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Der Brutalist

Kritik Details Trailer News
American Dream und Antisemitismus

Der Brutalist Kritik

Der Brutalist Kritik
4 Kommentare - 09.03.2025 von luhp92
In dieser Userkritik verrät euch luhp92, wie gut "Der Brutalist" ist.
Der Brutalist

Bewertung: 2.5 / 5

"The Brutalist" ist trotz seiner Laufzeit ungemein kurzweilig, das muss ich dem Film lassen. Gleichzeitig kann mir Brady Corbet aber nicht vermitteln, warum man die Geschichte inklusive Ouvertüre und Intermission auf 3,5 Stunden auswalzen muss. Diverse Charakterinteraktionen und Gespräche wirken merkwürdig in die Länge gezogen und trotz seiner Laufzeit gelingt es dem Film nicht einmal, seine Nebencharaktere vernünftig auszuarbeiten, zum Beispiel das Leben und die Entwicklung der Nichte, die nach dem zeitlichen Jumpcut auf einmal wieder spricht, mit seinem Israeli zusammen und vom ihm schwanger ist, und die beiden verkünden, dass sie nun nach Israel ziehen.

Abgesänge auf den American Dream lassen sich sehr viele finden, anderen Filmen gelingt das allerdings gewaltiger, nuancierter und/oder prägnanter. "The Brutalist" strebt die Sphären von "There Will Be Blood" an, verfehlt diese meiner Meinung nach aber deutlich.

Trailer zu Der Brutalist

Cinematographisch habe ich den Film nicht als so überragend wahrgenommen, wie man es überall liest. Klar gibt es immer wieder starke Sequenzen, aber über die Laufzeit verteilt fällt das schon gering aus. Als ikonischste Szene ist dabei natürlich der Beginn auf dem Einreiseschiff mit der umgekehrten Freiheitsstatue zu nennen, die perfekt in die Geschichte und seine Themen einleitet und wohl in die Filmgeschichte eingehen wird. Oder wenn der Film der Architektur huldigt (Stahlbau, Bau des Gebäudes, italienischer Marmorsteinbruch) und dafür zur Untermalung ein erhabenes Horn-Musikstück verwendet. Das aus der Luft gefilmte Zugunglück mit den Dampfschwaden (bei der man erst denken könnte, es sei eine Erinnerung an einen Zug zum KZ.) ist ebenfalls fantastisch.

Inhaltlich fand ich spannend, wie im Film Pennsylvania als das Herzstück der USA dargestellt wird, der Bundesstaat der Entscheidungen, der Bundesstaat, der die Immigranten weiterleitet, der Vorreiter und Antreiber für Industrie, Bildung und Kultur in den USA. Des weiteren, wie Corbet den American Dream im Kontext von Judentum und Antisemtimus dekonstruiert, Lászlo Tóth und seine Familie emigrieren in die USA, nur um dann festzustellen, dass die Realität anders aussieht, es nicht der Traum ist, den sie sich vorgestellt haben. Von den Antisemiten werden sie hier zwar nicht eingesperrt oder ermordet, aber nichtsdestotrotz ausgegrenzt oder dann von der großindustriellen Familie Van Buren (Guy Pearce, Joe Alwyn) kapitalistisch ausgebeutet und vergewaltigt. Stets transportiert "The Brutalist" deswegen die Notwendigkeit des jüdischen Staates im Hintergrund mit, für die Familie Tóth stellt sich die essenzielle Frage, ob es besser und sinnvoller sei, in den USA zu bleiben oder nach Israel zu ziehen.

