
Bewertung: 3.5 / 5
Him - Der größte aller Zeiten ist kein gewöhnlicher Sportfilm, sondern eine fiebrige Mischung aus Ruhmeswahn, Körperhorror und psychologischem Albtraum – ein Werk, das sich anfühlt wie Midsommar auf dem Footballfeld: sonnendurchflutet und zutiefst verstörend.
Im Mittelpunkt steht der junge Quarterback Cameron Cade, gespielt von Tyriq Withers, dessen aufstrebende Karriere nach einem brutalen Angriff in Trümmern liegt. Als alles verloren scheint, lädt ihn die Football-Legende Isaiah White (Marlon Wayans) auf sein abgelegenes Anwesen ein, um ihn "wieder groß zu machen". Doch was als zweite Chance beginnt, verwandelt sich bald in eine unheilvolle Initiation, in der Ruhm, Opfer und körperliche Selbstaufgabe zu einem blutgetränkten Glaubenssystem verschmelzen.
Trailer zu Him - Der größte aller Zeiten
Regisseur Justin Tipping inszeniert diese Geschichte wie ein Ritual, das mit jedem Akt tiefer in den Wahn abgleitet. Nichts an Him - Der größte aller Zeiten ist zufällig: das überirdische Licht, die gedämpften Szenen an die Vergangenheit, das unheimlich kalt-warme Setting, das sich allmählich als Gefängnis entpuppt. Schon früh spürt man, dass Isaiahs glorreiche Karriere auf etwas Dunklerem ruht als bloßer Disziplin. Seine Motivationen bleiben lange undurchsichtig, und gerade diese Unklarheit ist es, die den Film trägt. Hinter den Trophäen und Trikots lauert eine obskure Geschichte, die uralte Rituale, Ruhmessucht und religiösen Eifer auf beunruhigende Weise verknüpft.
Marlon Wayans, den man eher aus Komödien kennt, liefert hier eine erstaunlich zurückhaltende, unheimliche Performance. Sein Isaiah ist kein lauter Antagonist, sondern ein Mann, der mit erschreckender Überzeugung an seine Methoden glaubt. Zwischen väterlicher Wärme und manipulativer Kälte pendelnd, wird er zum Zentrum eines Systems, das Erfolg um jeden Preis fordert. Withers als Cameron ist das perfekte Gegenstück – ehrgeizig, verletztlich, körperlich präsent und gleichzeitig innerlich zerrissen. Ihr Zusammenspiel bildet das pulsierende Herz des Films, ein Duell aus Bewunderung, Angst und Selbstaufgabe.
Auch Julia Fox als Isaiahs Frau Elsie fügt der Geschichte eine bizarre Note hinzu. Als Influencerin und Gastgeberin des Hauses bewegt sie sich zwischen Fassade und Gefangenschaft. Ihre Begegnungen mit Cameron sind aufgeladen von unterschwelliger Spannung – man weiß nie, ob sie ihm helfen, ihn verführen oder einfach nur beobachten will.
Der Film ist nichts für schwache Nerven. Er zeigt, was körperlicher und seelischer Missbrauch im Namen des Erfolgs anrichten kann, und scheut dabei keine expliziten Bilder. Der hohe Blutzoll ist nicht Selbstzweck, sondern eine Konsequenz aus der Frage, wie weit Menschen gehen, wenn sie glauben, dass Größe Opfer verlangt. In manchen Szenen ist Him - Der größte aller Zeiten geradezu schockierend physisch – der Körper wird zum Schlachtfeld, das Fleisch zur Währung.
Tipping verbindet diese Brutalität mit einer fast sakralen Ästhetik. Das Zusammenspiel von dröhnendem Sound, dissonanter Musik und hypnotischer Kameraarbeit lässt den Film gleichzeitig schön und widerwärtig wirken. Man kann sich dem Sog kaum entziehen. Him - Der größte aller Zeiten ist damit kein Film über Sport, sondern über Besessenheit, Macht und den Preis des Erfolgs. Wer bereit ist, sich auf dieses Unbehagen einzulassen, erlebt ein Werk, das unter die Haut geht.


