wenn man in der Zukunft auf die heutige Blockbuster-Ära zurückblickt wird wohl auch 2012 (The Avengers) oder 2008 (Iron Man) als Ausgangspunkt der großen Comicfilm-Schwemme angesehen, obwohl die Phase der modernen Superhelden-Blockbuster eigentlich schon 2000 mit X-Men begonnen hatte.

2. Also The Untouchables passt für mich nicht in die Reihe der Gangster-Epen, Capone ist da nur für ein paar Füllerszenen drin und trägt kaum zur Handlung bei, hauptsächlich wird da die Arbeit der Gesetzeshüter in den Blick genommen und nicht die Strukturen des organisierten Verbrechens. Außerdem ist er im Vergleich zu den anderen Beispielen auch deutlich handlungsorientierter und actionreicher, was ihn direkt zugänglicher für die breite Masse macht. Ich bezweifle zudem, dass Es war einmal in Amerika in der von Leone gewünschten Fassung ein Hit geworden wäre. Selbst Spiel mir das Lied vom Tod wurde auf dem Höhepunkt der Italo-Western in den USA ein Flop, hauptsächlich wegen des opernhaften und betont langsamen Stils und den trieb Leone bei seinem Ganster-Epos ja auf die Spitze.

4. Nicht die Starpower der Darsteller, sondern der Oscar-Buzz um sie und den Film sind entscheidende Faktoren, die ein gutes Box Office-Ergebnis sehr wahrscheinlich werden lassen. Hier mal ein paar ausgewählte Filme der letzten Jahre, die im Vorfeld der Oscars einen gewissen Hype erfahren haben und ihr Einspiel: Green Book: 321 Mio, La La Land: 446 Mio, Moonlight: 65 Mio, Lady Bird: 78 Mio, Vice: 76 Mio (wurde dennoch zum Flop weil er viel zu teuer war, da sieht man das Problem), The Favourite: 95 Mio.

Allen Filmen ist gemeinsam, dass sie hauptsächlich aufgrund der Aufmerksamkeit durch die Oscars mindestens gute bis überragende Einspielergebnisse erzielt haben. Zugegebenermaßen ist Marriage Story mit Green Book oder La La Land nicht vergleichbar und würde natürlich deutlich weniger einspielen als diese Mega-Erfolge. Da er aber ein Budget von lediglich 18 Mio aufweist, hätte selbst das Einspiel von Moonlight für einen Gewinn gereicht. Vom Prestigegewinn für das Studio ganz zu schweigen, daher kann ich mir nicht vorstellen, dass da kein Studio zugegriffen hätte. Gerade für Fox Searchlight oder A24 ist der Film doch das perfekte Beuteschema.

Meiner Meinung nach hält die Academy daher auch den Schlüssel in Händen um das Szenario zu verhindern, das du in deinem Beitrag ausgemalt hast. Würden die ihre Regularien dahingehend anpassen, dass Filme sich nur dann für die Oscar-Verleihung qualifizieren, wenn sie einen exklusiven wide release im Kino für mindestens 3 Monate hatten, bevor sie gestreamt werden, dann wäre die Zukunft solcher Filme in den Kinosälen weiterhin gesichert, denn kein Regisseur oder Schauspieler, der was auf sich hält, würde dann noch in Prestigeproduktionen von Netflix mitwirken, wenn die dann immer noch auf ihr zeitnahes Streaming pochen und sich somit selbst von der Verleihung des wichtigsten Filmpreises ausschließen. Spielberg hat sowas ja schon angeregt, das sollte mMn dringend auf die Agenda.