Dass Lászlo Tóth allerdings zum Gedenken an den Holocaust die Architektur der Konzentrationslager in sein Gebäude integriert und die Türme dabei sogar die Schornsteine symbolisieren, halte ich zumindest für diskussionswürdig, ob das wirklich so eintreten würde. Seine Alkohol- und Heroinsucht erscheint mir eher willkürlich, ich hatte zumindest nie den Eindruck, einen Süchtigen vor mir zu haben, mehr einen Gelegenheitsjunkie, der immer dann zu Tage tritt, wenn es für den Plot gerade sinnvoll ist. Von dem unfassbar dämlichen Voice-Over-Einschub als Belehrung über Heroinsucht mal ganz zu schweigen. Zudem geht mir die oben angesprochene Vergewaltigungsszene nicht so ganz aus dem Kopf. Zu Beginn der ersten Hälfte etabliert Corbet im Bordell Lászlo Tóths Heterosexualität, Sex mit Männern sei nichts für ihn. Als Spiegelung erfolgt in der zweiten Hälfte dann die Vergewaltigung durch den seine Homosexualität unterdrückenden(?) Van Buren. Mir gefällt nicht, wie Homosexualität auf diese unrühmliche Weise als Plotdevice verwendet wird.

Abseits des Films lässt sich zwischen Regisseur Brady Corbet und Lászlo Tóth eine ironische Parallele ziehen, beide Künstler haben für die Fertigstellung ihres Projektes auf ihre Gage verzichtet. "The Brutalist" hat in der Produktion lediglich 10 Mio US-Dollar gekostet, abseits des Gagenverzichtes außerdem kostengünstig mit Steuererleichterungen im autokratischen Ungarn gedreht. So eindrucksvoll sich dieses erfolgreiche Unterfangen auch darstellt, die Produktion eines solchen Historienepos als Auflehnung gegen das Studioystem Hollywoods, ist es unter solchen Bedingungen auch zu hinterfragen.

Der Brutalist Bewertung
Bewertung des Films
510

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4 Kommentare
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Cyrill-Snare : : Moviejones-Fan
13.03.2025 18:34 Uhr | Editiert am 13.03.2025 - 18:35 Uhr
0
Dabei seit: 26.01.18 | Posts: 16 | Reviews: 0 | Hüte: 1

@luhp92

starke Argumentation!

Was Du zu "Killers of the Flower Moon" schreibst weckt meine Neugier und ich deute hier eine Empfehlung raus. Obwohl ich die Kombi Scorsese / DiCaprio grundsätzlich mag, habe ich mich bisher nicht an den Film ran getraut. Der Trailer funktionierte bei mir vorab nicht und ich hatte bisweilen Sorge in den Film nicht reinfinden zu können / mich das Sujet darin packt / berührt / mitfiebern lässt.

Ich finde man muss auch bei Film-Längen zwischen tatsächlicher (Echt-Zeit) und gefühlter Zeit unterscheiden. Spontan fällt mir z.B. "Es war einmal in Amerika" mit einer Laufzeit von etwa über 4 Stunden? ein, den ich als "0" langatmig, langweilig und somit auch nicht als zu lang empfand. Bei "Der mit dem Wolf tanzt", gab mir die erweiterte Fassung mit 4,5 statt der 3,5 Stunden Kino-Version noch "mehr", war also für mich zuträglich und so ein + an Gesehenem Bonus, was nicht für jeden DC oder Extended-Cut zutrifft finde ich. Denn "mehr / länger" bedeutet nicht immer "=besser". Ich wünsche mir auch oft, das Filme hier und da kürzer sein könnten oder um besser zu sein sogar müssten. Irishman im Kino? Der Gedanke spannend. Ich habe es hier ähnlich wie Du gemacht, an 3 aufeinanderfolgenden Abenden jeweils eine Stunde bzw. Mini-Serien-Format wie Du es nennst. Ich glaube es ist auch in gewisser weise ein Fluch der modernen Zeiten in denen wir leben / Jugendliche beispielsweise mit Formaten wie Youtube-Shorts oder gar TikTok aufwachsen. Sich wirklich Zeit zu nehmen für Film-Epen ist irgendwie nicht mehr in Mode, ich denke Der Brutalist z.B. schreckt viele ob der langen Laufzeit ab und möchten den Film dann nicht sehen. Ich habe oft subjektiv das Gefühl diese dafür benötigte Zeit nicht zu haben, womit ich mir glaube ich insgeheim nur selbst etwas was vormache, denn 1 Minute entspricht einer Minute damals wie Heute, wie auch in Zukunft. Aktuelle Sehgewohnheiten und insbesondere der mögliche Zugriff auf soviel macht es mir schwer mich zu entscheiden, was mache ich mit meiner Zeit / wofür setze ich sie ein, bei solch einem überbordenden Über-Angebot wie es das beispielsweise an Filmen gibt.

