
Bewertung: 2.5 / 5
"The Brutalist" ist trotz seiner Laufzeit ungemein kurzweilig, das muss ich dem Film lassen. Gleichzeitig kann mir Brady Corbet aber nicht vermitteln, warum man die Geschichte inklusive Ouvertüre und Intermission auf 3,5 Stunden auswalzen muss. Diverse Charakterinteraktionen und Gespräche wirken merkwürdig in die Länge gezogen und trotz seiner Laufzeit gelingt es dem Film nicht einmal, seine Nebencharaktere vernünftig auszuarbeiten, zum Beispiel das Leben und die Entwicklung der Nichte, die nach dem zeitlichen Jumpcut auf einmal wieder spricht, mit seinem Israeli zusammen und vom ihm schwanger ist, und die beiden verkünden, dass sie nun nach Israel ziehen.
Abgesänge auf den American Dream lassen sich sehr viele finden, anderen Filmen gelingt das allerdings gewaltiger, nuancierter und/oder prägnanter. "The Brutalist" strebt die Sphären von "There Will Be Blood" an, verfehlt diese meiner Meinung nach aber deutlich.
Trailer zu Der Brutalist
Cinematographisch habe ich den Film nicht als so überragend wahrgenommen, wie man es überall liest. Klar gibt es immer wieder starke Sequenzen, aber über die Laufzeit verteilt fällt das schon gering aus. Als ikonischste Szene ist dabei natürlich der Beginn auf dem Einreiseschiff mit der umgekehrten Freiheitsstatue zu nennen, die perfekt in die Geschichte und seine Themen einleitet und wohl in die Filmgeschichte eingehen wird. Oder wenn der Film der Architektur huldigt (Stahlbau, Bau des Gebäudes, italienischer Marmorsteinbruch) und dafür zur Untermalung ein erhabenes Horn-Musikstück verwendet. Das aus der Luft gefilmte Zugunglück mit den Dampfschwaden (bei der man erst denken könnte, es sei eine Erinnerung an einen Zug zum KZ.) ist ebenfalls fantastisch.
Inhaltlich fand ich spannend, wie im Film Pennsylvania als das Herzstück der USA dargestellt wird, der Bundesstaat der Entscheidungen, der Bundesstaat, der die Immigranten weiterleitet, der Vorreiter und Antreiber für Industrie, Bildung und Kultur in den USA. Des weiteren, wie Corbet den American Dream im Kontext von Judentum und Antisemtimus dekonstruiert, Lászlo Tóth und seine Familie emigrieren in die USA, nur um dann festzustellen, dass die Realität anders aussieht, es nicht der Traum ist, den sie sich vorgestellt haben. Von den Antisemiten werden sie hier zwar nicht eingesperrt oder ermordet, aber nichtsdestotrotz ausgegrenzt oder dann von der großindustriellen Familie Van Buren (Guy Pearce, Joe Alwyn) kapitalistisch ausgebeutet und vergewaltigt. Stets transportiert "The Brutalist" deswegen die Notwendigkeit des jüdischen Staates im Hintergrund mit, für die Familie Tóth stellt sich die essenzielle Frage, ob es besser und sinnvoller sei, in den USA zu bleiben oder nach Israel zu ziehen.
Dass Lászlo Tóth allerdings zum Gedenken an den Holocaust die Architektur der Konzentrationslager in sein Gebäude integriert und die Türme dabei sogar die Schornsteine symbolisieren, halte ich zumindest für diskussionswürdig, ob das wirklich so eintreten würde. Seine Alkohol- und Heroinsucht erscheint mir eher willkürlich, ich hatte zumindest nie den Eindruck, einen Süchtigen vor mir zu haben, mehr einen Gelegenheitsjunkie, der immer dann zu Tage tritt, wenn es für den Plot gerade sinnvoll ist. Von dem unfassbar dämlichen Voice-Over-Einschub als Belehrung über Heroinsucht mal ganz zu schweigen. Zudem geht mir die oben angesprochene Vergewaltigungsszene nicht so ganz aus dem Kopf. Zu Beginn der ersten Hälfte etabliert Corbet im Bordell Lászlo Tóths Heterosexualität, Sex mit Männern sei nichts für ihn. Als Spiegelung erfolgt in der zweiten Hälfte dann die Vergewaltigung durch den seine Homosexualität unterdrückenden(?) Van Buren. Mir gefällt nicht, wie Homosexualität auf diese unrühmliche Weise als Plotdevice verwendet wird.
Abseits des Films lässt sich zwischen Regisseur Brady Corbet und Lászlo Tóth eine ironische Parallele ziehen, beide Künstler haben für die Fertigstellung ihres Projektes auf ihre Gage verzichtet. "The Brutalist" hat in der Produktion lediglich 10 Mio US-Dollar gekostet, abseits des Gagenverzichtes außerdem kostengünstig mit Steuererleichterungen im autokratischen Ungarn gedreht. So eindrucksvoll sich dieses erfolgreiche Unterfangen auch darstellt, die Produktion eines solchen Historienepos als Auflehnung gegen das Studioystem Hollywoods, ist es unter solchen Bedingungen auch zu hinterfragen.