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Silencio : : Moviejones-Fan
18.11.2019 20:03 Uhr
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Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

PaulLeger:

"Sicher gibt es selten eine einzelne Erklärung aber gerade das Aufkommen des Fernsehens als Massenmedium Ende der 50er Jahre hat doch für einen deutlichen Abfall der Kino-Besucherzahlen gesorgt, die seitdem nie wieder das Niveau der ersten Jahrhunderthälfte erreicht haben. Da kann man den Einfluss des Fernsehens eigentlich nicht negieren. Das Kino konkurriert mit anderen Angeboten um die Freizeitgestaltung der Menschen, je weniger Konkurrenzangebote es gibt, umso besser gehts den Kinos. Streaming sehe ich da als eine ähnlich große Zäsur wie das Fernsehen in den 50ern, weil es den Leuten ein ähnliches Produkt bietet wie der Kinobesuch, aber deutlich bequemer und günstiger."

Zuerst möchte ich anmerken, dass man die Zahlen der ersten Jahrhunderthälfte mit denen von heute schlecht vergleichen kann. Das hat natürlich mehrere Gründe (Veröffentlichungsfenster waren größer, Filme konnten nur im Kino geschaut werden, aber auch: die Zahlen sind teilweise widersprüchlich und wurden nicht immer genau erhoben), macht aber den Vergleich der absoluten Zahlen etwas kompliziert.
Zum einen möchte ich festhalten, dass ich die Wirkung des Fernsehens keinesfalls abstreiten wollte: dass das Fernsehen einen Einfluss auf die Freiteitgestaltung der Menschen hat, liegt ja auf der Hand. Hinzu kommen natürlich noch Faktoren wie die Zweitverwertung ("Warum zum Kino, wenn der irgendwann im Fernsehen läuft?" - als damaliges Äquivalent zum heutigen "Ich warte auf Netflix"), die den Drang in die Kinos zu eilen zusätzlich gedämpft haben.

Auf der anderen Seite liegt die Schuld am Abwandern aber eben nicht (nur) beim Fernsehen: wenn die Leute zuhause bleiben, weil das Kino ihnen ein "ähnliches Produkt" liefert, muss man sich bemühen, ein konkurrenzfähiges, besseres Produkt zu liefern. Wie das aussieht, kann ich natürlich nicht abschließend sagen.

"Auch damals hat die Industrie auf die neue Konkurrenz hauptsächlich mit aufwändigen Blockbustern, die zu der Zeit eben zumeist monumentale Historienepen waren, reagiert, das Ganze ist also nicht neu. Nachdem Ben Hur ein Riesenhit wurde, hat plötzlich jedes Studio monumentale Sandalenfilme gedreht, heute eifern alle dem Marvel-Erfolg nach. Wenn es analog zu damals zu einer Blockbuster-Übersättigung kommt, entsteht vielleicht ja auch erneut eine Bewegung wie New Hollywood."

Und gerade weil es nicht neu ist, ist es verwunderlich, dass man es wieder so versucht und wieder Filme dreht, die im Falle eines Flops ein Studio fast im Alleingang versenken können.
New Hollywood ist da mMn für die Zukunft eher kein treffender Vergleich, weil es insoweit keine Vorläuferbewegung gibt, auf die man bei den Studios zeigen kann (wie die diversen "Neuen Wellen" des europäischen Kinos, die zeitig vorgelagert waren bzw. dann ja noch parallel ausliefen). Da ist wohl eher sowas wie der Indieboom der 90er heranzuziehen, der aber natürlich auch auf den Schultern von New Hollywood stand. Man könnte A24 ja zB als geistigen Nachfolger von Miramax sehen...

"Damals war das noch so, wobei Coppola da wirklich das Glück hatte, die Filme genau zum richtigen Zeitpunkt zu machen. 10 Jahre später erlitt Leone mit seinem Gangsterpos eine heftige Bruchlandung, 1990 wurde Goodfellas ein Flop, das Zeitfenster, in dem Gangsterfilme zu Blockbustern werden konnten, war extrem kurz und Coppola hat es genau getroffen."

Das bestreite ich nichtmal: es geht vielmehr darum, dass Eventcharakter und Effekte nicht gleichbedeutend sind. Drei Jahre später haben wir "Der weiße Hai", bei dem Bruce am ersten Drehtag untergegangen ist und der dementsprechend weitgehend ohne seinen Hauptschauwert auskommen musste. Trotzdem ein absoluter Kassenschlager.

