Nachdem sie jahrelang die gefährlichsten Verbrecher des Landes verteidigt war, bietet ein neuer Fall der mexikanischen Anwältin Rita die Möglichkeit, sich reinzuwaschen. Sie soll nämlich dem Drogenkartellboss Juan "Manitas" Del Monte helfen, aus dem Geschäft auszusteigen und zu verschwinden. Sein Plan ist es, sich einer geschlechtsangleichenden Operation zu unterziehen, sodass er endlich als Frau leben kann. Das Problem ist nur, dass er dann seine Frau und die beiden Kinder nicht mehr sehen kann.
@PaulLeger
Bei Superman hat das Nicht-Erkennen jetzt allerdings nichts mit der Repräsentation realer Menschen zu tun, erst recht keiner gesellschaftlichen Minoritäten. Und die Geschlechtsangleichung ist auch keine Verkleidung zum Schutz (die Superman sogar wieder abstreifen kann) sondern eine Lebensentscheidung. Da kann ich nachvollziehen, wenn es Transpersonen stört, wenn die Darstellung von Transpersonen im Film realitätsfremd ausfällt.
Die Glorifizierung Emilia Pérez´ durch die Bevölkerung ergänzt Audiard selbst allerdings auch noch durch den erbauenden Heldengesang, da sehe ich keine oder zumindest zu wenig Distanz. Der Jessi-Handlungsstrang ist zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen und danach folgt erst das positiv zeichnende Ende des Mafia-Handlungsstrangs.
Ich habe mir gerade nochmal das Ende von "Taxi Driver" angesehen, dort kehrt Scorsese ja nochmal zum Beginn zum Taxi Fahren und zu Betsy zurück, über die Blicke in den Rückspiegel und die fehlschlagende Kommunikation deutet Scorsese darauf hin, dass Travis Bickle seine Probleme nicht überwunden hat und sich im Prinzip in einem Loop befindet. Da geht Scorsese wesentlich nuancierter und vielschichtiger vor als Audiard es hier tut. Zumal Scorsese von Beginn an in Bickles Psyche und Weltvorstellungen eintaucht und seine Taten mit aller Drastik und Brutalität zeigt, während Audiard Manitas´ Taten als Kartellboss lediglich über die Dialoge andeutet, stattdessen seine Liebe zur Familie herausarbeitet und sich erst nach der Geschlechtsangleichung mit dem Redemption Arc dem Mafiageschehen widmet.
"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."
@ luhp92
Es wird nicht erwähnt, aber das sieht man doch. Ist in der Trans-Community auch einer der Kritikpunkte, dass Emilia unrealistischerweise nicht als Transfrau erkannt wird.
Ja schon aber es ist halt ein Musical und somit ein Genre, in dem man vom Publikum ein wenig Supension of Disbelief einfordern darf. Fands jetzt auch nicht krasser als die Tatsache, dass kein Mensch Superman erkennt sobald er eine Brille aufhat. ;)
Unrealistisch nicht, aber mir fehlt da eine Distanz oder ein klares Hinterfragen. Im Familien-Handlungsstrang verfällt sie in alte Verhaltensmuster zurück, das stimmt, aber das ist nur der Parallel-Handlungsstrang, im Kartell-Handlungsstrang bleibt sie die lichte Heldin, wird von den Volksmassen auf der Straße gefeiert. Im Finale macht es erst den Eindruck, dass das alte Kartell-Leben wieder über sie hereinbrechen würde, dies entpuppt sich allerdings als Plan Jessis und somit lediglich als Höhepunkt des Familien-Handlungsstrangs.
Wäre es Audiards Absicht gewesen, Emilia als strahlende Heldin zu präsentieren, hätte er sie in dem Teil mit Jessi nicht dermaßen negativ dargestellt. Das kritische Hinterfragen sollte vom Zuschauer selbst kommen, der die Diskrepanz zwischen dem Verhalten Emilias und der öffentlichen Glorifizierung ja sehr wohl erkennt. In "Taxi Driver" ist Travis am Ende sogar am Leben und wird als Held gefeiert, obwohl er in Wirklichkeit ein Soziopath ist, auch dort ist das Publikum also selbst gefordert, das Gesehene zu hinterfragen.
@PaulLeger
"Ist das denn öffentlich bekannt? [...] Und als ehemaliger Kartellboss ist sie steinreich, da kann man sich den Einstieg in die High Society erkaufen."