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
13.03.2025 14:23 Uhr | Editiert am 13.03.2025 - 14:26 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 18.236 | Reviews: 185 | Hüte: 667

@Cyrill-Snare
"es bedarf dieser Laufzeit, damit der Film seine "Schwere" zum einen atmen und zum anderen auch so in Gänze transportieren kann"

Das kann ich nachvollziehen, genauso habe ich "Killers of the Flower Moon" wahrgenommen, hier zahlte sich die Laufzeit auf die Geschichte und eine Fühlbarmachung des Leids der Osage ein.
In "The Brutalist" fehlt mir da diese Schwere und Größe. So viel steht im Film nicht auf dem Spiel, die Welt und die Charaktere wandeln sich kaum, ein Gefühl für die vergangene Zeit (1947-1960) ist nicht wirklich vorhanden und der Film ist trotz seiner Länge (wegen seines Budgets) dann doch eher klein gehalten.

Der Beginn der Intermission hat mich frustriert, weil sie mitten in die Parade der Monatge über die US-amerikanische Industrie fährt und die erzeugte Aufbruchstimmung dadurch abrupt abgetötet wird. Rückblickend würde ich das aber als Kritik an Großindustriellen wie Van Buren deuten, sie haben nicht die (ideologische) Kontrolle über den Film. Ansonsten trennt die Intermission natürlich Lászlo Tóths Zeit in den USA ohne Familie von der Zeit mit Familie ab.

"The Irishman" habe ich damals sogar in drei Etappen gesehen, ich habe aus dem Film sozusagen also selbst eine Miniserie gemacht^^ Der Vor- und gleichzeitig Nachteil von Streamingdiensten, lieber hätte ich "The Irishman" wie "Killers of the Flower Moon" im Kino gesehen, dann kann man auch nicht entfliehen, aber für so einen Langfilm muss man auch erstmal die Zeit finden und sich die auch nehmen.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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Cyrill-Snare : : Moviejones-Fan
13.03.2025 13:08 Uhr
0
Dabei seit: 26.01.18 | Posts: 16 | Reviews: 0 | Hüte: 1

Für mich ist die Lauflänge ideal gewählt. Warum? Ich finde es bedarf dieser Laufzeit, damit der Film seine "Schwere" zum einen atmen und zum anderen auch so in Gänze transportieren kann. Obwohl in der 1sten Hälfte meinem Gefühl nach eigentlich gar nicht mal so viel passiert, war die Intermission gerade recht platziert. Insbesondere gleich zu Beginn wo man Attock ins Geschehen geworfen wird, die Einleitung mit dem ungarischen Voice-Over vorgelesenen Brief von Elszebet und der Bildgewalt der Anreise, musste ich mich erstmal ins Gesehene rein-fühlen und verarbeiten. Mir kam der Break hierzu dann just-in-Time. Ich komme jetzt nicht mit nostalgischen Gequatsche ala, was beispielsweise bei Ben-Hur seinerzeit schon gut funktioniert hat, kann auch in der Neuzeit nicht schlecht sein, so habe ich mir aber z.B. The Irishman auch in jeweils 1ner Stunde Portionen angesehen. Es würde natürlich zu weit führen bei jedem regulärem 2-Stünder nach einer Stunde eine 15-Minütige Pause einzulegen, Filmfluss etc. Aber beim Brutalisten hat es für mich einfach gut gepasst & funktioniert.

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
09.03.2025 20:14 Uhr | Editiert am 09.03.2025 - 20:16 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 18.236 | Reviews: 185 | Hüte: 667

Unfassbar, wie meisterhaft das Intro ist, Filmgeschichte beim Entstehen zusehen.

https://www.youtube.com/watch?v=UVbGeFE3vZ4

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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