"Heute scheint es ohne Effekte bzw. vielmehr ohne Franchise-Bezug kaum noch zu gehen, zumindest sind das die einzigen Big Budget-Produktionen, wo man im Vorfeld halbwegs sicher mit einem Erfolg rechnen kann, alles andere ist risikobehaftet. Einzige Ausnahme im Blockbuster-Bereich ist wohl Nolan, dessen Name inzwischen so eine Marke ist, dass er schon fast als Franchise durchgeht."

Wir sehen ja jetzt gerade an "Joker", dass es keine Effekte braucht (und wegen dem du wahrscheinlich "bzw." geschrieben hast). An der Argumentation stört mich übrigens, dass sie voraussetzt, es würde nicht anders gehen: es ging ja bereits anders. Und die Bewegung "neues Medium -> mehr Bombast" sehen wir immer wieder und sie bietet allenfalls kurzzeitig Aufschub.
Abgesehen davon gibt es ja die letzten Jahre im Horrorbereich immer wieder extrem rentable Filme - was zum einen von der Notwendigkeit der großen Effekte wegdeutet, zum anderen aber auch wieder eine Parallele zum Kino der Fünfziger ist. Und ja, das sind moderate (Überrasschungs-)erfolge, die nicht wirklich mit "Endgame" oder dem Durchschnittsfilm im MCU zu vergleichen sind. Brauchen sie aber auch nicht sein, weil sie halt wesentlich günstiger sind. Und sie sind halt auf Dauer nicht so schädlich für die Kinokultur...

"Wäre dein Vorschlag, dass die Studios das Publikum quasi zu anspruchsvollerer Kost erziehen sollen, indem sie mehr Originalstoffe mit hohen Budgets produzieren ohne sicher sein zu können, ob dafür überhaupt eine Nachfrage besteht?"

Auch wenn das grundsätzlich nicht die Diskussion ist, die wir gerade führen: Mein Vorschlag, wenn man es denn so nennen wollte, würde wohl eher in eine andere Richtung gehen: weg vom Tentpole (und aufgeblähten Budget), hin zu größerer Diversifizierung. Ein angebotsreicherer Markt kann eher mal ein paar Rückschläge einstecken als einer, der nur ein Produkt anbietet.
Abgesehen davon würde es dem Studiofilm bestimmt gut tun, wenn mal wieder mehr mutige Filme (nicht im Bezug aufs Budget, sondern mit Blick auf Aussage/Inhalt) gedreht werden würden. Ich glaube, es gibt relativ viele Wege aus der Krise, mehr als ich aufzählen könnte, man müsste nur bereit sein, sie auch zu gehen.

"Das mag den Erfolg der Mega-Blockbuster erklären aber welche Rückschlüsse zieht man daraus für Filme wie The Irishman? Auf die ist eine solche Marketingkampagne nicht anwendbar."

Um die Übertragbarkeit der Werbekampagne geht es nicht. Es ging darum, dass Nachfrage nicht einfach wie von dir angedeutet entsteht, sondern sie auch zielgerichtet geweckt wird. Könnte man einen Film wie "The Irishman" auf die gleiche Art vermarkten? Wahrscheinlich nicht, weil sich Filme abseits des Vier Quadranten-Modells generell nicht für flächendeckendes Marketing eignen. Aber mit seinen (heutzutage ja fast moderaten) 140 bis 160 Millionen muss er das ja nicht. Ich denk schon, dass ein findiges Marketingteam den in die schwarzen Zahlen hieven könnte.

Abgesehen davon würde ich natürlich jede Zewa-Rolle mit De Niros Gesicht drauf kaufen...

"Bis auf wenige Ausnahmen, wo mehrere Faktoren glücklich zusammengekommen sind, haben solche Filme nie die ganz großen Summen eingespielt. Die einzige Möglichkeit, dass diese Filme weiterhin fürs Kino produziert werden, ist demnach sie in der Produktion möglichst günstig zu halten. Scorsese ist da doch eh noch in einer vergleichsweise komfortablen Lage, was würden da Leute wie Orson Welles sagen, die in den angeblich guten alten Zeiten von den Studios daran gehindert wurden ihre Vision auf die Leinwände zu bringen?"