Es wird nicht erwähnt, aber das sieht man doch. Ist in der Trans-Community auch einer der Kritikpunkte, dass Emilia unrealistischerweise nicht als Transfrau erkannt wird. Aber stimmt, mit ihrem Kartell-Geld kann sie sich natürlich leicht in die High Society einkaufen.
"Dass sich Leute, die Dreck am Stecken haben, in der Öffentlichkeit als Wohltäter präsentieren, ist doch nicht unrealistisch. Und ich finde nicht, dass der Film das vergisst, schließlich zeigt er Emilias Rückfall in alte Verhaltensmuster im parallelen Erzählstrang mit Jessi"
Unrealistisch nicht, aber mir fehlt da eine Distanz oder ein klares Hinterfragen. Im Familien-Handlungsstrang verfällt sie in alte Verhaltensmuster zurück, das stimmt, aber das ist nur der Parallel-Handlungsstrang, im Kartell-Handlungsstrang bleibt sie die lichte Heldin, wird von den Volksmassen auf der Straße gefeiert. Im Finale macht es erst den Eindruck, dass das alte Kartell-Leben wieder über sie hereinbrechen würde, dies entpuppt sich allerdings als Plan Jessis und somit lediglich als Höhepunkt des Familien-Handlungsstrangs.
"Von welchem Geld? Ich glaube nicht, dass in Mexiko die Krankenversicherung die OP bezahlt."
Das weiß ich nicht. Aber in Mexiko leben auch Transpersonen normal und offen, in "Emilia Pérez" geht es nicht unterhalb der Kartellboss-Narrative.
"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."
@ luhp92
Ich glaub Spoiler-Tags kann man sich auf MJ für diesen Film sparen ;)
Dann nach der Geschlechtsangleichung, vier Jahre später, ist Emilia eine erfolgreiche und wohlhabende Geschäftsfrau und verkehrt global in den besten Kreisen der Gesellschaft? Wie ist sie dort hingelangt, wie war ihr Weg als Transfrau?
Ist das denn öffentlich bekannt? Ich hatte das Gefühl, dass Emilia sich gegenüber anderen nicht als Transfrau vorgestellt hat. Und als ehemaliger Kartellboss ist sie steinreich, da kann man sich den Einstieg in die High Society erkaufen.
Noch perfider wird es, wenn Emilia zusammen mit der korrupten Anwältin (diese hatte zu Beginn ja bereitwillig das Drogengeld angenommen als Bezahlung für die Organisation der Flucht und Operation) nach Mexiko zurückkehrt und die beiden Freundinnnen sich dort als die Moralischen und Wohltätigen ausgeben im Kampf gegen Kriminalität, Korruption und Armut. Was der Film unkommentiert so stehen lässt und vor allem die kriminelle Vergangenheit Emilias einfach vergisst.
Dass sich Leute, die Dreck am Stecken haben, in der Öffentlichkeit als Wohltäter präsentieren, ist doch nicht unrealistisch. Und ich finde nicht, dass der Film das vergisst, schließlich zeigt er Emilias Rückfall in alte Verhaltensmuster im parallelen Erzählstrang mit Jessi und enttarnt die Philanthropie somit als Fassade.
Was mich dann aber wieder zum Anfang des Films und meines Textes führt, warum musste sich der ungeoutete Manitas zur Anerkennung zum mordenden Kartellboss hocharbeiten? Er hätte sich einfach outen und sein Geschlecht angleichen können und alles wäre gut gewesen.
Von welchem Geld? Ich glaube nicht, dass in Mexiko die Krankenversicherung die OP bezahlt.^^
Den Sinn des Einsatzes der Musicalelemente habe ich nicht verstanden.
Erstens sind die Songs so rar im Film gesäht und die Geschichte kommt dann gänzlich ohne aus, dass man komplett vergisst, dass das eigentlich auch ein Musical sein soll. Zweitens, Tanz ist kaum vorhanden und die Hälfte der Songs besteht entweder aus albernem Quatsch (z.B. der Vagina-Song) oder nur aus leicht melodisch gesprochenem Dialog während im Hintergrund hauchzart eine Melodie gespielt wird.
Dahingehend wirkt im Vergleich selbst ein "Joker: Folie à Deux", der sein Musical schon mit Handbremse fährt, wie ein Werk von Andrew Lloyd Webber^^ (Mag ich trotzdem sehr, wie ich hier auf Moviejones bereits schrieb.)
