Bewertung: 3.5 / 5
Ein einzigartiges Werk im wahrsten Sinne des Wortes, bei "Roar" handelt es sich um einen Terrorfilm, der eigentlich nie gedreht hätte werden dürfen und der (hoffentlich) auch nie wieder gedreht werden wird.
Ich kann das gar nicht richtig in Worte fassen, die Seherfahrung ist absolut wahnwitzig und atemberaubend und lässt sich am besten so beschreiben, als würde man sich "Jurassic Park" ansehen, nur dass das Geschehen im Film vollkommen echt ist, anstatt mit Dinosauriern hier mit einer Vielzahl an Löwen, Tigern, Pumas, Jaguaren, Leoparden und Elefanten. Das größenwahnsinnige Unterfangen des Hollywood-Ehepaares Noel Marshall (Produzent "Der Exorzist") und Tippi Hedren ("Die Vögel") aus ihrer fanatischen Liebe und Faszination für die vom Aussterben bedrohten Raubtiere heraus, die - um treffenderweise das Filmzitat zu bemühen - keine Kosten und Mühen gescheut haben, um eine kalifornische Ranch in eine tansanische Idylle, ein "harmonisches Paradis" für Großkatzen zu verwandeln.
Noah Marshall ist Produzent, Regisseur, Drehbuchautor, Editor, Hauptdarsteller und Hauptrolle in Personalunion, der John-Hammond-artige Projektleiter, der in "Roar" die Tiere studieren möchte. Zu Beginn tritt ein externes Komitee auf, um das Geschehen auf der Ranch zu kontrollieren und die Ranch gegebenenfalls wegen des Sicherheitsrisikos zu schließen, später stößt zum Besuch Marshalls Familie hinzu, Tippi Hedren als Hauptdarstellerin (und Koproduzentin), ihre Kinder sind ebenfalls Teil des Casts, u.A. Melanie Griffith ("Die Waffe der Frauen").
Sowohl das Komitee als auch die Familie werden im Film von den wilden Tieren drangsaliert, terrorisiert und aufgerieben, gedreht wurde im Direktkontakt mit den Tieren. Die Katzen betaschen die Schauspieler, schnappen nach ihnen, knabbern an ihnen, werfen sie zu Boden und überwältigen sie, in einer Szene schleppen Löwen sogar blutige Fleischstücke eines erlegten Beutetieres mit ins Haus. Wir sehen hier Menschen mit echter Todesangst auf dem Gesicht, "Roar" bewegt sich ständig am Rande realer Todesmomente, die auf die Leinwand gebannt werden, und es ist ein Wunder, dass beim Dreh tatsächlich niemand zu Tode kam.
Die Drehumstände hatten dennoch zur Folge, dass über 70 Personen der Filmcrew verletzt wurden, mitunter auch schwer. Tippi Hedren wurde von einem Elefanten das Bein gebrochen, Melanie Griffith benötigte nach einer Attacke eine gesichtsangleichende Operation, Jan de Bont ("Stirb Langsam", "Speed") hatte hier einen seiner ersten Jobs als Kameramann und wurde von einem Löwen beinahe skalpiert, Noah Marshall sieht man im Film irgendwann mit verbundener Hand und einem aufgerissenen Oberschenkel.
Die Produktion entwickelte sich wenig verwunderlich zu einer Katastrophe, die Hintergründe würden vermutlich ein ganzes Buch füllen (warum hat das eigentlich noch niemand verfilmt?). Es dauerte elf Jahre, um den Film fertigzustellen, abseits der Schwierigkeit bis Unmöglichkeit, die Tiere zu kontrollieren, sowie der zahlreichen Unfälle und Verletzungen wurde das Set durch Brände und Überflutungen nahezu komplett zerstört, tragischerweise verstarben zudem 14 der Tiere an einer Viruserkrankung. Die Produktion kostete Marshall und Hedren 17 Mio. US-Dollar und floppte nach der Veröffentlichung hart an den Kinokassen, der Film spielte lediglich zwei Mio. US-Dollar ein. Ironischerweise wird "Roar" als teuerstes Familien-Heimvideo bezeichnet, welches je gedreht wurde.
Ich habe bisher nie tiefgehend darüber nachgedacht, welche Filme auf eine Liste gehören, die man in seinem Leben gesehen haben sollte. "Roar" wäre jetzt ein Film, bei dem ich sagen würde, dass er wegen seiner einzigartigen Produktion und Seherfahrung definitiv auf eine solche Liste gehört.
Zu sehen auf Youtube:
https://www.youtube.com/watch?v=grNmW2s3FVA
