
Bewertung: 4 / 5
Mit Poor Things ist dem griechischen Regisseur Yorgos Lanthimos vor zwei Jahren sowohl kommerziell als auch bei Preisverleihungen (vier Oscars) sein bislang größter Erfolg gelungen. Nach der schnell hinterhergeschobenen Fingerübung Kinds of Kindness, die hauptsächlich seine Hardcore-Fans aus Dogtooth-Zeiten zufriedenstellen konnte, während sie den überwiegenden Teil der restlichen Zuschauerschaft vor den Kopf stieß, meldet er sich nun wieder mit einem zugänglicheren Werk zurück.
Bugonia Kritik
Der in prekären Verhältnissen lebende Teddy (Jesse Plemons) ist der festen Überzeugung, dass Außerirdische aus der Andromeda-Galaxis die Erde unterwandert haben und deren Zerstörung planen, so dass er gemeinsam mit seinem Cousin Don (Aidan Delbis) kurzerhand die von ihm als Alien identifizierte Michelle Fuller (Emma Stone) entführt, bei der es sich um die Geschäftsführerin eines Pharma-Unternehmens handelt, bei dem auch Teddy angestellt ist. Sie soll ihm eine Audienz mit den Führern ihrer Rasse verschaffen, um die Auslöschung der Menschheit doch noch abzuwenden.
Bei Bugonia handelt es sich um ein Remake des südkoreanischen Films Save the Green Planet! aus dem Jahr 2003. Es grenzt sich durch einige inhaltliche Änderungen und einen eigenen Stil ausreichend von diesem ab, um auch für diejenigen, die das Original gesehen haben, eine Daseinsberechtigung zu haben.
Die Geschichte eines jungen Mannes, der in einer Echokammer gefangen ist, absurde Verschwörungstheorien entwirft und zu drastischen Mitteln greift, konnte vor 22 Jahren noch als Aufhänger für ein absurdes Camp-Fest dienen, verlangt in der heutigen Zeit, in der ein solches Szenario realitätsnäher wirkt, aber eine ernsthaftere Auseinandersetzung mit den dadurch aufgeworfenen Themen. So fällt es nicht schwer Bugonia als kapitalismuskritische Allegorie auf unsere Zeit zu lesen, in der keine Seite sonderlich gut wegkommt. Staubtrocken geht es in dem Film dadurch aber noch lange nicht zu, wofür in erster Linie die zeitweise eingestreuten schwarzhumorigen Einschübe sorgen.
Gleichwohl entspinnt sich über weite Strecken ein für Lanthimos-Verhältnisse fast schon konventionell anmutender, kammerspielartiger Entführungsthriller, der in einem Schauspielduell der Extraklasse gipfelt. Emma Stone beweist mit einer extrem wandelbaren Performance einmal mehr warum sie als eine der besten Darstellerinnen ihrer Generation gehandelt wird. Als Michelle erkennt, dass ihre in berechnendem Corporate Speak vorgetragenen Einschüchterungsversuche nicht zum Ziel führen, geht sie verschiedene Taktiken durch, um ihren Entführer davon zu überzeugen, seinen Plan aufzugeben. Jesse Plemons steht Stone in nichts nach und spielt den Wahnsinn seiner Figur ebenso überzeugend wie die emotionalen Momente, die seine Beweggründe beleuchten. Im Vergleich zu diesen beiden bleibt der von Newcomer Aidan Delbis verkörperte Don lange Zeit eine eher passive Figur, erweist sich gleichwohl aber als emotionaler Anker inmitten des eskalierenden Wahnsinns.
Bugonia wurde mit VistaVision-Kameras gefilmt und sieht dank einer satten Farbpalette und elaborierten Kameraeinstellungen absolut fantastisch aus. Das außergewähnliche 1.50:1-Seitenverhältnis verstärkt derweil die klaustrophobische Atmosphäre der Entführungssituation. Das kammerspielartige Szenario wird einige Male durch traumartige Rückblenden in Schwarzweiß durchbrochen, die Teddys ins Groteske überzeichnete Erinnerungen an seine Mutter visualisieren und zu den inszenatorischen Highlights des Films gehören.
Untermalt wird dieser von einen bombastischen Orchester-Score von Jerskin Fendrix, durch den stets die Aussicht auf einen großen Knall mitschwingt. Daneben kommen noch an drei Stellen kongenial populäre Songs zum Einsatz, die nicht nur die zu der betreffenden Szene passende Energie vermitteln, sondern sie auch über ihren Text perfekt kommentieren. Als Kritikpunkt lässt sich das Drehbuch von Will Tracy (The Menu) ausmachen, das es sich gerade zum Ende hin etwas zu einfach macht, so dass die Handlung an einigen Stellen nicht ganz rund wirkt.
Fazit
Inszenatorisch wie schauspielerisch auf höchstem Niveau angesiedelt verhandelt das neue Werk von Yorgos Lanthimos auf unterhaltsame Weise relevante Themen unserer Zeit und kulminiert in einem wendungsreichen und denkwürdigen Finale, dessen elegische Schlussmontage mit der "I Lied to You"-Plansequenz aus Blood & Sinners und der finalen Verfolgungsjagd in One Battle After Another um den Titel der denkwürdigsten Filmsequenz des Jahres konkurrieren dürfte.