Ein paar Songs aus "Emilia Pérez" haben mir dennoch gefallen. "Lady" mit der Anwältin und dem Chirurgen, Manitas´ Song über sein Begehren einer Geschlechtsangleichung oder das Lied im Finale, mit dem Emilia gegenüber Jessi offenbart, dass sie Manitas ist.
Inszenatorisch und ästhetisch wirkt "Emilia Pérez" weniger wie Kino sondern mehr wie ein Streamingflm, speziell im dürftig ausgestatteten und ausgeleuchteten Actionfinale in der Wüste fällt das dann auf.
Warum die Schauspielerinnen für diverse Awards nominiert und mitunter auch ausgezeichnet wurden, kann ich kaum nachvollziehen, ironischerweise hat mir Karla Sofía Gascón dabei noch am besten gefallen. Oder aber, ihr KI-unterstützter Gesang hat zu sehr meine Sinne verneblt...
"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."
Das Szenario des Films halte ich für unglaubwürdig und bösartig.
Zu Beginn wird etabliert, dass Hauptcharakter Manitas ungeoutet quasi dreimal so kriminell und brutal wie der normale Mexikaner sein muss, um in der Gesellschaft nicht aufzufallen und anerkannt zu werden (was für sich betrachtet gelinge gesagt schon tendenziös gegenüber Mexikanern ausfällt).
Dann nach der Geschlechtsangleichung, vier Jahre später, ist Emilia eine erfolgreiche und wohlhabende Geschäftsfrau und verkehrt global in den besten Kreisen der Gesellschaft? Wie ist sie dort hingelangt, wie war ihr Weg als Transfrau?
Danach holt sie ihre Frau Jessi und die Kinder nach, klärt ihre Familie aber selbst im Privaten nicht über ihre Transidentität auf, sondern belügt und manipuliert sie ohne Notwendigkeit? Da wird es dann schon perfide. Nachdem Jessi berechtigterweise eine neue Liebesbeziehung anfängt, offenbaren sich bei Emilia obendein noch misogyne Züge, sie begreift Jessi als ihren Besitz und wird ihr gegenüber gewalttätig. Aber gut, dafür bezahlt Emilia aber Ende des Films letztendlich auch.
Noch perfider wird es, wenn Emilia zusammen mit der korrupten Anwältin (diese hatte zu Beginn ja bereitwillig das Drogengeld angenommen als Bezahlung für die Organisation der Flucht und Operation) nach Mexiko zurückkehrt und die beiden Freundinnnen sich dort als die Moralischen und Wohltätigen ausgeben im Kampf gegen Kriminalität, Korruption und Armut. Was der Film unkommentiert so stehen lässt und vor allem die kriminelle Vergangenheit Emilias einfach vergisst.
Merkwürdiger- und erfreulicherweise existieren im Film überhaupt keine Ressentiments gegenüber Transpersonen, Emilia agiert ohne Probleme als Geschäftsfrau, Wohltäterin und wird am Ende in Mexiko als Heldin gefeiert. Was mich dann aber wieder zum Anfang des Films und meines Textes führt, warum musste sich der ungeoutete Manitas zur Anerkennung zum mordenden Kartellboss hocharbeiten? Er hätte sich einfach outen und sein Geschlecht angleichen können und alles wäre gut gewesen.
Meine Bewertung"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."
Ich fand den Film besser als erwartet. Die Story war interessant und mitreißend, die Performances waren stark, der Score war gut und visuell sah der Film auch toll aus. Als Krimi-Thriller hat er wirklich gut funktioniert. Warum man aber noch ein Musical daraus machen musste, verstehe ich nicht. Wenn die Songs wenigstens gut gewesen wären...aber nein, die Songs waren ganz ok, aber mehr nicht und der Film wäre ohne sie besser gewesen.
Warum der Film allerdings so viele Nominierungen bei den Awards Shows bekommen hat (vor allem 13 Oscars, und 2 davon für Songs??), kann ich auch nicht so nachvollziehen. (Und da beziehe ich noch nicht mal die ganzen Kontroversen mit ein, zu denen ich nix sagen kann, weil ich mich mit den Themen nicht genug auskenne.). 13 Oscars, nur 15 Filme haben so viele bzw. noch mehr Nominierungen bekommen...
Als Krimi-Thriller wäre ich bei 4 Hüten oder vlt. sogar 4,5, als Musical 2,5 oder 3 Hüte, insgesamt dann solide 3,5 Hüte. Kann man sich ruhig anschauen.
Meine BewertungLink zu meinem Letterboxd-Profil /// (ehem. FlyingKerbecs)