Die "angeblich guten alten Zeiten" in denen Welles gedreht hat, sind ja nicht die, die Scorsese meint, wenn er von der Vergangenheit spricht. Niemand verwechselt hier das Studiosystem mit dem Kino, in dem persönlicher Ausdruck möglich war. Tatsächlich geht es eher darum, die Freiheiten, die sich einige Filmschaffende mühsam erkämpfen mussten und die seit Jahren von den Studios zurückgeschraubt werden, zu behalten. Da hätte der Welles vielleicht sogar anerkennend genickt...

"Meiner Meinung nach kann man daher auch einige der Filmemacher, die zu Netflix gehen, nicht ganz aus der Verantwortung nehmen. Mir kann keiner erzählen, dass Noah Baumbach für einen Film wie Marriage Story keinen Verleih gefunden hätte, der den ins Kino bringt. Allein durch den sicheren Oscar-Buzz für Driver und Johansson würde der bei seinem geringen Budget locker Gewinn einfahren. Aber wenn Netflix mit den dickeren Scheinen wedelt, dann verkauft er sich halt an die. Kann er ja machen, aber richtig scheinheilig wirds dann, wenn er oder Scorsese ständig davon reden man solle die Filme doch bitte im Kino gucken."

Das ist allerdings nur eine Mutmaßung, außer du hast da jetzt Informationen, die ich nicht habe. Abgesehen davon muss der Baumbach auch wissen, ob er die Johansson und den Driver bezahlen kann, bevor er zu einem Studio gehen kann, um denen den Film anzudrehen.

Ob man die Filmemacher selbst zur Verantwortung ziehen will, ist natürlich eine Frage. Wenn die ihre Filme nicht anders finanziert kriegen, was ja zumindest beim Scorsese und "The Irishman" keiner bezweifelt, sollten sie die dann lieber nicht drehen?
Ich halte es persönlich nicht für scheinheilig zu sagen, man wünsche sich für seinen Film gerne einen anderen Vertriebsweg, aber die Industrie gebe einen solchen nicht her.

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19.11.2019 00:53 Uhr | Editiert am 19.11.2019 - 00:54 Uhr
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@Silencio

Bei den ersten Punkten stimme ich dir größtenteils zu.

Um die Übertragbarkeit der Werbekampagne geht es nicht. Es ging darum, dass Nachfrage nicht einfach wie von dir angedeutet entsteht, sondern sie auch zielgerichtet geweckt wird. Könnte man einen Film wie "The Irishman" auf die gleiche Art vermarkten? Wahrscheinlich nicht, weil sich Filme abseits des Vier Quadranten-Modells generell nicht für flächendeckendes Marketing eignen. Aber mit seinen (heutzutage ja fast moderaten) 140 bis 160 Millionen muss er das ja nicht. Ich denk schon, dass ein findiges Marketingteam den in die schwarzen Zahlen hieven könnte.

Das bezweifle ich wie unten bereits ausgeführt eben stark. Die erfolgreichsten Scorsese-Filme Shutter Island und The Wolf of Wall Street haben 294 bzw. 392 Mio eingespielt und die profitierten mMn stark vom DiCaprio-Effekt, der für mich einer der letzten Superstars ist, für den die Leute tatsächlich noch ins Kino gehen (daher kann er es sich auch leisten keine Rollen in Franchise-Filmen anzunehmen). Selbst die beste Marketing-Kampagne der Welt schafft es nicht einen Dreieinhalb-Stunden-Film mit abgehalfterten Altstars (nicht meine Meinung aber so werden sie wohl vom Durchschnittskinogänger gesehen angesichts ihrer Filmographie in diesem Jahrhundert) und ohne große Action zu einem 500 Mio-Einspiel zu verhelfen, das bei diesem Budget aber nötig wäre.

Die "angeblich guten alten Zeiten" in denen Welles gedreht hat, sind ja nicht die, die Scorsese meint, wenn er von der Vergangenheit spricht. Niemand verwechselt hier das Studiosystem mit dem Kino, in dem persönlicher Ausdruck möglich war. Tatsächlich geht es eher darum, die Freiheiten, die sich einige Filmschaffende mühsam erkämpfen mussten und die seit Jahren von den Studios zurückgeschraubt werden, zu behalten. Da hätte der Welles vielleicht sogar anerkennend genickt...

Dann meint er also die kurze Epoche von 67 bis 80? Dann kommt seine Kritik aber reichlich spät und an die falsche Adresse, die beiden Hauptverantwortlichen (neben Cimino) müsste Marty doch sogar auf Direktwahl im Telefon gespeichert haben, da hätte er Steve und George doch einfach anrufen und ihnen seine Meinung geigen können was er davon hält, dass sie mit der Entwicklung des Blockbuster-Konzepts das Autorenkino fast gekillt haben.

Das ist allerdings nur eine Mutmaßung, außer du hast da jetzt Informationen, die ich nicht habe. Abgesehen davon muss der Baumbach auch wissen, ob er die Johansson und den Driver bezahlen kann, bevor er zu einem Studio gehen kann, um denen den Film anzudrehen.

Klar spekulier ich hier, aber einen 18 Mio-Film zu stemmen, der mit seinem Oscar-Buzz marketingtechnisch ein Selbstläufer ist, wäre nun wirklich nix, was in den letzten Jahren aus der Reihe fallen würde. Die Studios haben u.a. einem in den USA kaum bekannten griechischen Regisseur, der davor nur obskure Grotesken für Freunde des absurden Arthouse-Geschmacks inszeniert hatte für einen Kostümfilm über drei Zicken am englischen Hof des 18. Jahrhunderts 15 Mio bewilligt oder für ein Biopic über einen farblosen US-Vizepräsidenten, für den sich in den USA aktuell kaum einer interessiert, 60 Mio (!) locker gemacht, nur weil sie sich davon Oscar-Prestige erhofft haben und dann sollen ihnen 18 Mio für einen Film, der ein Thema hat, das viele Menschen ansprechen dürfte und zudem zwei sehr bekannte Stars vorweisen kann, ein zu großes Risiko gewesen sein? Erscheint mir unwahrscheinlich.

Einige Superstars machen für die Möglichkeit, in anspruchsvollen Filmen mitzuwirken, Abstriche bei der Gage, dies ist mit Sicherheit ein Beispiel dafür, denn bei einem 18 Mio-Gesamtbudget muss allein Johansson ja schon auf ihr übliches 20 Mio-Salär verzichtet haben. Wenn die Rolle wie in diesem Fall auch noch gute Oscar-Chancen verspricht, dann sind die Stars erst Recht bereit finanzielle Abstriche zu machen, das seh ich also nicht als großes Finanzierungsproblem.

Ob man die Filmemacher selbst zur Verantwortung ziehen will, ist natürlich eine Frage. Wenn die ihre Filme nicht anders finanziert kriegen, was ja zumindest beim Scorsese und "The Irishman" keiner bezweifelt, sollten sie die dann lieber nicht drehen?
Ich halte es persönlich nicht für scheinheilig zu sagen, man wünsche sich für seinen Film gerne einen anderen Vertriebsweg, aber die Industrie gebe einen solchen nicht her.

Für mich gab es wie gesagt noch eine dritte Option: Verzicht aufs De-Aging und damit Senkung des Budgets auf eine Summe, die ihm ein Hollywood-Studio bewilligt hätte. In deinen ersten Punkten hast du doch gerade für eine Abkehr von der Megalomanie Hollywoods plädiert, daher müsste dieser Gedankengang für dich doch auch nachvollziehbar sein oder gilt dieser Ratschlag für Scorsese nicht?

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